Schnee sat(t), digital und in HDTV

Ein Blick hinter die Technik der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin

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Wenn in etwa einer Woche in der an den Flüssen Po und Dora gelegenen modernen italienischen Industriestadt Turin beziehungsweise in der malerischen Umgebung von Piemont die Olympia-Wintersportler ihre Kräfte messen, laufen auch im Hintergrund technische Premieren und Höhepunkte ab, die dem Fernsehzuschauer zu Hause vor dem TV-Gerät – insbesondere in Deutschland – normalerweise verborgen bleiben, doch für Geeks interessanter sein dürften als die Spiele selbst. Telepolis konnte vorab einen Blick in die Satelliten-Schaltzentrale werfen.

Pragelato, Austragungsstätte für Nordische Kombination und Skispringen. Malerisch gelegen, aber auch eine Herausforderung für alle Bus- und Autofahrer: enge kurvige Straßen, eingerahmt von riesigen Schneebergen auf beiden Seiten der Straßen. (Bild: Petra Vitolini)

Erstmals wird bei der Fernsehübertragung der Olympischen Winterspiele vom 10. bis zum 26. Februar 2006 komplett auf Digitaltechnik gesetzt, die all jenen rund um den Globus ein störungsfreies Bild in bester Qualität liefern soll, die nicht mit den Sportlern vor Ort frieren wollen. Der japanische Sender NHK liefert dazu den ersten rein olympischen HDTV-Kanal mit Vor-Ort-Reportagen.

Der staatliche italienische Sender RAI plant einen zusätzlichen HDTV-Demonstrationskanal. Dieser Kanal ist jedoch nur verschlüsselt im Großraum Turin empfangbar.

Total Digital

Über 2500 Topathleten, davon alleine 162 Sportler aus Deutschland, werden in fünfzehn Disziplinen an sieben Wettkampfstätten in und um Turin um Medaillen kämpfen. Hierzu wurde in Turin und an den bis zu 100 Kilometer voneinander entfernten Wettkampfstätten in den Alpen erstmals eine voll digitalisierte Sende- und Übertragungstechnik installiert.

Mit Glasfaserring und Satelliten will man gegen alle möglichen Eventualitäten gefeit sein (Bild: IBC)

Die Wettkampforte Bardonecchia, Cesana, Pinerolo, Pragelato, Sauze d’Oulx und Sestriere sind über einen eigenen Glasfaserring an das Internationale Sendezentrum IBC sowie weitere Pressezentren in Turin angebunden. Über diesen Glasfaserring gelangen alle produzierten TV- und Tonsignale digital in einer Geschwindigkeit von 270 Mbit/s in das IBC. Zudem wird über das Netz die gesamte Kommunikation von Presse, Olympischen Komitee bis hin zu den Ergebnisdiensten abgewickelt.

Für Störfälle ist das Turiner Olympische Organisationskomitee Toroc (Torino Organising Committee XX Olympic Winter Games), gewappnet. Es setzt auf den Umweg übers All und nutzt erstmals bei den Spielen Satelliten für Backup-Dienste, falls am Boden Leitungen ausfallen. Daneben hat das Toroc mit dem Satellitenbetreiber Eutelsat, einem der Sponsoren der Spiele, ein eigenes Netz zur Versorgung aller Wettkampfstätten, der drei Olympischen Dörfer, Hotels und öffentlichen Orte mit 50 olympischen und internationalen TV-Kanälen aufgebaut.

Mit Netz und doppeltem Boden

Eigens für die Winterspiele haben Eutelsat und das Toroc ein Netz zur Versorgung aller Wettkampfstätten, der Unterkünfte für Mannschaften und Presse sowie die öffentlichen Plätze mit insgesamt rund 50 TV-Kanälen aufgebaut. Die meisten alpinen Wettkampfstätten in den Bergen lassen sich via IBC und Satellit mit den olympischen TV-Kanälen versorgen. Die Signale werden dabei an der zentralen Kopfstation in Sestriere in das Glasfasernetz eingespeist, an das die anderen Wettkampforte angebunden sind. An dieser Kopfstation befinden sich zusätzlich Sat-Antennen für den Empfang und das Einspeisen der internationalen TV-Kanäle.

