Schlacht um Ain al-Arab
IS-Terroristen beschießen das Kurdengebiet mit Mörsern und Zehntausende fliehen in die Türkei
Im Zuge der seit dem 15. September andauernden Angriffe des Islamischen Staats (IS) auf den nordsyrischen Kurdenkanton Kobanê sind nach der Evakuierung von mehr als 100 Dörfern über 60.000 Menschen über die am Freitag geöffnete Grenze in die Türkei geflüchtet. Im Gegenzug kamen nach Angaben der Kurdenmiliz etwa 1000 Kurden aus der Türkei in das vom Westen, Osten und Süden her attackierte Areal, um den Vormarsch der Terrorgruppe aufzuhalten.
Auch nach der Flucht von zehntausenden Menschen sollen sich im umkämpften Kanton Kobanê noch mehrere Hunderttausend Kurden und Christen aufhalten - die Hälfte davon syrische Binnenflüchtlinge. Erobern die Dschihadisten die Kantonshauptstadt Ain al-Arab, dann droht den Männern die Enthauptung und den Frauen Zwangsprostitution und Sklaverei.
Die Angriffe werden der Kurdenmiliz YPG zufolge unter anderem mit Mörsern und schweren Maschinengewehren durchgeführt, die angeblich türkische Uniformierte den Salafisten am Samstagmorgen zwischen den Dörfern Qeremox und Eny El-Bat lieferten. An an einer anderen Stelle sollen solche Lieferungen bereits am in der Nacht vom 15. auf den 16. September stattgefunden haben.
Die Kurden vermuten einen möglichen Zusammenhang mit der gestrigen Heimkehr von 49 türkischen Konsulatsmitarbeiter, die die Terrorgruppe IS in Juni in Mosul als Geiseln genommen hatte. Weil die türkische Regierung über die Hintergründe und Umstände dieser Heimkehr schweigt, sind sie nicht die einzigen, die hier über eine Verbindung spekulieren. Türkische Medien berichteten gestern unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass die Geiseln in jedem Fall nicht gewaltsam befreit, sondern von Salafisten an die Grenze gebracht und dort von türkischen Geheimdienstmitarbeitern abgeholt worden seien.
An eine Unterstützung des IS durch türkische Stellen glaubt auch der Linksfraktionsvorsitzende Gregor Gysi: In einer Pressemitteilung verlautbarte er gestern, die deutsche Regierung und westliche Länder würden sich in ihren Bemühungen im Kampf gegen den dschihadistischen Terror "völlig unglaubwürdig" machen, wenn sie "die Türkei nicht zur Umkehr zwingen".
Sicher ist, dass das Kalifat weiter Verstärkung aus Europa erhält: An einem Grenzabschnitt, der noch von ihr kontrolliert wird, nahm die YPG zwei Belgier und einen Franzosen fest, die auf dem Weg in das Terrorgebilde waren und die Geländegewinne der Dschihadisten falsch eingeschätzt hatten. Die zwei Belgier sind marokkanischer Herkunft, der Franzose trägt einen türkischen Namen.
Europäischen Behördenerkenntnissen nach sind mindestens 800 französische und mindestens 500 belgische Fanatiker aktiv für den IS tätig. Fast alle von ihnen reisten über die türkische Grenze illegal nach Syrien und in den Irak ein.Aus Deutschland kommen mindestens 400 Dschihadisten, der jüngste von ihnen war dem deutschen Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zufolge 13 Jahre alt.
Kehren die Dschihadisten nach Europa zurück, sind sie dort ein erhebliches Sicherheitsrisiko: Im Mai tötete ein Syrienheimkehrer im jüdischen Museum von Brüssel vier Menschen und heute berichtet die belgische Tageszeitung L'Echo von einem geplanten IS-Veteranen-Anschlag auf die EU-Kommission, der durch Festnahmen vereitelt werden konnte.
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