Sars-CoV-2 ist kein Ungleichheitsvirus
Seite 2: Ungleichheit der Geschlechter in Coronapandemie verschärft
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Falls der Betrieb von öffentlichen Bibliotheken, Beratungsstellen, Jugendzentren, Theatern, Museen, Kinderspiel- und Sportplätzen, Schwimmbädern und Tierparks eingeschränkt würde, hätten darunter natürlich vor allem jene Minderjährigen zu leiden, die nur wenig Spaß und Abwechslung im Alltag haben, weil sie in sozial benachteiligten Familien und beengten Wohnverhältnissen leben.
Verschärft haben dürfte sich während der Pandemie auch die Ungleichheit der Geschlechter, sowohl im Hinblick auf die Entlohnung wie auch die Arbeitszeit und die familiären Verpflichtungen.
Denn es waren hauptsächlich Frauen, die im Erwerbsleben zurückstecken mussten, weil sich Beruf und Familie aufgrund der Reprivatisierung bzw. Deprofessionalisierung der Kinderbetreuung im Zuge des mehrmaligen Lockdowns noch weniger miteinander vereinbaren ließen als vorher.
Wenn beide Elternteile berufstätig waren, blieben meist die Mütter bei ihren Kindern, deren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für längere Zeit nicht öffneten. Während sich das Erwerbseinkommen von Frauen verringerte, vermehrte sich zumindest vorübergehend die von ihnen erbrachte Sorgearbeit, weshalb man von ihrer "doppelten Benachteiligung" (Bettina Kohlrausch/Aline Zucco) sprechen kann.
Vor der Coronakrise waren Männer häufiger sozialversicherungspflichtig und Frauen häufiger geringfügig beschäftigt, weshalb Erstere während der Pandemie prozentual stärker von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit und Letztere stärker vom Abbau der Minijobs getroffen wurden.
Bei der Kurzarbeit verstärkte außerdem die überwiegende Steuerklassenkombination des Ehegattensplittings (Männer: Steuerklasse III; Frauen: Steuerklasse V) die bestehenden Einkommensdifferenzen.
Ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie gab es einen richtigen Hype um das Homeoffice, welches für manche Berufstätige zu einem arbeitspolitischen Heilsversprechen avancierte. Je höher die berufliche Position bzw. die soziale Stellung eines Menschen ist, umso leichter kann er im Homeoffice arbeiten.
Während also vor allem Besserverdienende der Infektionsgefahr durch eine Verlagerung ihrer Arbeit ins eigene Heim entgingen, traf die Wirtschaftskrise schlechter qualifizierte Beschäftigte auch finanziell stärker, weil ihnen eine solche Ausweichmöglichkeit nicht zur Verfügung stand.
Im digitalen Homeoffice ließ sich das Betreuungsproblem der meisten Familien, welches entstand, als Kindertagesstätten, Ganztagsschulen und Pflegedienste schlossen, zwar auf den ersten Blick leichter lösen. Hauptleidtragende des vermehrten Homeoffices waren aber Frauen und Mütter, die hierdurch im Rahmen einer traditionellen Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern wieder stärker zur Konzentration auf die Familienarbeit genötigt wurden.
Damit offenbarte sich für viele Eltern (und insbesondere Mütter) im Homeoffice ein riesiges Dilemma, weil sich die Betreuung von Kindern im Kita- und Grundschulalter oftmals als unvereinbar mit Erwerbsarbeit vor dem häuslichen Bildschirm herausstellte.
Große Belastung für Alleinerziehende in Pandemie
Von dem pandemischen Ausnahmezustand mit am meisten beansprucht wurden Alleinerziehende, und zwar sowohl in materieller wie auch in psychosozialer Hinsicht. Von ihnen zogen sich viele mehr oder weniger lautlos vom Arbeitsmarkt in die sog. Stille Reserve zurück.
Jan Goebel und Peter Krause stellten auf der Grundlage einer Sondererhebung des Sozioökonomischen Panels für den Zeitraum von Ende März bis Anfang Juli 2020 fest, dass 25 Prozent der Alleinerziehenden im Zuge der Pandemie von finanziellen Schwierigkeiten und Risiken betroffen waren, wohingegen dies nur für 6 Prozent der Partnerhaushalte galt.
Überfordert und hilflos fühlten sich besonders Alleinerziehende, die im Homeoffice ihrer Berufstätigkeit nachgehen, aber zur selben Zeit ihre Kinder betreuen und/oder beim Homeschooling unterstützen sollten. Angesichts monatelang geschlossener Kitas und Schulen fehlte ihnen selbst dann die für eine Betreuung und/oder Beschulung ihrer Kinder nötige Zeit, wenn sie aufgrund einer Bürotätigkeit am heimischen Schreibtisch arbeiten konnten.
Berufstätigkeit, Kinderbetreuung und Hausarbeit mussten gleichermaßen bewältigt werden. Da sie häufig ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihren Jahresurlaub opfern mussten und die Wohnungen von Alleinerziehenden im Durchschnitt sehr viel kleiner sind als die anderer Personengruppen, waren die Belastungen während des mehrmaligen Lockdowns enorm.
Zwar konnte der Lohn- bzw. Gehaltsausfall von Eltern aufgrund der notwendigen Betreuung von Kindern unter zwölf Jahren zu Hause für jeweils maximal zehn (bzw. im Falle der Alleinerziehenden 20) Wochen mit 67 Prozent des früheren Nettoentgelts bis 2.016 Euro teilweise ausgeglichen werden.
Diese Regelung des Infektionsschutzgesetzes wurde jedoch nur selten in Anspruch genommen. Immerhin konnten mit ihrem Kind gesetzlich versicherte Alleinerziehende ab 5. Januar 2021 zunächst 40 Arbeitstage lang Kinderkrankengeld in Höhe von zumeist 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beziehen, wenn sie ihr Kind wegen einer Kita- bzw. Schulschließung oder einer Quarantänemaßnahme während der Pandemie zu Hause betreuen mussten.
Bei mehreren Kindern erhöhte sich der Anspruch für Alleinerziehende auf maximal 90 Arbeitstage pro Jahr. Ebenso gewährte die Große Koalition ihnen aufgrund des höheren Betreuungsaufwandes und der damit verbundenen finanziellen Mehraufwendungen auf zwei Jahre befristet einen höheren Entlastungsbetrag, den allerdings wieder nur solche Elternteile nutzen können, die Steuern auf ein relativ hohes Einkommen zahlen müssen.
Die von Armut betroffenen oder bedrohten Alleinerziehenden kommen hingegen nicht in den Genuss dieser Maßnahme, weil sie gar keine oder wenig Einkommensteuer zahlen müssen.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt. Am heutigen Mittwoch erscheint das von ihm und seiner Frau Carolin Butterwegge geschriebene Buch "Kinder der Ungleichheit" bei Campus. Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch.
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