Schlagabtausch über russische Atombomber in Venezuela
Schon die Teilnahme von zwei strategischen Bombern an einer Militärübung beunruhigt die USA, Russland soll erwägen, dauerhaft Militärmaschinen nach Venezuela zu verlegen
Wenn Nato-Flugzeuge in den befreundeten Ländern an der russischen Grenze fliegen, ist das nur eine Antwort auf die "russische Aggression". Als zwei russische Überschall-Militärflugzeuge, allerdings strategische Bomber des Typs TU-160, am Montag in Venezuela mit zwei anderen Militärmaschinen und 100 Mann Besatzung landeten, kommentierte US-Außenminister Mike Pompeo dies so: "Die russische Führung hat ihre Bomber durch die ganze Welt nach Venezuela geschickt. Das russische und das venezolanische Volk sollten dies so sehen, wie es ist: Zwei korrupte Regierungen plündern die öffentlichen Gelder und unterdrücken Freiheit, während ihre Völker leiden."
Pentagon-Sprecher schob nach und erklärte: "Während die USA für Zentral- und Mittelamerika Hilfe bringt, schickt Russland Bomber."
Der US-Regierung gefällt es nicht, wenn der wieder entdeckte Feind aus dem Kalten Krieg den USA zu nahe kommt und sich im Hinterhof der USA niederlässt. Das hatte im Übrigen auch der russischen Führung bei der Nato-Osterweiterung nicht gefallen. Die Bomber kamen wohl als Zeichen der Unterstützung für Maduro, mit dem sich Wladimir Putin die Woche zuvor in Moskau getroffen hatte. Von der venezolanischen Regierung wurde behauptet, Russland wolle 6 Milliarden US-Dollar in Joint-Ventures, vor allem im Ölsektor, investieren. Die russische Regierung hat dies aber nicht bestätigt. Die Verteidigungsminister haben aber vereinbart, dass Russlands Luftwaffe und Marine weiter venezolanische Stützpunkte nutzen werden. Auch das klingt eher zurückhaltend, man tausche Delegationen aus und helfe bei der Ausbildung. Das könnte die aktuelle Militärübung symbolisieren.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow schoss zurück und sagte, der Tweet von Pompeo sei inakzeptabel und "sehr undiplomatisch". Dass Steuergelder verschwendet werden, wies er zurück: "Zudem ist es wahrscheinlich nicht sehr angemessen für ein Land, solche Äußerungen zu machen, wenn die Hälfte seines Verteidigungshaushalts ganz Afrika ernähren könnte."
Hysterische Reaktion
Assistiert wird er von Maria Sacharowa, der Sprecherin des russischen Außenministeriums, die gerne mal zuspitzt. Sie verweist auf den Generalinspektor des Pentagon, der kritisiert habe, dass viele Millionen US-Dollar für die Unterstützung Afghanistans verschwendet wurden, ohne den Menschen geholfen zu haben. Das sei auch in anderen Bereichen so: "Die US-Militärausgaben sind darauf gerichtet, die US-Hegemonie in einer Welt zu sichern, die mit einem Netz von Pentagon-Stützpunkten überzogen ist. Sie haben den Menschen Tod und Leiden, nicht Freiheit oder Demokratie gebracht." Dafür seien der Irak und Libyen Beispiele. Und überhaupt sei die Reaktion der USA hysterisch: "Nur zwei Flugzeuge und das Außenministerium wird hysterisch. Kollegen, ihr solltet euch nicht so stressen."
Die russischen Bomber nehmen an Übungen mit der venezolanischen Luftwaffe teil. Der venezolanische Verteidigungsminister Vladimir Padrino Lopez sagte, es handele sich um eine technische Kooperation und einen Erfahrungsaustausch. Es würden die Beziehungen im militärischen Bereich gestärkt: "Unser Ziel ist der Frieden." Niemand sollte vor diesen Flugzeugen Angst haben, die Übung diene aber der Abwehr einer möglichen Aggression.
Der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza schloss sich den russischen Vorgaben an und bezeichnete die Kritik an der Kooperation zynisch: "Die USA besitzen mindesten 800 (bekannte) Militärstützpunkte in 70 Ländern. Heute finden 75 der 107 der US-Programme zur Sicherheitsoperation in Lateinamerika statt." Und wenn die USA so besorgt über Geldverschwendung seien, sollten sie mal den Pentagonhaushalt für 2019 in Höhe von 674 Milliarden US-Dollar überdenken: "Bestimmt könnten die 50 Millionen Armen und Familien ohne Zugang zum Gesundheitssystem in der USA gerechtere Ziele für diese Gelder vorschlagen."
Damit sind natürlich die USA gemeint. Der venezolanische Präsident Nicolaus Maduro spricht immer wieder davon, dass die USA einen Putsch oder einen Regierungssturz planen würden. Gestern wiederholte er dies noch einmal: "Heute prangere ich erneut das Komplott des Weißen Hauses an, das sich vorbereitet, um die venezolanische Demokratie anzugreifen, mich zu töten und Venezuela einer diktatorische Regierung zu unterwerfen." Insbesondere verweist er auf Trumps Sicherheitsberater John Bolton, der hinter den Attentatsplänen stünde. Abwegig ist die Furcht allerdings nicht. Im Sommer kam heraus, dass Donald Trump tatsächlich im Sommer 2017 erwogen hatte, militärisch zu intervenieren, was aber in seinem Team nicht auf Resonanz stieß.
Russischer Stützpunkt in Venezuela?
Nach der Zeitung Nezavisimaya Gazeta soll Russland erwägen, nach dem verbalen Schlagabtausch mit den USA, permanent strategische Bomber, die mit Atomwaffen ausgestattet werden können, nach Venezuela zu verlegen. Das hätten Informanten aus dem Militär berichtet. So sei es zu einer Vereinbarung gekommen, russische Militärmaschinen auf den venezolanischen Stützpunkt auf der Insel Orchilla zu verlegen. Da die Verfassung Venezuealas einen permanenten ausländischen Stützpunkt verbietet, würden die Flugzeuge nur vorübergehend - aber vielleicht immer wieder - dort stationiert.
Schon Chavez hatte 2008 die Insel den Russen als Stützpunkt angeboten. Russland ging aber nicht darauf ein, weil Dmitri Medwedew damals mit den USA das Start-3-Abkommen abschloss, das 2011 in Kraft trat, wie die Zeitung schreibt. Trump hatte Start 3 als einen der "schlechten Abkommen" bezeichnet. Das Abkommen, das die Zahl der Sprengköpfe und Trägersysteme beschränkt, endet 2021, wenn es nicht verlängert wird.
Für Venezuela wäre die Stationierung russischer strategischer Bomber eine Sicherheitsgarantie vor ausländischen Interventionen, für Russland ein strategisch bedeutsamer Stützpunkt in Lateinamerika und eine Reaktion auf die Drohung Washingtons, das INF-Abkommen einseitig aufzukündigen oder auch aus Start-3 auszutreten, und für die USA eine Provokation und eine Warnung, aus dem INF-Vertrag auszusteigen. Der verbietet Russland und den USA, landgestützte Raketen der Reichweite zwischen 500 und 5500 km. Ein Ende des INF-Abkommens ist erstmal für Europa und Russland eine Bedrohung. Mit einem Stützpunkt in Venezuela aber auch für die USA.