Saudi-Arabien: Absolute Herrscher richten sich nicht nach dem Westen

Seite 2: Die Spur des Geldes: Saudi-arabische Softpower

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Die Arab News machen es vor. Zur heute beginnenden Investorenkonferenz in Riad titeln sie: "Multibillion-dollar deals expected as Saudi Arabia investment forum looks east". Heißt, die Geschäfte laufen ungeachtet der Khashoggi-Geschichte weiterhin gut. Es geht, wie gleich zu Anfang plakatiert wird, bei der "Future Investment Initiative" um Geschäfte im Volumen von Hunderten von Milliarden Dollar.

Dass im zweiten Absatz von großen Investitions-Partnerschaften aus Russland und China die Rede ist, dürfte ein Seitenhieb auf die Haltung des Westens sein. Komplettiert wird der Seitenhieb mit der Bemerkung, dass die erwarteten big investment partnerships mit Investoren aus Russland und China ungeachtet dessen stattfinden, dass einige Unternehmenchefs aus dem Westen ihre Auftritte "aus symbolischen Gründen" in letzter Minute abgesagt haben.

"Symbolik des Westens" - China und Russland kommen ohne solche Gesten aus

"Symbolische Gründe" kann man wahrscheinlich als vorübergehende Erscheinung verstehen. Zumal Arab News eine namhafte Consulting-Think-Tank-Präsidentin und Bestseller-Autorin ausgiebig mit der Aussage zitiert, dass die westlichen Unternehmen zwar nicht ihre Chefs, aber sehr wohl Führungskräfte der nächsten Ebene geschickt haben. Auch Ellen Wald spricht davon, dass Saudi-Arabien nun einen strategischen Hebel habe, um sich Russland und China zuzuwenden.

Die Öffentlichkeitsarbeit für die Konferenz, die in der westlichen Berichterstattung mit "Davos in der Wüste" beschrieben wird, versucht ihr Bestes, der westlichen Sicht, wonach die Konferenz durch die Absage von namhaften Konzernchefs an Attraktivität eingebüßt hat, ein anderes Bild entgegenzuhalten. Auf Twitter werden Chefs beim Unterzeichnen von Verträgen gezeigt, Staatschefs, Kunst und Clips, die irgenwie "cutting edge" vermitteln sollen.

Das Hunderte-Milliarden-Dollar Versprechen und die Medienmacht

Die große Überschrift über allem ist der "2030-Vision"-Umbauplan Saudi-Arabiens, mit dem, wie auch auf der Homepage deutlich zu sehen, Prinz Mohammed Bin Salman engstens verknüpft ist. Ihn aus diesem viele Hunderte-Milliarden- Dollar-Projekt - allein für den Aufbau der Zukunftsstadt Nemo ist die Rede von einer "halben Billion Dollar" (Handelsblatt) - zu streichen, dazu taugt die Khashoggi-Geschichte wohl nicht.

Die Softpower, über die der Kronprinz verfügt, ist sehr groß. Wenn man sich etwa über den Hintergrund von Arab News erkundigt, kommt man rasch zum Konzern Saudi Research and Marketing Group (SRMG), die ein Medienimperium darstellt.

Für die Leitung der SRMG waren entweder Verwandte des Kronprinzen, etwa sein Bruder Turki bin Salman Al Saud oder Prinz Badr bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan Al-Saud, der sehr eng in das Projekt 2030 eingebunden ist und zur kulturellen Charmeoffensive gehört, eingebunden oder wie gegenwärtig mit Ghassan Al-Shibl ebenfalls eine Persönlichkeit, die eng mit dem Salman-Zweig der Saudis und dem Projekt "Vision 2030" verbunden ist.

Kürzlich sorgte al-Shibl für Schlagzeilen im internationalen Medienbusiness, als die Verbindung zwischen dem Medienhaus Bloomberg, bekannt für Finanznachrichten, und SRMG zu "Bloomberg Al Arabiya" aka "Bloomberg Asharq" verkündet wurde. Beinahe müßig zu erwähnen ist, dass die SRMG als Herausgeber der Arab News auch ein Hauptquartier in Washington hat, nicht gerade in einem Nebengebäude. Die feierliche Einweihung fand während des Hauptstadtbesuches des Kronprinzen statt.

Die Empörung über den Fall Khashoggi könnte sich mithilfe dieser Softpower bald legen, zumal die Softpower an immense Wirtschaftsinteressen gekoppelt ist.

Russischer Großinvestor: "Große Möglichkeiten"

Nicht nur der Westen passt auf seine geschäftlichen Beziehungen auf. Russland verhielt sich, wie auch Äußerungen des Präsidenten Putin zeigten, gegenüber den Anklagen zum Tod Khashoggis zurückhaltend. Es gab keine Verurteilung, dafür warte man Details ab, im Mittelpunkt standen die Beziehungen zu Saudi-Arabien. Vom russischen Großinvestor Russian Direct Investment Fund kamen kooperative Signale Richtung Saudi-Arabien.

Der Russian Direct Investment Fund (RDIF), den Putin mitbegründet hat, begrüßte am vergangenen Samstag das offizielle saudi-arabische Statement zum Tathergang, der zum Tod Khashoggis führte. Man legte Wert darauf zu betonen, dass die Partnerschaft, Freundschaft und Geschäfte weiterlaufen.

Der Chef des RDIF, Kirill Dmitriev, legte heute auf der Konferenz nach: Saudi-Arabien sei ein wichtiger Partner und die Partnerschaft eine "große Möglichkeit".

800 deutsche Unternehmen in Saudi-Arabien tätig

Nicht nur für russische Investoren. Nach einem Bericht des Handelsblattes, der heute in der Printausgabe erscheint - mit dem bezeichnenden Titel "Zwischen Empörung und Geschäft" -, gibt es zwar eine lange Liste von Absagen deutscher Wirtschaftschefs, jüngstes Beispiel Josef Kaeser, nach langem Zögern, aber neben dem "starken Signal" eben auch wichtige persönliche und geschäftliche Verbindungen zu Riad. Auch hier fällt das Stichwort "Vision 2030".

Für seine Umbauprojekte hat der Kronprinz auch prominente deutsche Berater. Mit Ex-Siemens CEO Klaus Kleinfeld ist ein Deutscher erster CEO des Neon-Projekts geworden. Er ist inzwischen persönlicher Berater des Kronprinzen. (…) Kleinfeld wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Handelsblatt, "Zwischen Empörung und Geschäft", Printausgabe, 23. Oktober 2018

Deutsche Geschäfte mit Saudi-Arabien sind nicht nur mit der Rüstungsindustrie verbunden. Diese fordert laut Handelsblatt angesichts der aktuellen Meldungen aus der Regierung zu den Waffengeschäften mit Saudi-Arabien "Vertrauensschutz für bereits erteilte Genehmigungen". Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, fordert laut der Zeitung "Vertrauen und Rechtssicherheit". Mehr als 800(!) Unternehmen sollen in Saudi-Arabien tätig sein.

Man soll den "Gesprächsfaden nicht abreißen lassen", fordert Wansleben. "Das Business wird wiederkommen", wird Steven Cook vom Council on Foreign Relations zitiert. "Im nächsten Jahr wird man uns nach Gewinnen fragen", so wird Henry Biner, vom US-Unternehmen P/E Investments zitiert. "Wir werden unsere Beziehungen nicht für dies (die Tötung Khashoggis, Anm. d. Verf.) aufs Spiel setzen."

Der Kronprinz wird bleiben. Er ist die Vision 2030. Man darf annehmen, dass dies auch US-Präsident Trump und seiner Umgebung wichtig war.