Schwedt braucht mehr als Öl, sonst droht Ruhrpott-Crash 2.0

Eine alte Aufnahme: Die Raffinerie in Schwedt braucht neues Öl. Langfristig braucht die Region eine Erneuerbaren-Industrialisierung. Bild: Müller, Bundesarchiv / CC BY-SA 3.0 DE

Raffinerie in Schwedt braucht kurzfristig neues Öl, aber langfristig eine Perspektive. Warum werden in der Region nicht Solar- oder Windkraftfabriken gebaut? Ein Kommentar

In den letzten Wochen ist viel über die PCK-Raffinerie in Schwedt/Oder gesprochen worden. Der Grund ist offensichtlich. Im Zuge des Ukraine-Kriegs ist ein Öl-Embargo gegen Russland geplant. Das bringt die Raffinerie in Schwierigkeiten. Denn sie ist stark von russischem Öl abhängig.

Kurzfristig muss daher eine Lösung gefunden werden, auch, um Versorgungssicherheit für den Berlin-Brandenburger Raum herzustellen, der auf die Kerosin- und Sprit-Lieferungen von Schwedt angewiesen ist. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, könnten vorübergehend Öl, auch Gas und Kohle, aus anderen Ländern beispielsweise Norwegen und Großbritannien bezogen werden.

Worüber aber weniger bis gar nicht gesprochen wird, ist, dass nicht nur die russischen Importe, sondern alle fossilen Importe mittel- und langfristig drastisch reduziert werden müssen. Das ergibt sich logisch, wenn das Pariser Klimaziel, die Erde nicht über 2 Grad Celsius aufzuheizen, eingehalten werden soll. Wissenschaftlichen Studien zeigen, dass die Industriestaaten bis spätestens 2035 auf null fahren müssen, nicht erst, wie bisher anvisiert, erst Mitte des Jahrhunderts.

Die fossilen Energien müssen daher jedes Jahr um bis zu 15 Prozent reduziert und durch nicht-fossile ersetzt werden. Das hat Konsequenzen, nicht nur für Schwedt. Alle Standorte mit fossilen Industrien brauchen eine nachhaltige Zukunftsperspektive. Und die wird nicht auf Öl, Kohle, Gas lauten können.

Schon jetzt schrumpft die Mineralöl-Branche in Deutschland, jedes Jahr gehen 500 Arbeitsplätze verloren. Im Ölsektor arbeiten heute noch 25.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (Stand 2017). In Schwedt sind es 1200 Angestellte, noch 2000 indirekte Jobs hängen an der Raffinerie. Diese Menschen und Familien brauchen ein Perspektive. Wer ihnen jetzt lediglich das Öl vom Himmel verspricht, wird morgen mit Joblosigkeit enden.

Wenn die Bürgermeisterin von Schwedt fordert: "Der gesamte Osten muss aufstehen", dann sollte vor allem für eine Industrialisierungswelle jenseits der Fossilen aufgestanden werden. Es braucht umgehend eine Erneuerbaren-Offensive und einen staatlichen Plan dafür inklusive finanzieller Unterstützung für abgehängte, deindustrialisierte Regionen.

Sicherlich wird ein Teil der Strategie darin bestehen können, in Schwedt zukünftig grünen Wasserstoff herzustellen. Aber Wasserstoff wir aufgrund der starken Energieverluste bei der Umwandlung des Stroms nur in bestimmten Bereichen sinnvoll einsetzbar sein, wie der Stahlindustrie und großen Fahrzeugen. Auch kann es bei der Wasserstoff-Herstellung lokal zu Wasserknappheit kommen. Den Erneuerbaren-Strom direkt zu benutzen ist daher der bessere Weg.

Was wirklich und massenhaft gebraucht wird, ist ein Konjunkturprogramm für die neuen Energielieferanten, das auch Schwedt zu Gute kommen sollte: Photovoltaik-Fabriken, Windkraftfabriken, Unternehmen, die Batterien, Stromspeicher, Wärmepumpen und Geothermie-Anlagen herstellen.

Diese industrielle Transformation wird viele Arbeitsplätze schaffen. Wie Eicke Weber vom Fraunhofer-Institut seit vielen Jahren fragt: Warum importieren wir eigentlich die neueste Generation von Solarpanelen aus China? Warum machen wir das nicht selber?

Die neuen Industriebetriebe im Bereich der Energiewende werden langfristig Arbeitsplätze sichern, die aber für Deutschland verloren gehen, wenn man sich an das Alte, Untergehende klammert. Das war schon bei der Kohleförderung im Ruhrgebiet falsch, die man viel zu lange künstlich subventionierte, anstatt frühzeitig die industrielle Wende vorzubereiten.

Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sagt: Wir subventionieren uns zu Tode. Er meint damit die fast 70 Milliarden Euro, die noch heute in einer eskalierenden Klimakrise den fossilen Energieträgern zufließen und die Erde weiter aufheizen. Das Geld fehlt dann für die industrielle Transformation.