"Schlüsselfigur" von al-Qaida in Europa
Hamburgs Justizbehörden verhaften einen schon lange observierten Deutsch-Syrer aufgrund eines in Madrid ausgestellten Haftbefehls und wollen ihn an Spanien ausliefern
In einer konzertierten Aktion ist den spanischen und den deutschen Ermittlungsbehörden ein ihrer Ansicht nach bedeutsamer Schritt "im Kampf gegen den Terror" gelungen: Aufgrund eines spanischen Haftbefehls wurde am vergangenen Freitag in Hamburg der Kaufmann Mamoun Darkazanli festgenommen. Nach Erkenntnissen der spanischen Justiz soll er seit '97 eine "Schlüsselfigur" der al-Qaida in Europa gewesen sein. Obwohl Darkazanli deutscher Staatsbürger ist, soll er an Madrid ausgeliefert werden - die neue EU-Gesetzgebung macht es möglich. Hamburg Innensenator Udo Nagel (parteilos) feierte die Verhaftung Darkazanlis in den Lokalmedien als "beispielhafte internationale Zusammenarbeit".
Der syrisch-stämmige Mamoun Darkazanli ist mit einer deutschen Frau verheiratet und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Brötchen verdient er als selbständiger Im- und Exportkaufmann. Und genau diese Tätigkeit brachte ihn ins Visier der Terrorfahnder in den USA. Bei dem dort wegen seiner Beteiligung an den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania zu lebenslanger Haft verurteilten Wadi al-Hage wurde eine Visitenkarte gefunden, auf der als al-Hages Firmenadresse ein Telefon- und Faxanschluss angegeben wurde, der identisch ist mit dem von Darkazanlis Geschäft im Hamburg-Uhlenhorst.
Al-Hage gilt als enger Vertrauter Osama Bin Ladens, also müsse auf Darkazanli mit ihm zu tun haben, folgerten die US-Agenten und leiteten 1997 Ermittlungen gegen ihn ein, 1998 wurde sein Telefon und das von Mohammed Haydar Zammar abgehört. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass er 1996 in Riad an dem Anschlag auf die saudische Nationalgarde beteiligt gewesen sein soll. Seit 2002 sind die Konten seiner Firma in den USA wegen dieses Verdachts gesperrt. Die CIA soll versucht haben, wie die Chicago Tribune am 17.11.2002 berichtet hatte, ihn 1999 anzuwerben. Allerdings waren schon früh auch deutsche Verfassungsschützer auf seiner Spur, wie Hamburger Innenbehörde 2002 erklärte. Die deutschen Sicherheitsbehörden wurden von den Amerikanern kritisiert, obgleich sie selbst schon lange den Mann observiert hatten: "Sie wussten von diesen Leuten, aber sie haben nichts getan, um etwas über ihre Pläne zu erfahren", hat ein Informant der New York Times gesagt (vgl dazu auch Mathias Bröckers: Darkazanli ist ein alter Bekannter von CIA, FBI, BfV, BKA...).
Tatsache ist, dass mehrere deutsche Sicherheitsbehörden gegen Herrn Darkazanli ermittelt haben und zur Zeit noch ermitteln. Hierzu konnte das LfV eigene Erkenntnisse beisteuern, die auch an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt wurden. Operative Maßnahmen des LfV Ende 1999 / Anfang 2000 hatten vor allem zum Ziel, Herrn Darkazanli deutlich zu machen, dass er im Visier der Sicherheitsbehörden steht. Dies geschah vor dem Hintergrund allgemeiner Warnungen vor Anschlägen aus dem Al-Qaida-Netzwerk, die sich auch auf Hamburg beziehen.
Hamburger Innenbehörde am 18.11.2002
Die deutsche und amerikanischen Behörden sind indes nicht die einzigen, die gegen Darkazanli ermitteln. Der berühmt-berüchtigte spanische Richter Baltasar Garzón, der den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet hinter Schloss und Riegel brachte und ansonsten in erster Linie gegen baskische und spanische Linke zu Felde zieht, beschäftigt sich ebenfalls seit Jahren mit dem Hamburger Kaufmann. Nach Ansicht Garzóns soll dieser für die logistische und finanzielle Unterstützung von al-Qaida in Spanien, der BRD und Großbritannien verantwortlich gewesen sein. Er soll die Finanzen Bin Ladens in Europa verwaltet, für diesen ein Schiff gekauft und mit mindestens drei der bei den Anschlägen vom 11. September ums Leben gekommenen Attentäter bekannt gewesen sein. Die spanische Justiz hatte bereits vor längerer Zeit einen Haftbefehl gegen Darkazanli erlassen, doch erst jetzt konnte dieser in der BRD vollstreckt werden.
Bereits am 6.1.2001 diskutierte der Rat der Justiz- und Innenminister der EU über die Möglichkeit eines Europaweiten Haftbefehls, am 13.6.2002 wurde der Rahmenbeschluss dazu erlassen (Europäischer Haftbefehl verabschiedet). Am 1.1.2004 trat er schließlich in Kraft, wurde aber nicht von allen Staaten sofort ratifiziert. So dauerte es in der BRD bis zum Sommer dieses Jahres, bevor die juristischen Grundlagen zu dessen Umsetzung geschaffen waren. Art. 16 des Grundgesetzes sieht vor: "Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden" - jedoch mit Ausnahme an andere europäische Staaten. Allerdings musste früher im Einzelfall geprüft werden, ob dem betroffenen Gefangenen ein rechtsstaatliches Verfahren in dem Auslieferstaat garantiert wird. Jetzt wird per se davon ausgegangen, dass dieses in allen europäischen Staaten der Fall sei und grundsätzlich ausgeliefert. In der nächsten Woche wird das Hanseatische Oberverwaltungsgericht über die Auslieferung Darkazanlis entscheiden.