Schlechte Nachrichten für Freunde der Aktienrente

Wo sind eigentlich die guten Renditeaussichten? Einzig das Fachpublikum erfährt von Neuigkeiten, die nicht zu den Versprechen der neuen Rente passen. Was die große Öffentlichkeit wissen sollte. Ein Gastbeitrag.

Eine sogenannte "Fokusgruppe private Altersvorsorge" empfahl der Bundesregierung, andere Wege der Privatvorsorge zu gehen. Nach dem Scheitern der Riester-Rente sollen Spargelder nun in Aktien, Immobilien und anderen Investments angelegt werden.

Mehr Rendite, mehr staatliche Förderung, mehr Verpflichtung zum Sparen. Im Kleingedruckten folgt: Mehr Risiken, keine Garantie, dass zumindest die eingezahlten Gelder am Ende herauskommen.

Die großen und meinungsbeherrschenden Medien loben die Vorschläge über den grünen Klee. Das Handelsblatt sekundiert: "Es führt kein Weg an der Börse vorbei" (26.07.2023). Kritische Beiträge oder kritische Nachfragen sind in Presse, Funk und Fernsehen selten anzutreffen. Dabei ist es die Pflicht der vierten Gewalt, kritisch zu hinterfragen und über relevante Fakten zu berichten.

Über fake news wird breit berichtet, sogar die Institutionen der Faktenfinder bzw. Fakten-Checker werden neu in die Welt gesetzt. Unterlassene oder unterdrückte Nachrichten sind wesentliche Elemente von fake news.

Nachrichten zur Aktienrente, von denen man wenig erfährt

Würden die Faktenfinder zu nicht verbreiteten Nachrichten zur Aktienrente recherchieren, würden sie schnell fündig werden. Eine unvollständige Liste der "bad news" zur Aktienrente, über die nur in Nischen- oder Fachpublikationen berichtet wurde:

1. Der staatliche "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung" (Kenfo) meldet für das Jahr 2022 einen Verlust von 3,1 Milliarden Euro (minus 12,5 Prozent). Der Kenfo ist die als vorbildlich dargestellte Einrichtung, die Lindners Aktienrenten-Milliarden gewinnbringend anlegen soll. Das wurde mit großem Medien-Tamtam im Januar verkündet, garniert mit der Erfolgsstory, die Kenfo habe im Jahr 2021 eine Rendite von 10,4 Prozent erzielt. Der Absturz im Folgejahr blieb medial unbemerkt.1

2. Der ebenfalls als Vorbild propagierte norwegische Staatsfonds vermeldet für das Jahr 2022 einen Verlust von 152 Milliarden Euro (minus 14,1 Prozent). Das kam in Norwegen nicht überraschend an, weil der Fondschef Nicolai Tangen schon im letzten Jahr sinkende Renditen für das kommende Jahrzehnt angekündigt hatte. In der breiten Öffentlichkeit in Deutschland konnte das schon deshalb nicht überraschen, weil darüber nicht berichtet wurde.2

3. Inhaber von Riester-Verträgen bekamen in diesem Jahr von ihren Versicherungen wieder den aktuellen Kontostand mitgeteilt. Für die meisten ein Schock. Die Wertentwicklung ihrer Spargelder war bis zu 30 Prozent ins Minus abgestürzt. Auch darüber fand so gut wie keine Berichterstattung statt.3

4. Die Allianz Global Investors hatte sich in den USA mit Pensionsfondsgeldern unter anderem der Lehrer in Arkansas und der Transportarbeiter New Yorks verzockt. Die Klage der Gewerkschaften endete mit einem Vergleich: Die Allianz muss 5 Milliarden Dollar als Schadensersatz zahlen plus 860 Millionen Dollar an die US-Staatskasse. Die solide Allianz als zockender Hedge-Fondsmanager? Davon muss die deutsche Öffentlichkeit besser nichts mitbekommen – Schweigen im Medienwald.4

5. Der schwedische Pensionsfonds Alecta verwaltet große Anteile der hierzulande ebenfalls als vorbildlich gepriesenen gesetzlichen Prämienrente. Die Alecta hatte in die pleite gegangene Silicon Valley Bank und in zwei weitere kriselnde Banken investiert. Wertverlust für den Pensionsfonds 1,7 Milliarden Euro. Auch hier gebremste Berichterstattung in Deutschland, auf dass das Vorbild nicht verblasse.5

All diese Nachrichten aus dem letzten halben Jahr hätten bei Journalisten kritische Nachfragen auslösen müssen. Das zu unterlassen und stattdessen den riskanten und sehr langfristigen Weg in die Aktiencasinos zu loben, ist die Verbreitung von fake news unverantwortlich.

Die Deutschen und das Wissen über die Wirkungsweise von Finanzmärkten

Regelmäßig wird in einschlägigen Expertenrunden, insbesondere auch bei Lindners-Generationenkapital-Show im Januar beklagt, dass die Deutschen Aktienmuffel seien. Dann wird gebetsmühlenartig gefordert, dass viel mehr Wissen über die Wirkungsweise von Finanzmärkten vermittelt werden müsse. Am besten schon als Grundlagenfach an den Schulen.

Die Idee ist nicht schlecht. Vielleicht kommt dabei ein Ökonomie-Nobelpreisträger heraus, der plausibel erklären kann, warum in den Krisenjahren 2020 und 2021 der Aktien-Index Dax um 20 Prozent von 13.250 auf 15.880 regelrecht explodierte, obwohl die Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) um 1,1 Prozent einbrach. Aber da ist wohl eher die Expertise von Astrologen und weniger die von Ökonomen gefragt.

Fazit: Schluss mit den Experimenten spekulationsgetriebener riskanter Altersversorgung! Stattdessen Revitalisierung und Ausbau der umlagefinanzierten Rente!