Sanders verspricht Einheitskrankenkasse nach kanadischem Vorbild
Zwei Wochen vor den ersten Vorwahlen haben vier Bewerber die besten Siegchancen
Am 1. Februar finden im US-Bundesstaat Iowa die ersten Präsidentschaftsvorwahlen statt. Zwei Wochen vorher hat der parteilose Senator Bernie Sanders, der bei den Demokraten antritt, einen Plan vorgestellt, der eines seiner zentralen Wahlkampfthemen werden soll: Medicare for All - eine gesetzliche Einheitskrankenkasse nach kanadischem Vorbild, die dafür sorgen soll, dass nicht mehr jährlich 26.000 Amerikaner mangelhafter medizinischer Versorgung zum Opfer fallen.
Dieser Krankenversiccherungsplan sorgte bei der letzten demokratischen Fernsehdebatte vor den ersten Vorwahlen dafür, dass diese etwas weniger langweilig verlief als ihre Vorgänger, weil sich die Favoritin Hillary Clinton und ihr Herausforderer deutlich stärker attackierten als zuvor. Clinton sprach sich dabei vehement gegen Medicare für All aus, weil eine neue Diskussion ihrer Ansicht nach Obamas kleine Krankenvericherungsreform gefährden würde, die zwar zu einem höheren Versichertenanteil führte, aber immer noch viele Millionen Amerikaner un- oder grob unterversichert lässt. Sanders verteidigte sein Vorhaben, das er mit eine Reichensteuer gegenfinanzieren will, mit Verweisen auf den demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der die USA aus der Wirtschaftskrise holte, indem er einen Sozialstaat aufbaute.
Die ehemalige Außenministerin und Ex-Präsidentengattin verwies dagegen vor allem auf ihre eigene Politikerfahrung. Ihre Versuche, Sanders Abstimmungsverhalten zum Waffenrecht auszuschlachten, schlugen insofern fehl, als der Senator glaubhaft darlegen konnte, dass es ihm dabei um den Schutz kleiner Jagdwaffengeschäfte ging, bei denen es seiner Ansicht nach unangemessen wäre, sie für Verbrechen, für die sie nichts können, in Haftung zu nehmen.
Sanders griff Clinton an, indem er (ebenso wie in seinen Wahlwerbespots) ihren guten Kontakten zur Wall Street thematisierte. Der größte Unterschied zwischen ihm und der Favoritin ist seinen Worten nach, dass er "kein Geld von großen Banken nimmt" und "keine persönlichen Vortragshonorare von Goldman Sachs bekommt". Damit spielte er auf einen Bericht des Portals Politico an, dem zufolge seine Konkurrentin 2013 von Goldman Sachs 675.000 Dollar bekam - für ganze drei Vorträge als Gegenleistung.
In den letzten Iowa-Umfragen, die noch vor der Vorstellung des Krankenversicherungsplans und vor der Fernsehdebatte durchgeführt wurden, lagen Sanders und Clinton relativ nah beieinander. Public Policy Polling und Bloomberg sahen Clinton mit 46 zu 40 und 42 zu 40 Prozent vorne, während die American Research Group und die Quinnipiac University Sanders mit 47 zu 44 und 49 zu 44 Prozent die besseren Gewinnchancen vorhersagten. In New Hampshire, dem zweiten Vorwahlstaat, der am 9. Februar dran ist, führt der unabhängige Senator seit August (vgl. New Hampshire: Bernie Sanders vor Hillary Clinton). In landesweiten Umfragen liegt er in der RealClearPolitics-Sammlung mit 51 zu 38 Prozent zurück, was sich jedoch ändern könnte, wenn er in Iowa und New Hampshire den Medien und der Öffentlichkeit zeigt, dass er gewinnen kann.
Donald Trump, der mit 33 bis 42 Prozent klarer Umfrageführer bei den Republikanern ist, will die Obamacare-Gesundheitsreform (die für seine Partei ein Rotes Tuch ist) zwar abschaffen - aber er verspricht ein neues Krankenversorgungsmodell für Geringverdiener. Wie das aussehen wird, überlässt er weitgehend der Phantasie der Wähler. Dass er sich vor 16 Jahren (ebenso wie jetzt Sanders) für eine Einheitskasse nach kanadischem Vorbild aussprach und noch im letzten Jahr meinte, in Schottland funktioniere das NHS sehr gut (auch wenn es nicht auf die USA übertragbar sei), lässt sowohl Spekulation zu, dass das, was dabei herauskommt, eher Bürgern als Versicherungen nützen könnte, als auch die umgekehrte Erwartung.
In den republikanischen Umfragen auf Platz zwei liegt mit durchschnittlich 19 Prozent der Tea-Party-Texaner Ted Cruz. Auch zwischen ihm und Trump kam es bei der letzten Fernsehdebatte zu einer Meinungsverschiedenheit, die sich allerdings nicht um politische Inhalte, sondern um den Geburtsort des Zweitplatzierten drehte. Cruz ist nämlich Sohn einer US-Amerikanerin und eines Exilkubaners, aber in der kanadischen Provinz Alberta geboren, weil seine Eltern dort bis zu seinem dritten Lebensjahr für eine Ölfirma arbeiteten. Sein Vater Rafael Cruz nahm damals die kanadische Staatsbürgerschaft an, die er erst 2005 zugunsten der US-amerikanischen aufgab.
Die US-Verfassung sieht in Abschnitt 1 ihres Artikels 2 vor, dass ein Präsident ein "natural born Citizen" sein muss - das sollte im 18. und 19. Jahrhundert verhindern, dass Monarchisten den englischen König oder Iren den Papst zum Präsidenten wählen (und die USA in einen katholischen Gottesstaat verwandeln). Cruz erhielt bei seiner Geburt sowohl die US-amerikanische Staatsbürgerschaft seiner Mutter als auch die Kanadas, die er 2014 abgab. Nicht alle Verfassungsrechtler sind sich sicher, dass diese Biografie eine formalen Wählbarkeit gewährt.
Das gibt Trump die Gelegenheit, zu argumentieren, Cruz könne ungewollt für Chaos sorgen, wenn er zum Präsidenten gewählt wird, weil die Demokraten dann mit Sicherheit klagen würden. Um dem zuvorzukommen, hat jetzt ein pensionierter Anwalt aus Houston eine Feststellungsklage eingereicht. Wann über diese entschieden wird, ist offen.
Cruz, der religiöse Wähler stärker anspricht als der mehrfach geschiedene Trump, führt in Iowa in einer aktuellen Bloomberg-Umfrage mit 25 zu 22 Prozent vor Trump, liegt aber bei Gravis, Public Policy Polling, ARG und der Quinnipiac University mit 28 zu 34, 26 zu 28, 25 zu 29 und 29 zu 31 Prozent hinter dem exzentrischen Milliardär. Der Texaner gilt als entschiedenster Gegner der Obamacare-Gesundheitsreform, die er unter anderem mit einer 21-stündigen Dauerrede im Kongress zu verhindern versuchte. In der Außenpolitik gelten sowohl Trump als auch Cruz als eigenwillig, aber als potentiell weniger interventionistisch orientiert als Hillary Clinton oder Jeb Bush.
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