Schüsse auf Seenotretter: EU unterstützt konkurrierende Milizen in Libyen

Seite 2: EU unterstützt libysche "Meeresstrategie"

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Vor zwei Jahren hat die Regierung in Tripolis begonnen, die Verantwortlichkeiten der LCGPS und der GACS zu entflechten. In dieser "Meeresstrategie" ("Maritime Strategy") geht es auch um die Zuständigkeit für die Strafverfolgung in internationalen Gewässern, die der LCGPS übertragen werden soll.

Ebenfalls vor zwei Jahren hat die Tripolis-Regierung die Koordinaten einer Seenotrettungszone mit den benachbarten Regierungen in Italien, Malta und Griechenland abgesprochen und schließlich bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation notifiziert. Weil die zuständige LCGPS diese SAR-Zone aber nicht aus eigenen Mitteln kontrollieren kann, bietet die EU entsprechende Hilfe an.

Im Rahmen des Europäischen Grenzüberwachungssystems EUROSUR beobachtet Frontex die libysche Küste laut dem Auswärtigen Dienst mittels Satelliten- und Luftbildern. Diese Informationen könnten im Rahmen des europäischen Mittelmeer-Kontrollsystems "Seepferdchen Mittelmeer" den libyschen Behörden zur Verfügung gestellt werden. Dafür soll Libyen eine nationale Kontaktstelle für dem Empfang der Daten errichten, in der alle an der Grenzverwaltung beteiligten libyschen Behörden zusammenarbeiten und kommunizieren.

Die Anbindung Libyens an "Seepferdchen Mittelmeer" ist für Ende 2019 geplant, die LCGPS arbeitet dazu mit der spanischen Guardia Civil zusammen. Im Rahmen von EUROSUR übermittelt Frontex schon jetzt Wetterdaten an die LCGPS. Die Kommunikation erfolgt über die SMART-Plattform, die das italienische Militär für EUNAVFOR MED betreibt.

EU-Einmischung befördert Konflikte

Die Unterstützung der EU bei der Neuordnung der GACS und der LCGPS bedeutet auch, dass sie den Konflikt unter den teils verfeindeten Milizen, die ab 2012 in die beiden Küstenwachen integriert worden sind, anheizt. Immer wieder stehen Minister, mit denen EUBAM oder EUNAVFOR MED zusammenarbeiten, im Kreuzfeuer und gefährden damit die Umsetzung von Vereinbarungen. Dies betrifft etwa das Massaker von Brak Shati in 2017, nach dem der libysche Verteidigungsminister suspendiert wurde.

Im Juli 2017 hatte die Al Nawassi Brigade, die als einer der führenden Sicherheitsgaranten der Einheitsregierung gilt, nach Streitigkeiten im Innenministerium das GACS-Hauptquartier angegriffen und übernommen. Der Auswärtige Dienst interpretiert dies als Zeichen der schwachen Durchsetzungsfähigkeit der offiziellen Zentralinstitutionen. Zu dieser Zeit hatten die GACS und EUBAM gerade erst beschlossen, enger zusammenzuarbeiten. Bei den Kämpfen wurden Teile der Ausstattung der GACS zerstört, auch viele Mitarbeiter des Hauptquartiers mussten die Behörde verlassen.

Ärger gibt es aber auch mit Führungsfiguren wie dem Leiter der GACS, dem Brigadegeneral Tariq Shanbour. Er ist eigentlich kein Angehöriger der Küstenpolizei, sondern wird vom Nationalen Zentralbüro für Interpol angestellt und auch bezahlt. Die von ihm geführte Küstenpolizei ist selbst Vorwürfen der Beteiligung an Schleusungen ausgesetzt. Shanbour behauptet hingegen, der libysche Staat werde einer Desinformationskampagne ausgesetzt.

Libyen sei auch ein Opfer ausländischer Interventionen, er meint damit die Seenotrettungsorganisationen. Ähnlich brachial greift Ayob Amr Ghasem, der Chef der LCGPS, die Seenotretter an. Diese würden demnach einen "Krieg" gegen Libyen führen.