Schwimmender Kuhstall als Zukunftsmodell?
Die "Floating Farm" im Rotterdamer Hafen soll ein Modellprojekt für Lebensmittelversorgung in Zeiten des Klimawandels sein. Tierschutzbüro veröffentlicht Drohnenbilder
Hinter der "Floating Farm" im Hafen von Rotterdam steht die Idee, den Konsum von Milchprodukten auch im klimatischen Worst-Case-Szenario sicherzustellen. Ende 2019 wurde dort der erste "schwimmende Kuhstall" errichtet. Knapp 40 Kühe werden dort regelmäßig an Melkroboter angeschlossen.
Nach Bekunden der Farmbetreiberin Minke van Wingerden kamen ihr Mann und sie bereits 2012 auf diese Idee - während einer Geschäftsreise nach New York, nachdem der Hurrikan "Sandy" die Stadt überschwemmt hatte und die Lebensmittelversorgung unterbrochen war. "Wir wussten: So etwas kann in den Niederlanden, die ja zum Teil unter dem Meeresspiegel liegen, ebenfalls jederzeit passieren. Also haben wir beschlossen, uns mit zukunftsfähigen Lösungen für Lebensmittelversorgung im klimatischen Worst-Case-Szenario zu beschäftigen", sagte van Wingerden Ende 2020 der österreichischen Tageszeitung Der Standard.
Ob die Milchwirtschaft in ihrer bisherigen Größenordnung eine Zukunft hat, ist allerdings überall dort, wo der menschengemachte Klimawandel als Problem erkannt wird, umstritten. Denn Kühe stoßen als Nebenprodukt ihrer Verdauung Methan aus - und ein Großteil der Flächen, auf denen zur Zeit Tierfutter angebaut wird, könnte effizienter genutzt werden, um Eiweißpflanzen für den menschlichen Bedarf anzubauen oder durch Aufforstung den Klimawandel zu begrenzen. Und abgesehen von der guten alten Linsensuppe wächst auch der Markt für pflanzliche Milchersatz-Drinks, Seitan-Schnitzel oder Tofu-Würstchen.
Vorwurf: Unternehmens-PR verschweigt Vorgaben
Das deutsche Tierschutzbüro stellt allerdings das unmittelbare Tierleid in den Mittelpunkt seiner Kritik an der Rotterdamer Floating Farm, fordert deren Schließung und hat an diesem Mittwoch Drohnenbilder des schwimmenden Stalls veröffentlicht, um der Unternehmens-PR entgegenzuwirken. Bereits zum zweiten Mal sei eine Kuh aus dem High-Tech-Stall ins Wasser gefallen. Das 600 bis 800 Kilogramm schwere Tier habe mehrere Stunden im kalten Wasser ausharren müssen, bis es schließlich von der Feuerwehr gerettet werden konnte.
Für eine Kuh mache es "keinen Unterschied, ob sie in einem Stall auf Land oder Wasser ausgebeutet wird", befand der Vorstandsvorsitzende des Tierschutzbüros, Jan Pfeifer. Auf der Homepage der Betreiber werde mit der schönen Aussicht für die Tiere geworben und "nicht erwähnt, dass vermutlich der Hauptgrund für dieses weltweit einzigartige Projekt darin liegt, dass in den Niederlanden nur ein Stall gebaut werden darf, wenn man selbst Land besitzt. Zudem gibt es eine Beschränkung von Mastställen im Vergleich zur Einwohnerzahl", so Pfeifer.
Offenbar tief überzeugt von der Moralität deutscher Außenpolitik hat das Tierschutzbüro sogar einen Brief an die deutsche Botschaft geschrieben, die darin aufgefordert wird, sich für die Schließung der Farm einzusetzen, nachdem die lokale Tierschutzpartei Partij voor de Dieren (PvdD) "leider erfolglos" versucht habe, eine Mehrheit im Stadtrat dafür zu gewinnen.
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