Schon wieder eine Bankenkrise
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- Die Schuldner der Banken: per se unsichere Kantonisten
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Haben die Banken denn gar nichts gelernt? Regieren nur Nieten in Nadelstreifen die Geldwirtschaft? Oder Kriminelle? Hier einige Klarstellungen zu den (mehr oder weniger) dummen Fragen.
Erneut beherrscht ein Krisenszenario die Schlagzeilen: Zuerst war es die US-amerikanische Silicon Valley Bank, bei der Milliarden von US-Dollar auf einen Schlag vernichtet wurden, dann traf es die Schweizer Credit Suisse, bei der wiederum Reichtum in Milliardenhöhe von einem Moment zum anderen verschwand. Und plötzlich ist erneut von einer drohenden Bankenkrise mit weltweiten Konsequenzen die Rede.
Was ist da los in der Finanzwelt? Nach der Finanzkrise von 2007 sollten doch in allen Ländern Lehren gezogen werden, nachdem etwa hierzulande "die Banken mit mehr als 70 Milliarden Euro Steuergeld gerettet wurden" (FAZ, 1.4.23) und in der Nachfolge neue Regelungen für mehr Sicherheit usw. – in Deutschland wie auf europäischer Ebenen – in Kraft traten.
Und jetzt das!? Und dann wird nach der raschen Rettung in der Schweiz auch noch die Staatsanwaltschaft aktiv: "Ermittlungen wegen Credit Suisse" (FAZ, 3.4.23)! Also schon wieder Straftäter unterwegs, die den Hals nicht vollbekommen konnten?
Eine andere Nachfrage wäre dabei interessanter. Angesichts der Milliardensummen, die jetzt schon wieder innerhalb weniger Tage einfach so "verschwunden" sind, während in jedem Supermarkt noch der kleinste Diebstahl hart geahndet wird und viele Menschen an der Kasse nach dem letzten Cent kramen, könnte man doch ins Grübeln kommen. Vielleicht sollte man einmal fragen, was "Reichtum" in dieser Gesellschaft eigentlich ist?
Das Geschäftsgeheimnis: Aus Schulden Vermögen machen
Anlass für die Krise bei der Silicon Valley Bank soll gewesen sein, dass diese viele Wertpapiere mit langer Laufzeit und marktüblichen Zinsen besessen hat. Das klingt eigentlich nach einer soliden Anlage, konnte die Bank doch mit jährlichen Zinsen und nach Ende der Laufzeit mit der Rückzahlung des Kredits rechnen.
Zum Problem wurden diese Wertpapiere dadurch, dass viele Kunden – d.h. mehr, als man erwartet hatte – ihr Geld abzogen und die Bank die Papiere verkaufen musste. Da seit dem Zeitpunkt ihres Kaufs die Zinsen gestiegen waren, erwiesen sie sich allerdings als wertvermindert, ja fast wertlos.
Die Medien warfen der Bank deshalb eine falsche Anlagepolitik vor. Dabei blieb das eigentliche und "normale" Geschäft außen vor – eine sehr kurzsichtige Kritik! Denn dass die Rückforderung von Geld, das Einzelkunden oder Institutionen einer Bank geliehen haben, zum Problem wird, verweist auf die problematische Grundlage des Geschäfts, das in der Kreditbranche tagein, tagaus betrieben wird, ob es sich nun um die Silicon Valley Bank oder ein anderes Institut handelt.
Vereinfacht dargestellt, sieht dieses Geschäft folgendermaßen aus: Banken leihen sich Geld von denen, die es momentan oder langfristig übrighaben oder auf diese Art und Weise vorsorgen wollen. Dafür zahlen die Banken ihren Kunden Zinsen.
Sowohl das Geld ihrer Aktionäre oder Teilhaber – das Eigenkapital im strengen Sinne – wie die Einlagen von Sparern und anderen Kontoinhabern machen dann die ökonomische Potenz einer Bank aus, mit der sie im Geschäftsleben antritt. Der Sache nach handelt es sich aber um nicht viel mehr als Schulden.
