Saubere Mondlandschaften

Es hört sich verlockend an. Ein Kohlekraftwerk ohne Kohlendioxidemissionen. Aber hält das Projekt auch, was es verspricht?

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Vattenfall hatte ordentlich Prominenz aufgeboten. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck war gekommen, und selbst die Bundeskanzlerin schaute vorbei, um einen symbolische Spatenstich anzusetzen. In der Lausitz im Süden Brandenburgs, dort wo die slawischsprachigen Sorben leben, sofern sie noch nicht der Braunkohletagebau vertrieben hat, wird ein neues Kraftwerk gebaut. Eines der besonderen Art soll es werden, ein emissionsfreies, mit Braunkohle betriebenes.

Prominenter Besuch beim Baubeginn. „Man wird nicht nur in Deutschland auf die neue Technik schauen, sondern auch international“, erklärte Bundeskanzlerin Merkel. Foto: Regierungonline/Härtrich

Am Standort „Schwarze Pumpe“ hat der schwedische Konzern mit dem Bau einer Pilotanlage begonnen. 50 Millionen Euro werden investiert, ab 2008 sollen die 30 Megawatt Leistung einsatzbereit sein. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, denn ein großer Teil der Technik ist unerprobt. Die Anlage ist weltweit die erste ihrer Art, und ein kommerziell rentabler Betrieb noch lange nicht in Sicht.

Doch das spricht noch nicht gegen das Vorhaben. Natürlich muss jede neue Technik zunächst erprobt werden, und die Betreiber brauchen in der Regel einen langen Atem, um bis zur Marktreife durchzuhalten. Am letzteren dürfte es bei Vattenfall nicht mangeln. Schließlich verfügt der Konzern wie auch die anderen großen der Branche aufgrund exorbitanter Gewinne über ein dickes finanzielles Polster.

Grafik: Vattenfall/kjell-design.com

Aber der Reihe nach: Das Kraftwerk soll mit dem Oxyfuel-Verfahren betrieben werden und das anfallende Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in einem unterirdischen Depot dauerhaft eingelagert werden. Sequestrierung nennt man das auch. Die Kohle wird nicht mit Luft, sondern mit möglichst reinem Sauerstoff verbrannt. Das hat den Vorteil, dass so gut wie keine Stickoxide anfallen. Die sind nicht nur ihrerseits ein Umweltproblem, sondern behindern auch die Abtrennung des Kohlendioxids. Die Abgase werden also, nachdem Flugasche und Schwefel entfernt sind, nur noch aus CO2 und Wasser bestehen, die sich nach Angaben Vattenfalls leicht voneinander trennen lassen.

Das CO2 kann sodann im Untergrund gespeichert werden. Vattenfall schweben dazu offenbar poröse Sandsteinschichten in Tiefen von etwa einem Kilometer unter der Erdoberfläche vor. In der Diskussion sind außerdem auch Salzstöcke, die vor allem in Norddeutschland häufig sind. In einigen Regionen werden sie bereits als Zisternen für Erdgasreserven genutzt, aber Erfahrungswerte in Bezug auf ihre Dichte über Jahrtausende hinweg gibt es naturgemäß nicht.

Das ist denn auch einer der Kritikpunkte. Die Frage der langfristigen Sicherheit dieser Speicher ist bisher nicht gelöst. Etwaige Lecks müssten so klein sein, dass es viele Jahrzehntausende brauchen würde, bevor sie ihren Inhalt preisgegeben haben. Dann wäre der Beitrag zur Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre minimal. Was auf keinen Fall passieren darf, ist, dass durch geologische oder andere Prozesse größere Mengen nahezu gleichzeitig freigesetzt werden. Die Folge wären schockartige Veränderungen des globalen Klimas, wie sie in der Erdgeschichte mitunter vorgekommen sind, allerdings lange bevor die Hominiden die ersten Schritte aus dem Wald in die afrikanische Savanne gemacht haben. „Größere Mengen“ hieße in diesem Zusammenhang allerdings die globale CO2-Produktion mehrerer Jahre. Die wird aber kaum an einem Ort oder in einer Region konzentriert sein, so dass ein Katastrophen-Szenario ziemlich unrealistisch erscheint.

Geplante Anlage. Bild: Vattenfall/kjell-design.com

Gewichtiger ist da schon die Frage, ob Vattenfall nicht dabei ist, das Geld der Stromkunden in eine Sackgassentechnologie zu investieren. Immerhin ist Kohle genauso endlich wie das Erdöl, auch wenn die Vorräte noch wesentlich länger reichen werden. Pläne, Kohle künftig zu verflüssigen und als Benzin- und Dieselersatz einzusetzen, wie sie unter anderem in China gehegt werden, könnten ihre Reichweite allerdings nicht unwesentlich verkürzen.

Hinzukommt, dass Braunkohle hierzulande im Tagebau gewonnen wird. Sie ist nicht nur der fossile Energieträger mit dem geringsten Brennwert, sondern ihr Abbau hinterlässt auch wahre Mondlandschaften. Vattenfall meint zwar, dass der Konzern „Strom und Wärme im Einklang mit Natur und Landschaft“ produziert. Für die Betroffenen, deren Dörfer zerstört werden, ist das allerdings nicht mehr als blanker Hohn. Bundesweit bekannt wurde vor allem das Lausitzer Dörfchen Horno, das sich schon zu DDR-Zeiten gegen den Abriss gewehrt hatte und schließlich vor wenigen Jahren nach bundesdeutschem Recht platt gemacht wurde. Andernorts lässt man sich jedoch durch diese niederschmetternden Erfahrungen nicht einschüchtern und wehrt sich weiter gegen den Tagebau.

Vattenfall macht derweil klar, dass die Landschaftsvernichtung auch langfristig weitergehen soll, und die „saubere Technologie“, für die die Bundeskanzlerin den Spaten schwank, dazu beitragen wird:

Vattenfall ist das erste Unternehmen, das mit dieser Technologie den Schritt aus dem Labor wagt. Mit der Clean Coal Technologie werden wir hierzulande die Verstromung der Braunkohle auf lange Sicht umweltfreundlich sichern können.

Klaus Rauscher, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe AG

Läuft mit der Pilotanlage alles gut, soll bald ein 300-Megawatt-Demonstrationskraftwerk folgen. Bis 2020 hofft man bei Vattenfall, die neue Technologie wirtschaftlich nutzen zu können. Schon jetzt könnte man allerdings mit den vorgesehenen 50 Millionen Euro auch Windkraftanlagen bauen. Das würde nicht nur die Landschaft schonen und Arbeitsplätze schaffen, sondern auch mehr elektrische Energie liefern: Bei durchschnittlich einer Million Euro Investitionskosten pro einem Megawattleistung würde die Summe, die Vattenfall in der „Schwarzen Pumpe“ einsetzen will, für 50 statt 30 Megawatt reichen.