Schwere Vorwürfe gegen Tariq Ramadan

Tariq Ramadan (2009). Bild: mit freundlicher Genehmigung von Joshua Sherurcij

Der prominente Islamwissenschaftler wird von zwei Frauen der Vergewaltigung beschuldigt. Für muslimische Feministinnen könnte dies der Auftakt für eine größere Auseinandersetzung sein

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Zwei Frauen haben in der vergangenen Woche Anklage bei der Staatsanwaltschaft in Rouen und in Paris gegen Tariq Ramadan eingereicht. Die Frauen werfen ihm Vergewaltigung vor.

Den Vorwürfen wird in Frankreichs Medien großer Platz eingeräumt, vorweg bei Le Monde und Le Parisien, beide Publikationen veröffentlichten dazu mehrere Artikel, Stellungnahmen, Interviews und Kommentare. Tariq Ramadan ist eine bekannte öffentliche Persönlichkeit. Der Schweizer ägyptischer Herkunft ist ein Enkel von Hassan al-Banna, dem Mitbegründer der ägyptischen Muslimbrüder, Professor für Islamwissenschaft an der Universität Oxford und Auslöser vieler Debatten, die um die Rolle des Islam kreisen.

Seine Stellung, sein öffentliches Wirken, politische Vernetzungen und Streitpunkte, die seine Einlassungen auslösten, wurden ausführlich von Bernard Schmid anhand der Kontroverse um Ramadans Aussagen zu den französischen jüdischen Intellektuellen und deren Haltung zu Israel beschrieben. Der Artikel erschien 2003. Schon damals war in Zusammenhang mit Kritik an Ramadan von dem Vorwurf einer "Hetzkampagne" gegen den islamischen Prediger die Rede.

"Verleumdungskampagne"

Bei den aktuellen Vorwürfen, die Ramadan bestreitet, macht er eine Verleumdungs- und Schmutzkampagne gegen ihn als wahren Hintergrund der Anklagen geltend. Sein Anwalt hat nun seinerseits Anzeige gegen die erste der beiden Frauen erhoben wegen Denunzierung. Fans und Unterstützer übernehmen diese Sicht und greifen ihrerseits in Kommentaren beide Frauen an.

Daran ersichtlich ist, dass die Affäre eine Menge heikler Punkte berührt: In der Kritik bzw. in der öffentlichen Aufmerksamkeit steht nicht nur die Person Ramadan, sondern auch die Art des Umgangs mit einem Repräsentanten der islamischen Gemeinschaft - Ramadan ist ein gefragter Redner, der von muslimischen Organisationen gerne zu Auftritten eingeladen wird - wie auch der Umgang dieser Organisationen mit den Vorwürfen gegen eine "Lichtgestalt" und angesichts der öffentlichen Rolle, die Ramadan einnimmt, auch das Frauenbild eines namhaften Vertreters der Religion.

Die Vorwürfe

Die Aussagen der beiden Frauen haben es in sich. Den Anfang machte Henda Ayari, eine ehemalige Salafistin, die sich laut Le Monde zur laizistischen, feministische Aktivistin entwickelt hat, wirft Ramadan "Vergewaltigung, sexuelle Aggressionen, willentliche Gewaltanwendung, Belästigung und Einschüchterung" vor, so die Anklageschrift, aus der die Zeitung zitiert. Die Vorfälle sollen sich im Jahr 2012 zugetragen haben.

Wenige Tage später erstattete eine zweite Frau, deren Realnamen nicht genannt wird, eine Anzeige gegen Ramadan. Der zugrundeliegende Vorfall vom Oktober 2009 wird von der Frau als brutale sexuelle Gewalt mit demütigenden Praktiken geschildert, die von Le Monde und besonders von Le Parisien mit Einzelheiten wiedergegeben wird, was Fragen danach aufwirft, wie dies mit dem Prinzip der Unschuldsvermutung zu vereinbaren ist.

Zuletzt berichtete Le Parisien noch von einer dritten Frau, die erwäge, ebenfalls eine Anzeige gegen Tariq Ramadan zu erstatten "wegen sexueller Belästigung und Drohungen". Die Vorwürfe datieren aus einem Zeitraum von 2013 bis 2015.

Der "Weinstein"-Tsunami

In einem Interview mit Le Parisien erklärt Henda Ayari, die am 13. November, aufgrund der Attentate in Paris, ihren Schleier weggeworfen hat, dem Salafismus den Rücken gekehrt und später die feministische Vereinigung Libératrices zur Befreiung der arabischen Frauen gegründet hat, dass der französische Twitter-Aufruf #BalanceTonPorc im Zuge der Weinstein-Affäre ihr den Mut gab, den Namen ihres Vergewaltigers öffentlich zu machen.

Zuvor hatte sie die Gewalttätigkeiten bereits 2016 in einem Roman geschildert, ohne aber den prominenten Namen preiszugeben. Sie erhebt gegen Ramadan den Vorwurf, dass er sich des Islams bediene, um "Frauen zu unterjochen". Wenn eine Frau keinen Schleier trage und sie vergewaltigt würde, so sei das seiner Ansicht nach ihre Schuld, sagt Henda Ayari, die von Ramadan nach der Vergewaltigung bedroht worden sei.

Die alten Organisationen schweigen, die jungen sind auf dem Sprung

Sie bekräftigt, dass sie für einen moderaten Islam ist, der die Gleichheit von Frauen und Männern respektiert und ruft in einem Interview mit Le Monde dazu auf, dass Frauen gegen ihre Ängste das Schweigen brechen und diejenigen kenntlich machen, die sich ihrer "spirituellen, moralischen und religiösen Autorität" bedienen, um mit außergewöhnlicher Gewalt gegen Frauen vorzugehen.

Andere feministische muslimische Gruppen, wie Lallab, sind laut Le Monde auf dem Sprung, das Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen neu in die Debatte zu bringen.

Indessen haben die muslimischen Organisationen große Mühe mit den Anklagen gegen Tariq Ramadan öffentlich umzugehen. Einzig die Publikation Oumma widmet sich dem Thema und der Diskussionen.