Scharfschützenmorde in Kiew
Fussnoten
Das Hotel war zu diesem Zeitpunkt seit mehr als einer Stunde unter Kontrolle des Maidan.
Nach eigenen Angaben wertete er rund 30 Gigabyte aufgenommener Funkgespräche zwischen Sicherheitskräften aus. Die Aufnahmen hatte ein "Pro-Maidan"-Funkamateur Anfang März bei einem Funk-Scanner-Forum veröffentlicht. Weitere Quellen für Katchanovskis Analyse waren Zeitungsartikel, Fotos, Live-Aussagen der Maidansprecher (während der Kämpfe gaben sie teils konkrete taktische Anweisungen über die Lautsprecher der Maidanbühne aus) und Statements aller politischen Akteure. Katchanovski war auch selbst vor Ort und hat sich den Tatort angesehen, Einschusslöcher identifiziert und Flugbahnen der Geschosse rekonstruiert.
Dies sind laut Katchanowski das Hotel Ukraina, der Oktoberpalast, der Kinopalast, die Häuser Museumsgasse 6 und 10, die Arkada-Bank, die Häuser Gorodetskowo-Str. 9 und 11, das Musik-Konservatorium, das Gewerkschaftshaus, das Kozatski-Hotel und die Hauptpost.
Laut Rettungsdienstprotokollen fielen die ersten Schüsse auf Berkut-Einheiten um 6:10 Uhr, schreibt Katchanovski. Videos wie dieses oder dieser Nachrichtenbeitrag (ab 0:35) zeigen verwundete Berkut-Leute. In einem BBC-Video ("Was wissen wir über die Maidan-Scharfschützen?") werden ebenfalls verwundete Polizisten an diesem Morgen gezeigt. Im Anschluss schneiden die BBC-Leute jedoch Bilder schießender Polizisten und durch Scharfschützen beschossene Kämpfer in falscher zeitlicher Reihenfolge aneinander. Dadurch sieht es so aus, als hätten diese Polizisten vorrückende Maidan-Leute getötet. Auch hier der Rückzug vom Hotel Ukraina aus gefilmt.
Der TV-Sender "112" zitiert in seinen Nachrichten einen Unian-Korrespondenten mit den Worten: "Es gibt Panik unter Berkut. Sie ziehen sich bis zur Metrostation Arsenalnaja zurück. Die Berkut-Leute rufen, dass die Demonstranten mit scharfer Munition schießen. "
Das Konservatorium, aus dessen zweiten Stock geschossen wurde, sei von Maidan-Kämpfern sogar nach Schützen durchsucht worden, nachdem ein Berkut-Kommandeur Oppositionsabgeordnete telefonisch über den Beschuss informiert hatte. Allerdings konnten die Kämpfer keine Schützen finden, teilte Maidan-Kommandeur Andrij Parubij mit.
Maidan-Schützen waren schon in den Tagen zuvor in Kiew. Am 18. Februar seien zwei Scharfschützen auf dem Dach eines Maidan-Gebäudes gesehen worden. Daraufhin viel die Entscheidung das von den Selbstverteidigern und dem Rechten Sektor besetzte Gewerkschaftshaus zu stürmen. Laut einem Kommandeur sei das Hauptziel der 5. Stock gewesen, in dem der Rechte Sektor saß und zahlreiche Waffen deponiert sein sollten. Der Angriff schlug fehl, da die Verteidiger laut Alfa scharf schossen und das Gebäude in Brand steckten. Die neue ukrainische Regierung gab hingegen an, dass die Einheit Alfa das Gebäude anzündete. Der Rechte Sektor okkupierte anschließend das Hauptpostamt.
Auch im Monitor-Beitrag von Stephan Stuchlik taucht diese Frage nicht auf. In diesem Bericht erläutert ein britischer Experte von welchen Regierungsgebäuden geschossen wurde. Interviewer Gatehouse zählt bei 2:22 vier Scharfschützenpositionen der Polizei auf, erwähnt dabei aber nicht, dass er selbst und sein Kollege am 20. Februar aus einem ganz anderen Gebäude - dem Hotel Ukraina - beschossen wurden.
Der englische Begriff für Scharfschütze bzw. Heckenschütze ist als Lehnwort (Snajper) in die ukrainische und russische Sprache eingegangen.
Dazu zählen das Ministerkabinett, die Nationalbank, die Präsidialadministration und der Club des Ministerkabinetts.
Dieses Video zeigt ab 9:45, dass beide Gebäude kurz nach Berkuts Rückzug besetzt wurden und zumindest laut Kennzeichnung als Sanitätsstationen dienten.
