Schluss mit lustig?
Coronakrise: Politik plant Verschärfung der Auflagen für private Feiern, Annegret Kramp-Karrenbauer plädiert für bundesweite Maskenpflicht am Arbeitsplatz
Wie kann man differenziert vorgehen, was lässt sich aus bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der Ausbreitung des Corona-Virus an erträglichen Maßnahmen ableiten? Das wäre die Fragestellung angesichts von Erfahrungen, wie sie zum Beispiel hier im Telepolis-Forum zur Maskenpflicht an den Schulen geäußert wird.
Ich war vor zwei Tagen in einer Schule in NRW bei einem Projekt, das den Kindern Gemüseanbau beibringen soll. Es war 28 Grad schwüle Hitze und die Sonne brannte uns im Schulgarten auf den Kopf. 4 Stunden lang non stop mit Maske auf dem Gesicht, Schüler, Lehrer und wir vom Projekt.
Es ging, aber es war schon hart, obwohl ich normal überhaupt keine Probleme mit dem Maskentragen habe.
Die etwa 10-jährigen Kinder waren aber ziemlich tapfer und klaglos. Die Kommunikation allerdings war nicht immer ganz leicht.
Dennoch lief es irgendwie ganz gut. Man gewöhnt sich an alles.
Doch obwohl das jetzt eine Extremsituation war mit der Hitze, würde ich sagen, dass diese Maskenpflicht an Schulen in der Form, also ohne Pause und auch im Unterricht, nichts sein kann, was man allzu lange aufrechterhalten sollte. Zumindest sollte es Schülern und Lehrern möglich sein immer mal wieder Maskenpausen während der Zeit in der Schule einlegen zu können.
Nach den positiven Erfahrungen, die man in Skandinavien an den Schulen ohne Maskenpflicht gemacht hat, und das schon seit Monaten, und aufgrund der Tatsache, dass sich Schulen bisher noch nirgends als die großen Spreader erwiesen haben, hätte ich eigentlich ein etwas mutigeres Vorgehen auch an deutschen Schulen erwartet.
Two Moon
An die Diskussion über die Maskenpflicht an Schulen (Maskenpflicht im Unterricht: Söder liebäugelt mit Nordrhein-Westfalen) schließen sich nun, ganz ähnlich wie im Nachbarland Frankreich, Vorstöße an, die Maskenpflicht auf Büros und Innenräume von Unternehmen auszuweiten.
Zweiter Lockdown: "Nicht noch einmal diese Katastrophe"
Argumentationsbasis ist der Schrecken, der mit einem zweiten großen Lockdown begründet wird. So sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, dass sie sich eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz vorstellen könnte, "wenn damit die Schließung ganzer Branchen verhindert werden könnte". Das gleiche Muster legt sie bei den Schulen an: "Wenn das obligatorische Tragen von Masken im Unterricht dazu führt, dass wir die Schließung der Schulen umgehen, dann sollten wir darüber nachdenken."
Entweder oder? Ob die Maskenpflicht tatsächlich Schulschließungen verhindert, ist nicht gesagt. Die Erfahrungen, die man in Mecklenburg-Vorpommern und in NRW gemacht hat, deuten darauf hin, dass Einzelfälle von mit Sars-CoV-2 Infizierten genügen, um aus Vorsicht eine ganze Schule zu schließen.
Deutlich zeichnet sich nur eine Grenze ab: Verhindern, dass es zu einem zweiten großen Lockdown kommt. Das ist die Ansage in Frankreich, aktuell mit Emphase vom Gesundheitsminister Olivier Véran erneuert. In Deutschland warnt der "Wirtschaftsweise" Lars Feld vor der Katastrophe, die dies für die Wirtschaft bedeuten würde:
"Derzeit sind wir wie vom Sachverständigenrat prognostiziert in einer V-Phase. Ein zweiter Lockdown würde dazu führen, dass eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der jetzigen Erholungsphase noch überlebt haben, in die Insolvenz gehen müssen."
Feld geht davon aus, dass die Politik "sehr viel" aus der ersten Lockdown-Phase gelernt habe. Sein Tipp: Es sei nicht notwendig, das ganze Land herunterzufahren, sondern "dezentral isolieren und Menschen in die Quarantäne schicken". Dann sei auch ein zweiter Lockdown "weniger wahrscheinlich".