Ein Blick in das technische Herz der IBC: Die Inhalte von 19 Kanälen des Netzes stellt das TOBO (Turin Olympic Broadcasting Organisation) live aus dem Internationalen Sendezentrum (International Broadcasting Centre) in Turin zusammen. Das IBC ist das Herzstück der TV-Infrastruktur für die Spiele. (Bild: Petra Vitolini)

Einige Lokalitäten in den Bergen sind nicht an das Glasfasernetz angebunden. Dort übernehmen lokale satellitengestützte SMATV-Netze die Versorgung mit 19 olympischen Sportkanälen, 30 internationalen TV-Sender inklusive ARD und ZDF, dem japanischen HDTV-Kanal sowie einem Infokanal des Satellitenbetreibers Eutelsat.

Technische Eutelsat-Zentrale im IBC (Bild: Petra Vitolini)

Darüber hinaus stellt Eutelsat für die Europäische Fernmeldeunion (EBU) Satelliten-Kapazitäten für die Übertragung der Spiele an ihre Mitglieder bereit. Auch der japanische HDTV-Kanal der NHK überträgt die in Turin produzierten Bilder per Eutelsat an sein europäisches Sendezentrum in Paris.

Die EBU setzt seit 1988 auf Eutelsat-Satelliten

Die Europäische Fernsehunion EBU managt für die ihr angeschlossenen TV-Anstalten alle Live-Übertragung der Sportereignisse, produziert die Höhepunkte und stellt TV-Verbindungen sowie damit verbundene technische Dienste bereit. Die für die Spiele benötigten Satellitenkapazitäten liefert wie bei allen Spielen seit 1988 in Seoul der Satellitenbetreiber Eutelsat. Bei den Spielen können Reporter via Satellit an allen Wettkampfstätten vor Ort einen Uplink zu ihren jeweiligen Sendeanstalten aufbauen. Die EBU wird 500 Stunden der Spiele direkt und simultan an ihre 74 Mitglieder in 54 Ländern in Europa, im Mittleren Osten und Nordafrika übertragen.

Ein Blick ins Technologiezentrum von TOROC in Turin: Überwachung, Koordination, Kontrolle, Auswertung und alle Informationen zu jeder Sportart laufen hier zusammen. (Bild: Petra Vitolini)

Für die Spiele baute die EBU eine eigene Infrastruktur auf. Diese stützt sich auf den neuen Teleport Sky-Park der Eutelsat-Tochter Skylogic in Turin. Über diesen Teleport stellt die EBU simultan 18 Satellitenkanäle für TV-Übertragungen bereit. In diesem so genannten Turiner Sky-Park sind während der Spiele auf etwa 5.500 Quadratmetern insgesamt 15 große Satellitenantennen mit einem Durchmesser zwischen 5,6 und 6,3 Metern für TV-Übertragungen der internationalen Sendeanstalten in alle Welt untergebracht. Über diese Antennen können bis zu 38 Satellitentransponder vollständig mit Signalen versorgt werden – dies entspricht etwa 360 bis 400 TV-Kanälen. Der Sky-Park ist über Glasfaser an das IBC angebunden.

Alte Technik kostensparend wiederbelebt

Da auf den jeweiligen olympischen Austragungsort enorme finanzielle Belastungen für die Ausrichtung der Spiele zukommen, wird auf bereits in früheren Jahren verwendetes Equipment gesetzt, um die Kosten im Rahmen zu halten. Im internationalen Sendezentrum in Turin wird deshalb ein Großteil der bereits in Salt Lake City und in Athen eingesetzten technischen Infrastruktur erneut benutzt. Nach den Spielen werden diese Geräte dann für die nächsten Spiele eingelagert.

Berichterstattung vom Fließband?

In einer ehemaligen Produktionshalle von Fiat wird nun die Presse auf über 50.000 Quadratmetern ihre Berichte in die Welt versenden. Im Gebäudekomplex Lingotto richteten Techniker aus aller Welt seit November das Internationale Sendezentrum IBC mit 33.500 qm, das Hauptpressezentrum MPC mit 11.000 qm sowie für den amerikanischen Sender NBC, auf knapp 7.000 qm ein eigenes Zentrum mit zwei Studios ein. Im IBC werden die vor Ort produzierten Bilder aufbereitet, via Satellit an die Sendezentren in der Heimat übertragen und von dort aus über die üblichen Verteilwege Satellit, Kabel und terrestrisch an die Haushalte verteilt.

Über das eigene Intranet laufen alle Informationen für Sportler, Funktionäre, Angestellte, Presse und Sportler (Bild: Petra Vitolini)