Schwedens müder Premier tritt ab

Beliebt, und doch gescheitert: Stefan Lövfen. Bild: Bengt Nyman, CC BY 2.0

Druck durch hohe Anzahl an Gewaltdelikten und Konflikte um Mietenpolitik. Stefan Löfven genießt dennoch hohes Vertrauen

"Dieser Beschluss ist etwas gereift" – mit diesen Worten kündigte Schwedens Premierminister Stefan Löfven bei der traditionellen Sommerrede am Sonntag seinen baldigen Rücktritt an. Er wolle der Partei die Möglichkeit geben, eine neue Person für die Wahlen 2022 aufzustellen.

Die Entscheidung, Anfang November beim Parteitag der Sozialdemokraten abzudanken, kam überraschend. Spitzenpolitiker seiner Partei seien in einem "Schockzustand", so schwedische Medien. Auch den Parteivorsitz werde der 64-Jährige abgeben

Als Favorit für die Nachfolge gilt die Finanzministerin Magdalena Andersson. Andersson gilt vom als energischer als der zunehmend phlegmatischer erscheinende Löfven.

Wichtig sei, so hieß es aus der Partei, dass eine Kandidatin antritt, die auch den Parteivorsitz übernehme.

Zehn Jahre war Löfven Vorsitzender der Traditionspartei, seit sieben Jahren regiert der gelernte Schweißer mit einer rotgrünen Minderheitsregierung das Land - gegen eine bürgerliche Mehrheit. Von seinen Anhängern wurde ihm das stets hoch angerechnet. Löfven war lange ein politischer Überlebenskünstler, dem Machterhalt alles galt, so die Kritik der Gegner.

Große Erfolge, Reformen oder Visionen konnte der ehemalige Gewerkschaftler nicht vorweisen. Vielmehr war seine Ära gekennzeichnet durch das improvisierte Reagieren auf Krisen und den Verlust von sozialdemokratischen Wertvorstellungen, wie etwa Schweden als "humanitäre Großmacht", deren Staatsfürsorge die Integration der Menschen aus aller Welt möglich gemacht hat.

Mit der Flüchtlingskrise 2015 mussten bei Einwanderung und Asylverfahren strengere Gesetze umgesetzt werden; die Bandenkriminalität gilt noch vor der Pandemie als Problem Nummer eins in Schweden.

Im vergangenen Jahr sagte Löfven erstmals, dass Migration und Kriminalität in einem Zusammenhang stehen.

Massives Gewaltproblem in Schweden

Das Land hat nach einer staatlichen Erhebung seit 2018 die höchste Rate an Toten durch Schusswaffen innerhalb Europas. Im vergangenen Jahr kamen 46 Menschen durch ein Projektil zu Tode, es wurden 109 Bombenanschläge verübt.

Selbst die liberale Zeitung Expressen kritisierte zuletzt, dass es keinen Rückgang der Gewalttaten gegeben hat und schrieb von einem "düsteren Bild".

Auch das Regieren mittels Tolerierung verschiedener Kleinparteien hatte seinen Preis. Im Juni tat sich die Linkspartei, die Löfven unterstützt hatte, mit der bürgerlichen Opposition zusammen, um ihn via Misstrauensantrag zu stürzen.

Löfven hatte zuvor auf Druck der Zentrumspartei eine marktliberalere Mietregelung angestrebt, weil er auf diese Gruppierung ebenfalls angewiesen war.

Im Juli kam er wieder ins Amt, da der bürgerliche Kandidat Ulf Kristersson keine Mehrheiten erreichen konnte. Der Chef der "Moderaten" will nun zusammen mit den Christdemokraten eine Regierung bilden und sich dabei von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten tolerieren lassen. - möglichst durch Neuwahlen vor dem regulären Termin der Parlamentswahlen im September 2022.

Dies kann im November geschehen, sofern sich die liberalen Parteien "Zentrum" und "Die Liberalen" gegen eine weitere sozialdemokratische dominierte Regierung entschieden. Allerdings müssen sich die Bürgerlichen und Rechten bald etwas neues überlegen, da ihnen mit Löfven auch ihr Lieblingsfeindbild verloren gegangen ist.

Löfven selbst konnte durch die Pandemie an Popularität gewinnen. Die Nähe zu dem schwedischen Gesundheitsamt mit dem Staatsepidemiologen Anders Tegnell und seiner Anti-Lockdown-Strategie wird von dem Gros der Bevölkerung begrüßt.

Bis heute genießt Löfven nach seinem Konkurrenten Ulf Kristersson das meiste Vertrauen als Politiker in Schweden.

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