Schiffsunglücke: Wurden Geflüchtete in den sicheren Tod geschickt?
Griechenlands Regierung wirft der Türkei vor, deren Behörden würden nicht eingreifen, wenn überladene Flüchtlingsboote ihre Küsten verlassen. Schlepper klären die Insassen nicht über die Gefahr auf.
Gleich zwei tödliche Schiffsunglücke mit insgesamt mindestens 23 ertrunkenen Geflüchteten erschüttern Griechenland. Die griechische Regierung erhebt schwere Vorwürfe gegen die Türkei. Die Menschen seien bei stürmischem Seegang in zwei hoffnungslos überladenen Seefahrzeugen in den sicheren Tod geschickt worden. Offensichtlich konnten türkische Schiffskutter ein überladenes Boot in stürmische Gewässer geleiten, ohne dass die Behörden eingriffen.
Schiffbruch vor Kythera
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag versank vor der Insel Kythera ein kleines Segelschiff voll mit Geflüchteten. Es war seit zwei Tagen unterwegs, als es an den Felsen von Kythera in einem Sturm der Windstärke von zehn Beaufort zerschellte. Es gelang den Schiffbrüchigen noch, einen Notruf abzusetzen.
Zehn Menschen werden noch vermisst. Das Meer ist so stürmisch, dass es auch am Freitagmorgen bei einer Windstärke von sieben Beaufort nicht möglich war, fünf im Abstand von knapp 15 Metern zum Festland vor den Klippen von Kythera treibende Leichen aus dem Wasser zu holen.
"90 Menschen waren in einem Vorsprung auf den Felsen buchstäblich aufgetürmt. Wir haben es geschafft und konnten 80 bergen. Wenn wir etwas länger gezögert hätten, weil die Wellen zu groß waren, wären mehr Menschen zu Tode gekommen", sagte Michalis Protopsaltis, Besitzer eines Kranwagens in Kythera, dem staatlichen Rundfunk ERT.
Er beschrieb, wie die Gestrandeten mit einem an den Kran gehängten großen Sack vom Felsvorsprung gerettet worden seien. Protopsaltis hatte demnach aber auch mit eigenen Augen gesehen, wie Menschen von dem Felsen abgestürzt und ertrunken waren. Zu den Augenzeugen gehört auch der Bürgermeister von Kythera, Stratos Charchalakis.
Griechische Medien zitieren einen Offizier der Küstenwache, der erklärte, dass die Schlepper früher bei so stürmischem Seegang keine Flüchtlingsboote losfahren ließen. Das sei inzwischen anders: "Um sofort an Geld zu kommen, schickten sie sie in den Tod", so der Offizier.
Keiner der Schiffsinsassen verfügte über eine Rettungsweste. Es ist bezeichnend, dass die gerade Geretteten freiwillige zivile Helfer auf Kythera fragten, ob sie schon "in Italien" angekommen seien. Die Menschen hatten keine Ahnung, wie lang und wie gefährlich die Überfahrt ist.
Überfülltes Boot kentert vor Lesbos
Wenige Stunden nach dem Unglück vor Kythera, ertranken vor der Insel Lesbos 18 Geflüchtete beim Versuch, per Boot von der Türkei nach Griechenland überzusetzen. Nur zehn der insgesamt 40 Bootsinsassen verfügten über Rettungswesten. Auch hier war das Meer so stürmisch, dass es für das Boot keine reale Chance gab, die Reise, für die pro Person 400 bis 600 Euro bezahlt wurden, zu überstehen. Rettungskräfte sprachen von einem "vorsätzlichen Verbrechen".
Die Geflüchteten berichteten den griechischen Behörden, sie seien von drei türkischen Fischerkuttern bis zu den griechischen Hoheitsgewässern geleitet worden. Im Schutz der Kutter hätten sie nicht realisieren können, wie stürmisch das Meer war. Kurz vor dem Erreichen der griechischen Gewässer drehten die Kutter ab, und überließen die Geflüchteten ihrem Schicksal.
Die griechische Regierung beschuldigt die Türkei, die Vereinbarung mit der Europäischen Union bezüglich der Flüchtlinge systematisch zu brechen.
"Wieder einmal hat die Passivitat der Türkei gegenüber den Ringen skrupelloser Menschenhändler Menschenleben gekostet. Solange die türkische Küstenwache solche Aktionen nicht unterbindet, stapeln die Schmuggler unglückliche Menschen ohne Sicherheitsmaßnahmen auf Booten, die den Wetterbedingungen nicht standhalten, und bringen damit deren Leben in Gefahr", sagte der Minister für Meeres- und Inselpolitik, Ioannis Plakiotakis.
Die Trauer der Europäischen Kommission über den Schiffbruch auf Lesbos brachte der wurde Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, zum Ausdruck, "lassen Sie mich im Namen der Europäischen Kommission und mir selbst unsere Trauer über den tragischen Verlust von Menschenleben in der Ägäis heute Morgen zum Ausdruck bringen. Jedes verlorene Leben ist gleich vielen Toten."