Die Idee ist ziemlich pauschal oder prinzipiell gefasst. Die konkrete Umsetzung wird ihre eigenen Schwierigkeiten haben, wenn sie auf reale Situationen trifft. Der eingangs genannte Erfahrungsbericht gewährt einen Blick darauf, welche Probleme sich im Einzelnen mit Maßnahmen wie der Maskenpflicht auftun. Auch die "Isolation" ist ein heikles Feld.
Die Stichworte "dezentral isolieren" und "Quarantäne" lassen ahnen, wohin die Diskussionen über die Ansätze in den nächsten Wochen gehen können: Segmentierung und damit verbundene Ausschlüsse vom gesellschaftlichen Leben, Empörungen und Wertefragen.
Die Obergrenzen-Diskussion
Den heutigen Sonntag bestimmt eine neue Obergrenzen-Diskussion in den Medien. Es geht um Teilnehmer-Begrenzungen von Veranstaltungen und Feiern. Am Donnerstag kommender Woche sollen, wie die FAS erfahren hat, "potentielle Einschränkungen privater Feiern verhandelt" werden.
Der Blick rückt, wie übrigens derzeit auch in Frankreich, nicht mehr die Risikogruppe der Älteren in den Vordergrund, sondern die möglichen Spreader- und Spreader-Events der Jüngeren. In Frankreich konstatiert Gesundheitsminister Olivier Véran, dass "das Virus unter den Unter-40-Jährigen vier Mal mehr zirkuliert als bei den Über-65-Jährigen".
In Deutschland entdecken Politiker private Feiern und Partys als Ansatzpunkt für härtere Maßnahmen. Den viel getadelten Leichtsinn der Jugendlichen hat etwa Ralph Brinkhaus, CDU im Auge: "Leider hat sich mit dem Beginn des Sommers eine gewisse Leichtfertigkeit ausgebreitet - wie man an den vollen Ostseestränden oder den Ansammlungen von Jugendlichen überall in Deutschland gerade an den Wochenenden beobachten kann". Für den Fraktionsvorsitzenden der CDU ist es "absolut richtig, wenn Ordnungskräfte mit aller Konsequenz Hygieneverstöße verfolgen".
Private Feiern in einigen Bundesländern würden mittlerweile eine Hauptrolle bei Ansteckungen mit dem Coronavirus spielen, berichtet die FAS:
In Nordrhein-Westfalen etwa finden 33 Prozent der Neuinfektionen im privaten Umfeld statt, darunter fallen häufig Zusammenkünfte wie zum Beispiel "Feiern in den eigenen vier Wänden" oder "Treffen mit Bekannten". Reiserückkehrer sind dagegen nur für 25 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich. In Berlin finden sogar sechzig Prozent der Ansteckungen in privaten Haushalten statt, wozu auch Partys und Familienfeiern zählen. Erst an zweiter Stelle stehen Ansteckungen in Restaurants und Gaststätten. In manchen Fällen sind auch Reiserückkehrer für einen Ansteckungsherd verantwortlich, die anschließend im Kreise von Familie oder Freunden eine Party feiern.
FAS
Daraus ergibt sich nun eine Diskussion über härtere Regelungen. So warnt die Gesundheitsministerin von Brandenburg, Ursula Nonnemacher (Grüne), dass private Feiern eine "sehr große Gefahr" und dass bei weiterem schnelle Anstieg der gemeldeten Infektionen "harte Kontaktbeschränkungen" drohen. "Das sollte allen bewusst sein."
Allerdings ist man sich in den Bundesländern uneinig darin, wie hart die Maßnahmen und die Obergrenzen für Feiern und Zusammenkünfte ausfallen sollen.
Auf den ersten Blick möge eine bundeseinheitliche Lösung vorteilhaft wirken, allerdings verkenne sie die oft innerhalb Deutschlands sehr unterschiedliche Entwicklung des Infektionsgeschehens, wird der Sprecher der Landesregierung in Schleswig-Holstein von der Welt zitiert. Derzeit seien private Feiern in dem Bundesland auf 50 Personen beschränkt. In Hamburg sind es etwa nur 25, in Berlin hingegen 500.