Saudi-Arabien: Rätsel über den zurückgetretenen libanesischen Premier Hariri
Frankreich "glaubt", dass er sich frei bewegen kann. Der Besuch von Präsident Macron in Riad und Dubai bringt jedoch nur ein klares Ergebnis: Den Verkauf von zwei Kriegsschiffen an die Vereinigten Arabischen Staaten
Es ist eine merkwürdige Situation: Der libanesische Präsident Michel Aoun hat erneut die Rückkehr des am vergangenen Samstag zurück getretenen Ministerpräsidenten Saad Hariri gefordert. So lange Hariri ihm nicht im Libanon seinen Rücktritt persönlich erkläre, werde er diesen nicht akzeptieren. Auch seine Partei "Die Zukunftsbewegung" fordert seine Rückkehr - wie auch die anderen politischen Gruppierungen im Libanon, einschließlich der Hizbollah.
Am vergangenen Samstag hatte Hariri überraschend seinen Rücktritt während eines Besuches in Riad via TV erklärt und dabei Vorwürfe gegen die Hizbollah ("Staat im Staat") und Iran erhoben. Dann kam es im Königreich Saudi-Arabien zu großen Verhaftungsaktion (Der Kronprinz räumt seine Konkurrenten weg) und seither stellen sich Fragen danach, wie die beiden Ereignisse miteinander verbunden sind, und ob Hariri, der neben der libanesischen Staatsbürgerschaft auch die saudi-arabische hat, nicht ebenfalls festgehalten wird.
Bruchstückhafte Informationen
Die Situation sei völlig surreal, zitierte der Libanon-Korrespondent der Le Monde gestern aus Geschäftskreisen. Es gebe nur Bruchstücke an Informationen. Die libanesische Publikation al-Akhbar veröffentlichte zum Fall Hariri eine Story, die einer Entführungsgeschichte gleicht. Nachzulesen ist sie auf Englisch im Independent von Robert Fisk, der wie der US-amerikanische Politikprofessor libanesischer Herkunft Abu Khalil behauptet, den Text weitgehend von al-Akhbar übernommen hat.
Demnach habe Hariri seinen Rücktritt und die Aussagen von einem vorbereiteten Script abgelesen und halte sich unfreiwillig in Saudi-Arabien auf. Seine Familie, die in Riad lebt, würde als Druckmittel dienen. Hariri hätte am vergangenen Montag Verabredungen mit dem IWF und der Weltbank gehabt, die er nicht eingehalten habe. All dies spreche dafür, dass Hariri einem Zwang ausgesetzt sei.
Nun sind Fisk und al-Akhbar Quellen, die inoffizielle Informationen übermitteln, und Fisk agiert gerne aktivistisch. Umso gespannter war man also, was der französische Präsident Macron, der einen Überraschungsbesuch in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten unternahm, zum Fall Hariri zu sagen hatte.
Sein Außenminister Le Drian verkündete auf Nachfrage des Senders France 24, dass Hariri nach Informationen der französischen Regierung nicht festgehalten werde und Bewegungsfreiheit habe. Allerdings gab Le Drian nur eine "Nein-Antwort" auf die entsprechenden Fragen - "Wird er festgehalten?", "Kann er sich frei bewegen?" - und ersparte den Zuhörern jegliche Einzelheiten. Man habe keine "besonderen Informationen" dazu.
"Man denke, Hariri sei frei", so Le Drian. Begründet wird dies vom französischen Außenminister damit, dass Hariri am Vortag des Besuchs von Macron in Abu Dhabi (!) war. "Also glaube man, dass er frei in seinen Bewegungen sei", so Drian.
"Größte Diskretion"
Drian spricht dann lieber über die besorgniserregende Situation im Libanon. Bemerkenswert ist, dass der französische Botschafter in Saudi-Arabien, François Gouyette, Hariri am gestrigen Donnerstag "einige Stunden" vor dem Besuch Macrons in Riad persönlich getroffen hat. Nach dessen Aussage, die der Figaro über eine ungenannte französische Quelle wiedergibt, sei der libanesische Politiker bei dem Gespräch "von saudi-arabischen Vertretern umgeben" gewesen.
Das Gespräch habe nicht lange gedauert. Es habe nicht im Ritz Carlton stattgefunden, wo Prinzen, saudische Politiker und Geschäftsleute unter Korruptionsanklagen festgehalten werden, wird hinzugefügt.
Über den Besuch Macrons in Riad, über sein Gespräch mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman herrscht, wie es der Figaro ausdrückt, "größte Diskretion". Mitgeteilt wird lediglich, dass der Kronprinz dem französischen Präsidenten versichert habe, dass auch er um die Stabilität im Libanon besorgt sei und Hariri nicht unter Arrest stünde.
Le Monde fügt hinzu, dass auch ein Vertreter des US-Außenministeriums Saad Hariri getroffen habe. Zum Treffen gebe es aber keine Einzelheiten, nicht einmal, wo es stattfand. (Anmerkung: Wäre Hariri tatsächlich so frei, wie es der saudische Kronprinz behauptet, so müsste man doch keine solchen Geheimnisse um seine Person machen).
Macron: Diplomatie und Geschäfte
Ersichtlich ist, dass sich Frankreich unter Präsident Macron bemüht, wieder eine größere diplomatische Rolle einzunehmen, entsprechende Versuche wurden schon mit libyschen Vertretern gemacht. Klar ist auch, auf welcher Seite sich Frankreich positioniert. Sowohl vom Präsidenten wie vom Außenminister werden kritische Töne gegenüber Iran übermittelt.
Ganz klar wird die Position durch das größere Waffengeschäft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem engsten regionalen Partner Saudi-Arabiens, untermauert. Zwei Kriegsschiffe des Typs Gowind corvettes aus französischer Produktion orderten die UAE, wie Macron bei einer Pressekonferenz in Dubai bekannt gab. Über Geld wurde nicht gesprochen.