Schweden: Eine Million offiziell registrierte Corona-Fälle

Seite 2: Die Grundrechte?

Das schwedische Pandemie-Gesetz, das noch bis Ende September gilt, würde zwar noch weitreichendere Maßnahmen erlauben als die, die bisher gelten. Eine Ausgangssperre gehört allerdings nicht dazu. In den Nachbarländern Norwegen und Finnland war darüber diskutiert worden.

Norwegens Regierung verfolgte dies nicht weiter, nachdem sie extrem negative Reaktionen darauf erhielt, unter anderem von der eigenen Gesundheitsbehörde. In Finnland scheiterte der Gesetzesentwurf am Grundrechteausschuss, daraufhin verzichtete auch die finnische Regierung. In diesem Punkt sind sich die nordischen Länder einig.

Mit der Begrenzung einer öffentlichen Versammlung auf acht Personen ist allerdings das Demonstrationsrecht in Schweden zurzeit deutlich eingeschränkt. Das traf am 1. Mai nicht nur die Demonstration zur Aufhebung der Corona-Maßnahmen, sondern auch Bensinupproret, eine Bewegung gegen die aktuelle Verkehrspolitik. Hier erhielt der Veranstalter eine Strafe, obwohl die Teilnehmer der Demonstration alle vereinzelt in ihren Autos saßen und damit nicht zu einer Virusverbreitung beitrugen.

Eine Lockerung der geltenden Einschränkungen wurde zuletzt angesichts der hohen Virusverbreitung verschoben, die nächste Überprüfung der Situation ist Mitte Mai. Die Regierung will außerdem die Geltungsfrist des Pandemie-Gesetzes um drei Monate verlängern. In Arbeit ist nun ein Konzept, wie zukünftig die Virusverbreitung überwacht wird und mit welchen Regeln sichergestellt wird, dass es nicht erneut zu einem großen Ausbruch kommt.

Ministerin Hallengren sagte dazu, es gehe nicht um die Einschränkung von Rechten und Freiheiten, sondern um Bereitschaft. "Wir müssen zumindest darauf vorbereitet sein, erneut Maßnahmen zu ergreifen", betonte auch Behördenchef Carlson. Es sei daran erinnert, dass in Schweden seit Ende März 2020 eine Obergrenze von 50 Personen für Versammlungen galt, die auch im Sommer nie gelockert wurde. Seit November liegt sie bei acht Personen.

Ausblick

Schweden hat mit seinem Kurs die Fallzahlen nie so weit senken können wie seine Nachbarländer Norwegen und Finnland. Sie sind allerdings auch nie so eskaliert wie beispielsweise in Belgien und Tschechien. Lockdowns haben ebenso Nebenwirkungen wie eine hohe Virusverbreitung.

Inwieweit sich Schwedens Kurs für das Land und seine Bürger auszahlt, muss die Zukunft zeigen. Aufschluss dazu werden möglicherweise die Ermittlungen der von der Regierung selbst eingesetzten Coronakommission geben. Diese soll das Handeln von Regierung und Behörden untersuchen. Im ersten Teilbericht hat die Kommission festgestellt, dass es nicht gelungen ist, die Älteren zu schützen, und war dabei wenig gnädig mit dem Auftraggeber. Der zweite Teilbericht wird im Herbst 2021 fällig, der Abschluss 2022.

Pandemie-Forscher kommender Generationen können sich jedenfalls darüber freuen, dass ein Land einen etwas anderen Kurs gefahren hat. Ob die Bürger auch damit zufrieden sind, werden sie erst bei der Wahl im Herbst 2022 äußern können.

Noch stärker als das vergangene Jahr wird dafür vermutlich ausschlaggebend sein, was nun kommt: Wann werden die Einschränkungen gelockert und gelingt es, neue Ausbrüche kleinzuhalten? Bisher war der Umgang mit der Pandemie keine große politische Streitfrage - aber das könnte jetzt kommen.