"Schmutziges Gas statt schmutziger Kohle"
Aktivisten protestieren gegen die gemeinsame Energiepolitik der EU-Kommission und der Trump-Regierung. Sie fordern einen sofortigen Stopp der Importe von Fracking-Gas aus den USA
Hunderte Aktivisten und Bürgerinitiativen auf beiden Seiten des Atlantiks richten sich gegen weitere Importe von Fracking-Gas aus den USA in die EU. In einer Erklärung fordern die 200 Erstunterzeichner, "den transatlantischen Handel von durch Fracking gewonnenen Kohlenwasserstoffen umgehend zu stoppen".
Anlass der Initiative ist ein für Donnerstag geplantes Treffen des gemeinsamen Energierates der US-Regierung und der EU-Kommission. Auf dem "EU-US Energy Council" sollen Preismechanismen, Investitionen in Infrastruktur und technische Voraussetzungen für den Import von Fracking-Gas aus den USA diskutiert werden. Das in Nordamerika geförderte Erdgas kommt in Form von Flüssiggas (LNG) nach Europa ("Erdgas wird die neue Kohle").
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), eine der beteiligten Organisationen, kritisiert, dass die ökologischen Folgen von Fracking sowie die Auswirkungen auf die Klimaziele in Europa bei den Überlegungen keine Rolle spielen. Gemeinsam mit den anderen Unterzeichnern lehnt die Organisation es ab, den Import von Fracking-Gas in die EU weiter zu erhöhen. Für Sascha Müller-Kraenner ist es offensichtlich, dass die Europäische Union mit ihrer Klimastrategie nicht vorankommt. Stattdessen verhandle man "im Hinterzimmer mit Lobbyisten über neue fossile Importe", so der Bundesgeschäftsführer der DUH:
Dieses Pläneschmieden für bald nicht mehr brauchbare Infrastruktur, noch dazu für umweltschädliches Fracking-Gas, ist nicht mit den Klimaschutzzielen der EU vereinbar und muss aufhören. Wir fordern einen sofortigen Bau- und Planungsstopp für Infrastruktur, die dem Import von Fracking-Gas dienen soll.
Sascha Müller-Kraenner
Den Handel von Fracking-Gas voranzutreiben, bedeutet nach Ansicht der Unterzeichner einen großen Rückschritt für den notwendigen Wechsel zu Erneuerbaren Energien. Constantin Zerger verweist darauf, dass die Klimabilanz von Fracking-Gas keinesfalls besser sei als die von Kohle. "Schmutziges Gas statt schmutziger Kohle kann keine Formel für den Klimaschutz sein", so der Bereichsleiter Energie und Klimaschutz der DUH.
Obama erklärte die Energieversorgung der EU-Staaten zu einer Frage der "Nationalen Sicherheit" der USA
Für ihre Erklärung haben sich die Klimaaktivisten einen symbolischen Termin ausgesucht: Am heutigen Dienstag bricht der amerikanische Energieminister Rick Perry nach Europa auf. In Brüssel will er sich, begleitet von hochrangigen Beamten seines Ministeriums, am Donnerstag mit dem Spitzen der EU-Energiepolitik treffen. Den EU-USA-Energierat hatte vor mehr als zehn Jahren der damalige Präsident Barack Obama eingerichtet. Damals war bereits absehbar, dass mithilfe der Fracking-Revolution zukünftig deutlich mehr Erdöl und Erdgas in den USA gefördert werden wird.
Mit Blick auf mögliche Öl- und Gasexporte erklärte Obama später die Energieversorgung der EU-Staaten zu einer Frage der "Nationalen Sicherheit" der USA. Diese Linie setzt auch die aktuelle amerikanische Regierung fort. An dem Treffen am Donnerstag nimmt auch der US-Botschafter bei der Europäischen Union, Gordon Sondland, teil. Der Hotelier und Immobilienspekulant hatte den Wahlkampf von Donald Trump finanziell unterstützt.
Unmittelbar nach seinem Amtsantritt in Brüssel drohte Sondland massiv deutschen und europäischen Firmen. Falls der Bau der Gasleitung Nord Stream 2 nicht gestoppt werde, könne Washington "Instrumente einsetzen, die das Projekt ernsthaft untergraben oder stoppen könnten". Der US-Präsident habe noch "viele, viele andere Instrumente zur Verfügung". Auf Nachfrage wollte Sondland diese Instrumente damals "nicht alle aufzählen". Auch die europäischen Energiebeziehungen mit dem Iran sind Sondland ein Dorn im Auge: "Sie können mit den Vereinigten Staaten oder mit dem Iran Geschäfte machen, aber nicht mit beiden", informiert der Botschafter die Europäer.