Das Geld, über das eine Bank somit treuhänderisch verfügt, bleibt nicht bei ihr. Es ist die Grundlage für ein – mittlerweile – breit gefächertes Kreditgeschäft. Das heißt, es wird weggegeben. Banken verleihen es gegen höhere Zinsen weiter oder legen es ihrerseits in Wertpapieren (Aktien, Unternehmensanleihen etc.) an, wie dies bei der Silicon Valley Bank der Fall war.
Dabei beschränken sie sich selbstverständlich nicht darauf, genau so viel Geld zu verleihen, wie sie sich geliehen haben oder worüber sie laut Gründungsakt verfügen: "Bei den größeren Finanzinstituten in Deutschland lag die bilanzielle Eigenkapitalquote 2012 lediglich bei ungefähr 2 Prozent." In diesem Geschäftszweig lebt man also von vornherein über seine Verhältnisse!
Natürlich bleibt auch vieles, was verliehen wird, innerhalb der Bank und wandert nur von einem Konto auf das andere, weil der Kreditnehmer etwas bei einem anderen Kunden der Bank gekauft hat. Und ein Liquiditätsmanagement – auch durch staatliche Regelungen vorgeschrieben – achtet genau darauf, was in der Kasse ist.
Das verliehene Geld verleiht der Bank dann einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung plus Zinsen. Diesen Rechtsanspruch kann die Bank als Wertpapier wiederum beleihen – z.B. bei der Bundesbank – oder an x-beliebige Interessenten verkaufen. Sie erhält so Geld, das sie wieder investieren kann.
Insofern lebt das Geschäft der Banken einerseits davon, möglichst viel Geld zu verleihen, weil die darauf gezahlten Zinsen ihren Gewinn vergrößern. Andererseits müssen die Banken darauf achten, über genügend "Liquidität" zu verfügen, also mit so vielen Mitteln "flüssig" zu sein, wie normalerweise von der Kundschaft abgezogen wird.
Wie viel das ist, stellt sich als ein Erfahrungswert in dem Gewerbe heraus, das kontinuierlich mit Ein- und Auszahlungen zu tun hat. Aber das ändert nichts daran, dass es Spekulation bleibt. Immer können Ereignisse eintreten, die die Kontoinhaber dazu veranlassen, vermehrt ihre Konten zu leeren.
Dass zwischen den beiden Seiten – dem Einnehmen und Ausgeben – ein Widerspruch besteht, Banken zugunsten höherer Gewinne dazu neigen, mehr Kredite zu vergeben, als den Liquiditätserfordernissen guttut, und sich deshalb des Öfteren in prekäre Situationen manövrieren, ist übrigens der Grund für die staatliche Aufsicht über das Bankengeschäft.
Ein "Bankrott", also die Pleite einer Bank, würde nämlich wegen der Anzahl der davon unvermeidlich mitbetroffenen Gläubiger und Schuldner und den Auswirkungen auf andere Banken, d.h. letztlich (wie der Crash von 2007/08 gezeigt hat) auf das gesamte Kreditsystem, notwendigerweise größere Folgen nach sich ziehen als die Pleite eines einzelnen Unternehmens, die es in der marktwirtschaftlichen Konkurrenz ständig gibt.
Deshalb widmen die Staaten dem Kreditgeschäft eine erheblich größere Aufmerksamkeit und versuchen, mit verschiedenen Vorschriften über Eigenkapital, Mindestreservesatz, Liquiditätsanforderungen usw. diesen "systemrelevanten" Bereich ihrer Wirtschaft "sicherer" zu machen.
Das Risiko einzuschränken, um die Spekulation sicherzumachen, ist natürlich ein Widerspruch, da sie ja gerade mit der Unsicherheit kalkuliert und aus den unterschiedlichen Erwartungen bzw. Einschätzungen der Marktakteure Profit zu schlagen versucht.
Zudem schränken die Auflagen gleich wieder das Geschäft der Banken ein, die ja mit ihrer großzügigen Kreditvergabe die Wirtschaft zum Wachsen bringen sollen – weshalb auch umgekehrt wieder allzu viel an Einschränkung nicht sein darf und sich die Bankiers regelmäßig über "Überregulierung" beschweren ...