Schlechtes Englisch

BSE, Engleutsch oder Denglisch: Sprachpflege im linguistischen Dschungel der Globalisierung

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Englisch ist auf dem Vormarsch. Die Globalisierung spricht gegenwärtig nun mal diese Sprache. Alle, die dabei sein wollen, nehmen lieber Nachhilfeunterricht, als dass sie ins Globalisierungsgefängnis wandern. Auch in Deutschland ist von diesem Fatalismus etwas zu spüren. Die Werbung beispielsweise adressiert ihre Kunden mit zahllosen Anglizismen und suggeriert ihnen auf diese Weise, dass sie anschlussfähig sind. Die Sprachpolizei sieht sich dagegen veranlasst, Alarm zu schlagen. Deutsch darf nicht durch schlechtes Englisch ersetzt werden und sich schon gar nicht in Denglisch oder Engleutsch verwandeln.

Wer gegen die Amerikanisierung der deutschen Sprache ist, steht automatisch als Globalisierungsgegner da. Jene, die es ernst meinen, können mit diesem Stigma leben. Nicht wenige wollen das auch. In ihren stärksten Augenblicken entwickeln selbst sie eine sprachliche Erfindungsgabe, die man einem Sprachpfleger kaum zugetraut hätte. So sind etwa Denglisch und Engleutsch keineswegs Begriffe, die von fröhlichen Spachpanschern stammen. Sondern von ihren Gegnern. So auch BSE ( = Bad Simple/Silly English) – vielleicht die drastischste Bezeichnung innerhalb der linguistischen Kampfzone, immerhin weist sie besagte Mischformen als „Sprachkrankheiten“ aus.

So drastisch diese Verbalattacken gegen die vermeintliche Verunglimpfung der deutschen Sprache sein mögen – ein interessanter argumentativer Kern liegt ihnen zu Grunde. Denn im Wesentlichen wird behauptet, dass schlechtes Englisch in all seinen Ausprägungen, kein organisches Zufallsprodukt ist. Sondern eine künstlich „hervorgerufene“ Sprachgattung. Bei der Begründung verweist man gerne auf den alten Griechen Platon, der sagte, Sprache sei nicht physis (Natur), sondern nomos (Vereinbarung, Konvention). Auch Jacob Grimm wird gerne herangezogen, denn bei ihm lesen wir: „Alles verbürgt uns, daß die Sprachen Werk und Tat der Menschen sind.“

Wenn Sprache also etwas Gemachtes ist, so die Argumentationslinie der Sprachschützer, dann dürfen wir uns das schlechte Englisch der Globalisierung nicht als quasi natürliches Produkt dieses jahrhundertlangen Prozesses andrehen lassen. Stattdessen müssen wir selbst eingreifen, selbst zu Bastlern der kommunikativen DNA der Nation werden. Bei dieser Argumentationslinie versteht es sich von selbst, dass das linguistische Handwerk eigentlich nur ein Ziel haben kann: BSE eigenhändig abzuwenden – was sonst?! Nun ist BSE aber längst als eine eigenständige Blume im Gewächshaus Kommunikation anerkannt worden. Zumindest von einigen selbsternannten Pionieren im Ausland.

Ein bestimmtes Lebensgefühl..

In diesem Zusammenhang weist das Argument der Konstruktion in die diametral entgegengesetzte Richtung: Denglisch beziehungsweise Spanglish (die spanische Variante) und Hinglish (die indische) – diese seltenen Blumen des Bösen müssen mit aller Liebe gezüchtet werden. Dieser Trend zeichnet sich nicht zuletzt im zeitgenössischen Kino ab. Die diesjährige Berlinale bot dafür zahlreiche Beispiele. In „The Science of Sleep“ zum Beispiel, der neuesten Komödie des französischen Videoclip-Königs Michel Gondry, sprechen alle Pariser schlechtes Englisch. Allein dieser Einfall „ist schon eine Komödie wert“, wie ein begeisterter Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau notierte.

Chantal Akermans Israel-Dokumentarfilm „Là-bas“, der einen konzeptionellen Rahmen schafft, welcher Hitchcocks „Rear Window“ und die Malerei eines Malevitsch konfrontiert, präsentiert dagegen eine Ich-Erzählerin, die es sich nicht nehmen lässt, ihre persönlichen und intellektuellen Reflexionen über das Judentum, ihre Familie und Tel Aviv auf Englisch zu erzählen. Untertitel gibt es in diesem Fall nicht.

Wenn es bei Akerman darum geht, Entfremdung und Dislozierung auf sprachlicher Ebene zu reflektieren, dann lässt sich auch von „Invisible Waves“ sagen, dass schlechtes Englisch ein bestimmtes Lebensgefühl artikuliert – suspendiert zwischen „in der Welt zu Hause“ und „nirgendwo daheim zu sein“. Wie Pen-ek Ratanaruang, der thailändische Regisseur des poetisch-präzisen Films, zu verstehen gibt:

Die Welt ist einfach so. Ich lebe so. Ich lebe in Bangkok, und trotzdem spreche ich die Hälfte des Tages schlechtes Englisch mit meinen Freunden. Und auch auf den Filmfestivals spreche ich schlechtes Englisch.

Für Ratanaruang ist schlechtes Englisch nicht nur eine charmante, sondern auch eine ganz neue Sprache, die er seine Schauspieler ermutigt hat, zu sprechen, ohne vorher viel zu üben und ohne einen Sprachcoach zu konsultieren. Sein Protagonist wirkt nicht zuletzt deshalb wie ein Weltbürger, mit dem sich alle identifizieren können. Aber auch weil er als Japaner auf dem (post-kolonialen) Macao lebt und durch einen tragischen Zufall dazu gezwungen wird, in das Nach-Tsunami-Urlaubsparadies Phuket zu ziehen. Ein symbolischer Ort – bei der Flutkatastrophe vom 26.12.2004 sind dort zahllose Menschen heimatlos geworden.

Ein Regisseur wie Ratanaruang kultiviert somit nicht nur schlechtes Englisch – übrigens auch in den meisten seiner bisherigen Filme. Er reflektiert auch die Prozesse der Identitätsbildung, die diesem Sprachphänomen zu Grunde liegen. Das macht seinen Beitrag zur Sprachdebatte so interessant und über das bisweilen hitzige Pro- und Contra erhaben. Weitere Beträge auf diesem Niveau sind eigentlich nur wünschenswert, denn sie haben ein Ohr für das Neue und stellen sich angesichts der Probleme, die es mit sich bringt, keineswegs blind.