Milliarden an Steuergeldern für das unrentable LNG-Geschäft
Vonseiten der EU werden Vizepräsident Maros Sefcovic und Energiekommissar Miguel Arias Cañete an dem Treffen teilnehmen. Beide haben sich in der Vergangenheit öffentlich dafür stark gemacht, mehr Erdgas aus der amerikanischen Fracking-Produktion einzuführen. Als wichtigste Energiepolitiker der EU haben sie speziell die "EU-Energieunion" vorangetrieben, in deren Rahmen Milliarden an Steuergeldern dafür ausgegeben wurden, neue Infrastrukturen für LNG zu schaffen. Diese sollen es den Öl- und Gaskonzernen ermöglichen, Kosten einzusparen, da das LNG-Geschäft über den Atlantik unter normalen Bedingungen nicht wirtschaftlich wäre.
Genau diese staatlich subventionierten LNG-Terminals stehen nun erneut in der Kritik. Alle öffentlichen Finanzierungshilfen, die LNG-Projekte erhalten, gehen auf Kosten von "nachhaltigen und emissionsfreien Lösungen, mit düsteren Konsequenzen für unser Klima und unsere Wirtschaft", heißt es in der Erklärung. Die Verfasser führen als ein positives Beispiel mit der BNP Paribas Gruppe einen der führenden Finanzdienstleister in Europa an. Das Unternehmen kündigte im Oktober 2017 an, dass es keine Geschäfte mit Unternehmen machen werde, deren hauptsächliches Geschäftsfeld Öl und Gas aus Schiefer oder Teersanden ist. Außerdem würde BNP Paribas keine weiteren LNG-Terminals finanzieren, die überwiegend Schiefergas verflüssigen und exportieren.
Die Aktivisten fordern die EU-Kommission auf, die gesamte Energiepolitik darauf zu konzentrieren, "gemeinsam auf den notwendigen Übergang zu 100% Erneuerbare Energien sowie gesteigerte Energieeffizienz" zu erreichen. Ob sie damit jedoch Erfolg haben werden, bleibt dahingestellt.
Arias Cañete, gegen den bereits in seiner Zeit als Politiker der Konservativen PP in Spanien verschiedenste Korruptionsvorwürfe laut geworden waren, begründete den Bedarf von Fracking-Gas weiterhin mit der angeblich gefährdeten Sicherheit der Gasversorgung in der EU. Wegen der Abhängigkeit von Russland seien "steigende Importe von wettbewerbsfähigem verflüssigtem Erdgas aus den USA zu begrüßen". Aktuell müssten Sefcovic und Arias Cañete allerdings das Problem haben, dass die von der US-Regierung einseitig und willkürlich verhängten Sanktionen diese Sicherheit gefährden.
Immerhin importieren Italien und Griechenland zusammen täglich 200.000 Fässer Rohöl aus der Republik Iran. In der vergangenen Woche verkündete US-Außenminister Pompeo, dass die seit November bestehende "Ausnahmeregelung" für die größten Ölabnehmer des Iran nun ausläuft. Ein weiterer Effekt der drastischen wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegen den Iran, aber auch gegen Venezuela, besteht darin, dass der Preis für Erdöl international massiv anzieht, ein Effekt, den auch die Verbraucher in Deutschland bereits zu spüren bekommen. Allerdings liegen steigende Preise für Öl und Gas insbesondere auch im Interesse der amerikanischen Fracking-Industrie.
Ab dem morgigen 1. Mai wollen die USA so genannte "Sekundärsanktionen" gegen Drittstaaten und Firmen verhängen, die sich nicht an die einseitigen Beschlüsse der Supermacht halten, den Handel mit der Republik Iran vollständig auszusetzen. Trotz vieler öffentlicher Beteuerungen hat es die EU in den vergangenen Monaten nicht ansatzweise geschafft, ein Modell zu finden, das europäische Unternehmen vor den international nicht anerkannten US-Sanktionen schützt.
Anstatt die energiepolitische Unabhängigkeit zu stärken, indem man konsequent auf erneuerbare Energien umsteigt, beteiligen sich die führenden EU-Politiker lieber an den ebenso schmutzigen wie lukrativen Kämpfen um Absatzmärkte für fossile Energien.
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