Schwere Waffen aus Deutschland an die Ukraine?

Bild (April 2022): Verteidigungsministerium Ukraine/CC BY 4.0

Stress für Kanzler Scholz: Seine "Ertüchtigungshilfe" für das von Russland angegriffene Land trifft auf Kritik: "Zu wenig". Der Chor zur deutschen Verantwortung in der postpazifistischen Zeit

Aus Hamburg kommt die Mitteilung, dass der Stress für Scholz hochgeschraubt wird. "Wagt die Union das Projekt Kanzler-Sturz?", fragt der Spiegel. Es geht um die Frage, die die Debatte in den deutschen Medien beherrscht: Soll Deutschland schwere Waffen an die Ukraine liefern?

Zu zögerlich, zu zaudernd sei Scholz in der Sache, wird dem Kanzler von der CDU vorgeworfen. Deren Vorsitzender und Unionsfraktionschef Friedrich Merz könnte die Regierung Scholz im Bundestag in Bedrängnis bringen, spekuliert der Spiegel. Es könnte sein, dass ein CDU/CSU-Antrag, der die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine fordert, eine Mehrheit im Bundestag erreichen könnte und dies dann sogar zur Vertrauensfrage führt, so das Szenario einer "handfesten Staatskrise", wie sie der Spiegel etwas erregt vorzeichnet.

"Klarheit macht den Unterschied", trommelt die CDU auf einem Foto von SPD-Legende Helmut Schmidt propagandistisch. Für den Ernstfall einer Abstimmung ist aber selbst bei den Spitzen nicht alles klar: "Ob Söder auch explizit für die Lieferung von sogenannten schweren Waffen sei, ließ er offen. Hier müsse die Bundesregierung entscheiden, zudem sei nicht mal klar definiert, was schwere Waffen seien." (SZ)

"Die Welt wird nicht sicherer und friedlicher, wenn wir uns zurückhalten"

Es gab in den letzten Tagen einen Chor an Wortmeldungen, die sich für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine aussprachen - ein neuer Sound aus Deutschland im Frühling 2022: "Die Welt wird nicht sicherer und friedlicher, wenn wir uns zurückhalten." (SPD-Außenpolitiker Michael Roth).

"Da geht noch was und das muss auch gemacht werden", reagierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Außenexperte der FDP, Alexander Graf Lambsdorff auf Einwände der SPD-Verteidigungsministerin Lambrecht, dass Deutschland aus Bundeswehr-Beständen keine schweren Waffen an die Ukraine liefern könne.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ist seit seinem Besuch in der Ukraine gefragter Interviewpartner, der eine eindeutige Haltung demonstriert: Deutschland solle die Waffen liefern, die sich die Ukraine wünscht.

Je länger sich dieser Krieg hinzieht und je näher Putin einem Sieg kommt, desto größer ist die Gefahr, dass weitere Länder überfallen werden und wir dann am Ende in einen erweiterten de facto dritten Weltkrieg rutschen.

Anton Hofreiter

Auch die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, findet: "Deutschland wird seiner Verantwortung nicht gerecht" und plädiert für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. "Viele Staaten liefern diese – nur die Bundesregierung blockiert." "Es ist eine Schande." (n-tv)

Die grüne Chefin des Auswärtigen Amtes, Propagandistin einer "feministischen Außenpolitik", macht Schlagzeilen, die den grundsätzlichen Willen zur Lieferung von schwerem Kriegsgerät beteuern: "Gepanzerte Fahrzeuge 'kein Tabu'", titelte die Tagesschau gestern.

"Das ist auch für uns kein Tabu, auch wenn es in der deutschen Debatte manchmal so klingt", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrem lettischen Amtskollegen Edgars Rinkevics in der Hauptstadt Riga.

Es sei mittlerweile klar geworden, dass der russische Präsident Wladimir Putin vor nichts halt mache. Daher sei für sie klar: "Ein Ende dieses Krieges wird es nur geben, wenn die Ukraine es erzwingt und erkämpft", sagte Baerbock.

Tagesschau

"Ertüchtigen" mit viel Geld

Kanzler Scholz will die Ukraine "ertüchtigen", wie die Bundesregierung vor zwei Tagen informierte: "Gemeinsam mit der deutschen Industrie und der ukrainischen Regierung werde eine Liste abgearbeitet, was dem Land geliefert werden könne. Deutschland werde der Ukraine die für den Kauf notwendigen Mittel zur Verfügung stellen."

Wie viel Geld der Ukraine genau zur Verfügung gestellt wird, ist Pressemeldungen nicht exakt zu entnehmen, es sind auf jeden Fall keine "peanuts": Die SZ berichtete gestern von einer Milliarde Euro für die Finanzierung oder Lieferung von Waffen. N-tv zitiert Regierungssprecher Steffen Hebestreit damit, dass die Bundesregierung "mehr als 1,4 Milliarden Euro für Waffenlieferungen für die Ukraine" zur Verfügung stelle.

Das Handelsblatt zitiert Finanzminister Lindner damit, dass ein Großteil der "Rüstungshilfe für Partnerländer" von zwei Milliarden Euro "weit überwiegend" der Ukraine zugute komme.

Auf der Wunschliste der Ukraine stünden deutsche Panzer und Artilleriegeschütze ganz oben, heißt es. Die Regierung Scholz verweigert diesen Wunsch – noch?

"Hier müssen wir inzwischen erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen", sagt Scholz. Hintergrund ist, dass die Bundeswehr ihre schweren Waffen selbst für sich beansprucht, um die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten zu können. Das gilt beispielsweise für Marder-Schützenpanzer oder die Panzerhaubitze 2000, ein schweres Artilleriegeschütz.

Tagesschau

Auch wenn der Eindruck täuschen mag – in Deutschland sind die ukrainischen Forderungen nach mehr Waffen besonders vernehmlich –, so ist Deutschland in der Frage nicht isoliert, wie Eric Bonse aus Brüssel berichtet. Auch Frankreich und Italien würden keine Panzer bereitstellen.

In Brüssel gebe es auch sonst keine Anzeichen für eine deutsche Sonderrolle. Berlin habe keine Beschlüsse zur Ukraine blockiert, niemand zeige mit dem Finger auf den deutschen EU-Botschafter oder auf Kanzler Scholz.