Scientific Dishonesty!
Führende dänische Wissenschaftler werfen dem "skeptischen Umweltschützer" Bjørn Lomborg schwere fachliche Verfehlungen vor
Nachdem sich der ganz normale Umweltsünder jahrzehntelang mit den Horrorszenarien von Ökoaktivisten und Unglückspropheten aller Art herumschlagen musste, nahte zur Jahrtausendwende die Rettung aus dem hohen Norden. Bewies doch der dänische Statistikprofessor Björn Lomborg in seinem Buch "The Skeptical Environmentalist" anhand knallharter Daten und Fakten, dass es sich bei der Überbevölkerung und den Hungersnöten, dem Waldsterben und den Klimakatastrophen, wie dies etwa in den Berichten des Worldwatch Institute verhandelt wird (Die letzte Chance für die Erde?), über den Daumen gepeilt nur um ganz marginale Erscheinungen handelt. Unter Umweltgesichtspunkten bietet die aktuelle Weltlage keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil: "Die Dinge werden in fast jeder Hinsicht besser."
Lomborgs Buch, das in Deutschland unter dem Titel "Apokalypse No!" erschien, entfachte eine weltweite Diskussion, an der sich auch führende Wirtschaftszeitungen und -magazine beteiligten, die dem vom Paulus zum Saulus mutierten ehemaligen Greenpeace-Aktivisten eine Vielzahl hymnischer Rezensionen bescherten (Der Angriff des Öko-Renegaten). Während Lomborg die Huldigungen in aller Bescheidenheit entgegennahm ("Ich will mich ja nicht mit Galilei vergleichen, aber es tut schon gut, recht zu haben."), formierte sich aber auch Widerspruch, der sich vor allem an der Frage entzündete, ob der frisch gebackene Bestsellerautor überhaupt Anspruch auf fachliche Seriosität erheben könne.
Ein Komitee angesehener dänischer Wissenschaftler, das zur "Danish Research Agency", einer unabhängigen Institution unter dem Dach des Forschungsministeriums, gehört, will dieses Problem nun eindeutig geklärt haben. Nach einer ausführlichen Beschäftigung mit Lomborgs Thesen und den zum Teil heftigen Kritiken, die u.v.a. von John Bongaarts, Stephen Schneider oder Thomas Lovejoy vorgetragen wurden, gelangt das Gremium zu dem Schluss, dass der 38jährige in seiner Abhandlung immer wieder gegen Grundregeln des wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen hat:
"Das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse ist durch eine systematisch voreingenommene Darstellung so pervertiert worden, dass objektive Voraussetzungen gegeben sind, hier eine wissenschaftliche Unredlichkeit zu unterstellen."
Die schier endlose Liste der Vorwürfe reicht von der unklaren Begriffswahl über die willkürliche und fehlerhafte Auswertung bisheriger Untersuchungen, verzerrte Kosten-Nutzen-Rechnungen bis hin zu mangelhafter Recherche und der nahezu vollständigen Vernachlässigung zentraler Problembereiche, deren Einbeziehung das Gesamtergebnis der Untersuchung zwangsläufig hätte beeinflussen müssen.
Viele der von Lomborg ins Feld geführten Statistiken erfahren nach Meinung der Gutachter keine qualitative Wertung, so dass beispielsweise der Zustand des weltweiten Waldbestandes vor lauter Freude über seine vergleichsweise geringe Reduzierung seit den 50er Jahren keine ernsthafte Berücksichtigung findet. Gleiches gelte für Lomborgs Fehleinschätzung des weltweiten Bevölkerungswachstums, das nicht allein nach Zahlen, sondern auch im Hinblick auf die regionale Verteilung der Menschen und ihre unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten beurteilt werden müsse.
Dass der "skeptische Umweltschützer" wichtige zeitgenössische Forschungsgebiete (Stichwort: Biodiversität) nahezu vollständig vernachlässigt und nicht ernsthaft in Betracht zieht, dass durch eine Kehrtwende im Umweltbewusstsein durchaus positive Veränderungen bewirkt werden können und schon bewirkt worden sind, trägt darüber hinaus zur Verschärfung des Urteilsspruches bei.
"The main conclusion by DCSD finds that my book is 'clearly contrary to the standards of good scientific practice' because of systematically biased selection of data and arguments. But since the DCSD has neglected to take their position on the technical scientific disputes their conclusions are completely unfounded. The DCSD does not give a single example to demonstrate their claim of a biased choice of data and arguments. Consequently, I don't understand this ruling. It equals an accusation without defining the crime." - Aus der Presseerklärung Lomborgs vom 7.1.2002
Das dänische Komitee lässt es dahingestellt sein, ob die wissenschaftliche Unredlichkeit der Publikation auf Fahrlässigkeit oder doch eher auf die erklärte Absicht ihres Autors zurückzuführen ist. In jedem Fall erwartet sie, dass die neue konservative Regierung ihres Landes, den Entschluss, Lomborg an die Spitze des Instituts für Umweltbewertung zu stellen, baldmöglichst korrigiert. Ob dieses Ansinnen Aussicht auf Erfolg hat, da das World Economic Forum den Statistikprofessor im November 2001 zum "Global Leader for Tomorrow" ernannte und Business Week ihn noch im Juni vergangenen Jahres zu den "50 Stars of Europe" zählte, darf derzeit bezweifelt werden.
Aber vielleicht dient die für wissenschaftliche Verhältnisse übermäßig turbulente Debatte ja auch in erster Linie dem Zweck, den das Magazin SpaceDaily in seiner aktuellen Berichterstattung ganz beiläufig unterstellt. Dort ist das Cover des "skeptical environmentalist" mit den denkwürdigen Zeilen abgebildet:
"Nothing like a little controversy to increase book sales. Buy now at Amazon for only $ 19.60."