Schrumpfende Ernte: Bringt der Klimawandel unser Essen in Gefahr?
Extreme Wetterlagen werden häufiger, die Ernten unberechenbarer. Resiliente Pflanzen werden gezüchtet. Mehr Ökolandbau würde landwirtschaftliche Emissionen senken.
Auf rund 38 Millionen Tonnen werde sich die Getreideernte (ohne Körnermais) belaufen, die Ernte falle um rund vier Prozent kleiner aus, heißt es im aktuellen Erntebericht, den Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) Ende August vorstellte. Der stärkste Rückgang von sieben bis zehn Prozent ist im Saarland, Hessen und Brandenburg zu verzeichnen.
Beim Winterweizen erreicht der Gesamtertrag rund 21 Millionen Tonnen, sechs Prozent weniger als im Vorjahr. Das Ergebnis bleibt um 5,2 Prozent hinter dem mehrjährigen Durchschnitt zurück. Die Fläche an Winterweizen nimmt mit knapp drei Millionen Hektar fast die Hälfte der gesamten Getreidefläche ein.
Die Winterrapsernte ist mit 4,2 Millionen Tonnen nahezu zufriedenstellend aus. Bei den Eiweißpflanzen beanspruchen Felderbsen mit rund 117.200 Hektar die größten Flächen, gefolgt von Ackerbohnen, Sojabohnen und Süßlupinen. Die Anbauflächen seien somit stabil geblieben, allerdings habe dies die Ertragsaussichten bei den Leguminosen deutlich geschmälert.
Dies sei vor allem dem wechselhaften Wetter geschuldet: Auf das nasse und kalte Frühjahr folgten lange Trockenphasen im Frühsommer sowie der nasse Juli mit Regen während der Erntezeit. Regional wüteten Unwetter mit Starkregen, Sturm oder Hagel.
Vor allem im Süden und Osten Deutschlands herrschte im Frühsommer anhaltende Dürre. So trocknete Anfang Mai nordöstlich der Elbe der Boden in einer Tiefe von bis zu dreißig Zentimeter komplett aus. Infolge dessen gerieten Sommerweizen, -gerste und Hafer, der junge Mais, aber auch die spät ausgesäten Zuckerrüben unter Trockenstress.
Ab Mitte Juni kam es im Norden und Westen zu Starkregen, Orkanen und Hagel. Der verregnete Juli und die nasse erste Augusthälfte zwangen die Mähdrescher zum Warten. Ab Mitte August ließ der Regen nach, da musste das Korn möglichst rasch eingebracht werden.
In einigen Regionen blieben die Höfe inmitten der Erntesaison "im Regen stehen" – das Korn keimte zum Teil am Halm, teilweise war eine Ernte gar nicht mehr möglich. Dies führte nicht nur zu Ertrags- und Einkommenseinbußen, sondern auch zu geringeren Qualitäten beim Backweizen. Anderenorts waren die Ernteerträge bei Getreide und Ölsaaten relativ hoch.
Dennoch wirken sich die regional schwankenden Ergebnisse deutlich auf das Gesamtergebnis aus. Ein stellenweise nasser und kühler Sommer könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erde heißer wird, Wetterextreme zunehmen und die Landbewirtschaftung immer schwieriger werde, schreiben die Autoren.
Landwirtschaft: Mitverursacher des Klimawandels – und Teil der Lösung
Neben Getreide, Ölpflanzen, Futtermittel und tierischen Erzeugnissen wird neuerdings zunehmend Biomasse für die Energieerzeugung angebaut. Laut Bundesumweltamt sind Ackerbau und Viehzucht hierzulande für rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen (Stand 2020) verantwortlich. So emittieren nicht nur wiederkäuende Rinder, sondern auch mit Mist- und Gülle gedüngte Felder Treibhausgase wie Methan, Lachgas und Ammoniak.
"Wir müssen die Landwirtschaft klimafest machen, damit wir auch in 20, 30 oder 50 Jahren sichere Ernten einfahren", rät Cem Özdemir. Das ist leicht gesagt.
Ganz ohne Emissionen wird die Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen nicht gehen. Allerdings emittiert eine ressourcen- und bodenschonende Wirtschaftsweise weniger Treibhausgase und trägt damit zum Klimaschutz bei.
Nicht nur muss sich die Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen, sondern sie muss auch daran mitwirken, die Ursachen zu beheben. Deshalb werden Klima-Anpassungsstrategien immer wichtiger, sie müssen allerdings je nach regionalen Gegebenheiten differenziert ausfallen. Es braucht eine ganze Palette sich ergänzender Maßnahmen, wie etwa weite Fruchtfolgen mit mehr Leguminosen, um das Ertragsrisiko zu diversifizieren, ein verbessertes Wassermanagement oder Humusaufbau und Agroforstsysteme.
