Schwedt braucht mehr als Öl, sonst droht Ruhrpott-Crash 2.0

Seite 2: Das Versagen der Politik: Der Zusammenbruch der Erneuerbaren-Industrien

Und hier kommen wir zu dem eigentlichen Versagen der Politik, vor allem im Verantwortungsbereich der vergangenen Bundesregierungen unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat durch eine Politik bürokratischer Hürden und ausbleibende staatliche Programme die Erneuerbaren-Industrialisierung, die durch das EEG-Gesetz um die Jahrtausendwende Fahrt aufnahm, fast zum Zusammenbruch gebracht.

Berechnungen zeigen: 100.000 Jobs sind dadurch in der Solarenergie- und Windkraft-Branche in Deutschland verloren gegangen. Gute Jobs, einfach so Hopps genommen, weil die technologisch fortgeschrittene, grüne Industrialisierung bewusst blockiert wurde.

Und es geht weiter. Der dänische Windturbinenbauer Vestas hat Ende letzten Jahres angekündigt, sein Werk in Lauchhammer/Brandenburg nach 19 Jahren zu schließen. Für die Region, einstmals Braunkohleregion, ein schwerer Schlag. 500 Mitarbeiter:innen werden gehen müssen.

Massiver Stellenabbau auch beim größten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen Enercon. 2019 kündigte er an, in Aurich und Magdeburg insgesamt 3.000 Stellen zu streichen. Insgesamt wurden 2019 20.000 Stellen in der Branche gestrichen. Im darauf folgenden Jahr ein ähnliches Szenario.

Der Windkraftunternehmer Horst Mangels macht falsche Weichenstellungen dafür verantwortlich, die auf eine verfehlte Wirtschaftspolitik zurückgeht. "Hochwertige, gut bezahlte Industriearbeitsplätze" gingen verloren, "einfach nur durch die vollkommen falschen Signale und falsche Politik der Bundesregierung".

Der Windkraft drohe das gleiche Schicksal wie der Solarbranche, warnt der Unternehmer:

Mit Riesensummen haben wir eine Photovoltaik in Deutschland aufgebaut, eine Photovoltaikindustrie, mit eigenen Fertigungsstätten – und die sind von heute auf morgen per Handstreich alle letztendlich plattgemacht worden, weil einfach nur das EEG verändert wurde und die politischen Rahmenbedingungen vollkommen falsch gesetzt wurden.

Das hat China gefreut. Heute ist das Land, dank deutscher Verhinderungspolitik, Weltmarktführer, und exportiert seine Produkte weltweit.

Im Bereich Biomasse sei genau das gleiche passiert. "Völlig ohne Not sind diese ganzen Arbeitsplätze alle wieder verschwunden, die man vorher aufgebaut hat."

Lauchhammer, Aurich, Magdeburg sind aber anders als Schwedt keine nationalen Aufreger-Themen in den großen Medien. Das sollten sie aber. Denn beide Krisen, die der Mineralölindustrie auf der einen und der Wind- und Solarindustrie auf der anderen, gehören zusammen und verstärken sich: Sie führen zu einem Deindustrialisierungsstrudel bei den Erneuerbaren und falschen Abhängigkeiten von fossilen Energien ohne Zukunftsperspektive.

Man muss ehrlich sein, auch den Arbeiter:innen gegenüber, die noch in der Mineralölindustrie in Deutschland angestellt sind und um ihre Arbeit bangen. Neues Öl wird ihre Jobs nicht retten, wenn überhaupt nur sehr kurzfristig. Bleibt der industrielle Wandel aus, bleibt es bei fossilen ad-hoc-Notlösungen, droht ein Ruhrpott-Crash 2.0 noch in diesem Jahrzehnt.

Schwedt benötigt daher nicht nur kurzfristig neues Öl, sondern viel wichtiger für die Zukunft, Solar-, Windkraft- oder sonstige Fabriken, die die Energiewende ermöglichen. Alles andere sind Beruhigungspillen und leere Versprechen mit am Ende fatalen Folgen für alle.