Schweden und der Greta-Effekt

Greta Thunberg bei Fridays for Future in Stockholm am 14. Februar 2020. Bild: Frankie Fouganthin/CC BY-SA-4.0

Greta ist eine singuläre Erscheinung, Politiker und Unternehmer müssen sich derzeit in der Öffentlichkeit gut mit ihr und ihren Forderungen stellen

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Nun wurde es amtlich - Greta ist bei einheimischen Klimaaktivisten am einflussreichsten: Forscher von drei schwedischen Hochschulen haben herausgefunden, dass unter den Anhängern der Bewegung "Fridays for Future" in 16 Ländern die Vorbildfunktion Greta Thunbergs in Schweden am deutlichsten ist, so das schwedische Fernsehen SVT am Montag. Die schwedischen Teilnehmer sind zu sechzig Prozent stark von der Persönlichkeit der heute 17-Jährigen beeinflusst, vor allem Mädchen identifizierten sich mit ihr.

Greta Thunberg löste im Herbst 2018 mit ihrem Entschluss, jeden Freitag einen Schulstreik für das Klima zu unternehmen, eine weltweite Bewegung aus, die Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung fordert.

Oft wurde auch in Schweden darüber geschrieben, dass die Schülerin mit dem Asperger-Syndrom vor allem im Ausland wie etwa in Deutschland ankäme. Tatsächlich hat die kindlich wirkende Jugendliche mit den zwei Zöpfen das skandinavische Land deutlich geprägt - der Greta-Effekt erstreckt sich keineswegs auf die zumeist jungen Klimademonstranten.

Schon Ende des Jahres 2018 wurde "Flugscham" zum schwedischen Neuwort des Jahres gewählt. Denn zu einem von Gretas Gebote gehört das Vermeiden von Flugreisen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das Phänomen des schlechten Gewissens um das Fliegen führte in Schweden seit 2018 zu einem Rückgang von neun Prozent von Flügen bei schwedischen Passagieren, so eine Studie des staatlichen Flughafenbetreibers "Swedavia" in diesem Januar.

Gegen diesen Trend helfen auch keine Imagekampagnen. Als die im Norden abgelegene Provinz Västerbotten einen Werbefilm für das Fliegen in den Sozialen Medien publizierte und "Flugscham" als "Mobbing" bezeichnete, nahm sie den Clip bald wieder heraus. Zu groß war anscheinend der Druck. Auch in der Politik bemühen sich die Akteure um Greta.

Isabella Lövin, die Umweltministerin wird jüngst vor allem "Klimaministerin" genannt und lobt Greta bei vielen Gelegenheiten "Es gibt keine Person in der Welt, die die Welt in eine solch positive Richtung beeinflusst hatte wie Greta Thunberg in diesem Jahr", meinte sie im vergangenen Dezember. Auch der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfven zeigt sich als bekennender Greta-Fan und kritisierte Donald Trump für dessen rüpelhaftes Auftreten bei den Vereinten Nationen.

Denn die Politiker in Schweden wissen, dass sie von der derzeit dauerstreikenden Schülerin sofort kritisiert oder an ihren Aussagen gemessen werden können. So wurde den schwedischen Partei-Vorsitzenden Ende Dezember ein Greta-Forderungskatalog mit drei Klimazielen gereicht, die sie zu beantworteten hatten.

Die Politiker inszenierten sich vor einem Fotografen der Zeitung Expressen mit Anorak oder Grünzeug. Selbst der Parteivorsitzende der rechtspopulistischen Schwedendemokraten Jimmie Akesson machte mit, vor einem Jahr hatte er die Schülerin ("bloß ein Kind") noch kritisiert; doch damit kann er in Schweden keinen Staat machen.

"Kaufscham" und "Kleiderscham"

Auch für Vertreter der Wirtschaft gilt, dass sie sich mit der einflussreichen Gymnasiastin gut stellen müssen. Magnus Hall, Vorsitzender des Energiekonzerns "Vattenfall AB", dem größten Unternehmen des Landes, bekannte im Herbst, Greta zu "bewundern" und von ihr "inspiriert" zu sein, und gelobt, die emissionsfreie Energiegewinnung anzustreben.

Ein Jahr zuvor kritisierte Thunberg Vattenfall für dessen Besitz des Hamburger Kohlekraftwerk "Moorburg" - dies könne doch kaum mit der Selbstbezeichnung "umweltfreundlich" in Einklang stehen. In der vergangenen Woche hat das Unternehmen erklärt, einem von der SPD vorgeschlagenen früheren Aus des Kraftwerks zustimmen zu wollen. Da der Anlage die Fernwärmeauskoppelung fehle, "passe sie nicht mehr zu unserem Unternehmensziel". Hier kann ein Greta-Effekt unterstellt werden.

Überdies machen sich "Kaufscham" und "Kleiderscham" in der schwedischen Wirtschaft bemerkbar. Karl-Johan Persson, der bis Ende Januar als Geschäftsführer von H&M wirkte, beschwerte sich im Oktober gegenüber Bloomberg über die "fatalen sozialen Konsequenzen" - sprich Konsumverweigerung. Denn die Klimaaktivistin mit ihrer markanten Wollmütze hat der "schnellen Mode" den Kampf angesagt und fordert dazu auf, nur noch wirklich notwendige Sachen zu kaufen. Der Konzern, bekannt für preisgünstige Mode, kam zudem letztens in die Negativschlagzeilen wegen Umweltverschmutzung bei der Kleiderherstellung.

Wichtig sei jedoch, dass Jobs geschaffen werden, das Unternehmen werde nun auf eine umweltfreundliche Produktion umstellen. Dennoch lobte Persson gegenüber einer schwedischen Zeitung, dass Greta, "einen fantastischen Job macht, eine bewundernswerte Person" sei.

Helena Helmersson, seine Nachfolgerin, will mehr in Haltbarkeit, erneuerbare Energien, Recycling und Secondhand-Verkauf investieren. Sie glaubt nicht an den "Kaufscham" als Bedrohung. Offiziell.

Anders die Facebookgruppe "Benzinaufruhr" mit über 600000 Mitgliedern, die sich durch die ständigen Erhöhungen der Spritpreise in ihrer Mobilität eingeschränkt fühlen. Sie stellten schon ein Mal eine Gegendemonstration zu einer Klimakundgebung auf die Beine, allerdings sind dann nur einige hundert von ihnen unterwegs gewesen.

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