Bei dieser Live-Übertragung von Espreso TV sind mindestens zwei Personen auf dem Dach des Oktoberpalastes zu sehen, der Sprecher der Maidanbühne warnt vor drei Snipern auf dem Gebäude. In diesem Beitrag sind sie bei 0:54 zu sehen, in dem BBC-Video ist von 2:00 bis 2:09 auf dem Dach des Oktoberpalastes hinter Korrespondent Gatehouse ein Schütze auf dem Dach zu erkennen.
Das westukrainische Magazin "Galizkij Korrespondent" berichtet, das Maidan-Selbstverteidiger bei der Durchsuchung des Oktoberpalast-Daches rund 80 Patronenhülsen fanden.
Dieses Video zeigt, wie Berkut-Leute gegen 10 Uhr in Sichtweite des Ukraina hinter Bäumen und Mauern Deckung suchen. Obwohl sie nicht angreifen und sich problemlos filmen lassen, heißt das Video "Todesschwadron". Der anwesende Fakty-Journalist Igor Sacharenko bestätigte später, dass sie unter Beschuss standen. Einige Minuten danach sind dann Regierungs-Scharfschützen zu sehen. Ab 11:25 sieht man, wie sie auf das Hotel Ukraina zielen und einer dann die Stellung für ein besseres Sichtfeld wechselt. In diesem Video sieht man die Polizeibarrikaden von der anderen Seite der Institutska aus und bei 9:05 ist erkennbar, wie Polizisten der Spezialeinheit hinter den Barrikaden weglaufen und kurz danach hinter ihnen ein Schuss einschlägt.
Laut der Funkaufnahmen entdeckten Regierungsscharfschützen mehrmals Sniper und Spotter (Scharfschützenassistenten) auf Maidan kontrollierten Gebäuden und meldeten dies. Doch kaum war die Funkmeldung abgegeben, wechselten die Entdeckten die Stellung.
Das Video zeigt die Situation in der Melnitschuk vor dem Oktoberpalast erschossen wird. Bei 1:46 fragt der Filmende woher der Schuss kam. Jemand anderes antwortet: "Aus dem Ukraina".
In diesem Video sprechen Kämpfer in vorderster Reihe auf der Institutska von "Snipern" im Ukraina. In der Annahme, dass es sich um Heckenschützen Janukowitschs handele, sagen sie, das Hotel müsse endlich "gesäubert" werden. Von der Maidanbühne sei bspw. um 10:36, 10:59, 11:07 und 11:09 Uhr vor Scharfschützen gewarnt worden. Abends drohten Extremisten sogar damit, das Hotel wegen der Sniper darin niederzubrennen.
Aufgefangene Funkkommunikation des Inlandsgeheimdienstes SBU (Kommandeure der Anti-Terror-Einheit Alfa) besagt, dass Schützen der Maidan-Truppen ins Hotel Ukraina gegangen sind. Diese Kommunikation hat laut Rekonstruktion um 9:23 Uhr stattgefunden.
Es handelt sich um "buckshots" - extra große Schrotkugeln (ab 4,5 mm Durchmesser), die in Deutschland "Posten" genannt werden, in manchen Ländern werden sie zur Jagd auf Wildschweine und Hirsche eingesetzt.
Bis zum Feuer am Abend des 18. Februar saß der Rechte Sektor im Gewerkschaftshaus am Maidan. Ebenfalls im Gewerkschaftshaus saßen bis dato die Maidan-Selbstverteidiger, kommandiert vom späteren Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats Andrij Parubij. Sie besetzten anschließend ein Gebäude auf dem Kreschatik (Hauptstraße, die zum Maidan führt).
Die paramilitärische UNA-UNSO aus der Westukraine, ist Teil des Rechten Sektors. Ihre Kämpfer waren bereits in Tschetschenien freiwillig gegen die russische Armee im Einsatz. Auch Afghanistan-Veteranen gehörten zu der Kampftruppe, die im Konservatorium lagerte.
Auf der Institutska seien vor allem Männer von Swoboda-Hundertschaften der "Maidan-Selbstverteidiger" vorgerückt. Katchanovski ergänzt, dass die Kämpfer dabei Welle für Welle auf Positionen ohne taktischen Wert geschickt wurden. Ein Video zeigt eine Hundertschaft bei der Instruktion vor dem Angriff.
Die Kommandeure der Spezialeinheiten gaben in TV-Interviews später an, dass sie gegnerische Sniper ausschalten sollten und auch die Erlaubnis hatten, auf bewaffnete Maidan-Kämpfer zu schießen. Eine Order, Unbewaffnete zu töten, habe es nicht gegeben. Die abgefangenen Funkgespräche bestätigen diese Aussagen.