Wie sich produktbezogene Umweltkosten einsparen lassen
Im Ökolandbau wird bereits vieles davon umgesetzt. Laut einer im Januar veröffentlichten Studie der TU München halbieren sich hier die flächenbezogenen Treibhausgasemissionen.
Und nicht nur das. Weil auf Mineraldüngerstickstoff und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet wird, wird im Öko-Landbau im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft gerade einmal die Hälfte der Energie verbraucht. Neben verminderten Kohlendioxid-Emissionen ergibt sich hieraus eine deutlich geringere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Aufgrund geringerer Stickstoff- und Treibhausgasemissionen im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft 750 bis 800 Euro pro Hektar und Jahr eingespart. Für die in Deutschland aktuell ökologisch bewirtschaftete Fläche ergebe sich hieraus bereits heute ein eingesparter Betrag in Höhe von 1,5 Milliarden Euro.
Den Berechnungen zu Folge schneidet das fertige Bio-Lebensmittel im Hinblick auf Energieeinsatz und Treibhausgasemissionen im Vergleich zum konventionell erzeugten Produkt um rund 20 Prozent besser ab. Je schneller die Umstellung auf ökologischen Landbau erfolgt und je größer die Öko-Anbaufläche ist, umso größer ist die Umweltentlastung und Kosteneinsparung für die Gesellschaft, lautet sein Fazit.
Die Studie basiert auf Untersuchungsergebnissen im deutschlandweiten Netzwerk von Pilotbetrieben und Ergebnissen aus Dauerfeldexperimenten. Untersucht wurden Stickstoffkreislauf und -emissionen, Energie- und Humusbilanzen, Bodenkohlenstoffbindung, Treibhausgasbilanzen und Klimawirkungen. Die Treibhausgas- und Stickstoffemissionen wurden mit mittleren Umweltkosten bewertet und so eine Kostendifferenz zum konventionellen Landbau berechnet.
Maßnahmen zur Klimaanpassung unzulänglich oder unterfinanziert
Viele Landwirte passen sich mit ihrem Anbausystem bereits an das veränderte Klima und seine Folgen an, erklärt Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es sei Aufgabe der Politik, sie dabei zu unterstützen. Zudem sollten Klima- und Umweltleistungen der Höfe ausreichend honoriert werden. Der Anpassungsprozess werde gestaltet etwa durch die im März 2023 beschlossene nationale Wasserstrategie soll den naturnahen Wasserhaushalt schützen, der Wasserknappheit vorbeugen, Wasserinfrastrukturen dem Klimawandel anpassen usw..
So genannte Agroforstsysteme können seit diesem Jahr erstmals über die Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) und die Ökoregelungen gefördert werden.
Das BMEL unterstützt mehr als 200 Teilprojekte im Bereich der Pflanzenzüchtungsforschung, um Kulturpflanzen und -sorten züchterisch an den Klimawandel anzupassen. Falls hier Gentechnik mit gemeint ist, so ist es zweifelhaft, ob diese langfristige Lösungen bieten kann.
Die von der Klimakrise betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe sollen stärker befähigt werden, über notwendige Anpassungsmaßnahmen zu entscheiden. Zudem arbeitet das BMEL an erweiterten Qualitätskriterien für Backweizen bzw. der so vermehrten Nutzung als Futterweizen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Erklärtes Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die ökologisch bewirtschafteten Flächen in Deutschland auf 30 Prozent auszuweiten. Eigens hierfür erarbeitete die Bundesregierung die Bio-Strategie 2030. Der Anfang 2022 veröffentlichte Nationale Strategieplan (NSP) zur gemeinsamen Agrarpolitik sieht eine Finanzierung von vierzehnn Prozent Öko-Flächen bis zum Ende der Förderperiode 2027 vor. Rätselhaft bleibt jedoch, wie die fehlenden sechzehn Prozent innerhalb von drei Jahren erreicht werden sollen.
Demnach beträgt das geplante Gesamtbudget (nationale und EU-Mittel) für die Flächenförderung des Ökolandbaus im Strategieplan zwanzig Prozent der Mittel aus der Zweiten Säule für den Förderzeitraum von 2023 bis 2027. Dies entspricht etwa 500 Millionen Euro jährlich.
Das reiche bei Weitem nicht aus, um den Ökolandbau entsprechend dem Bio-Ziel der Bundesregierung zu finanzieren, kritisiert der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Zur Finanzierung eines jährlichen Zuwachses von rund 355.000 Hektar müssten jährlich 100 Millionen Euro mehr investiert werden.