Seenotrettung im Mittelmeer: Maas für Vorreiterrolle Deutschlands
Der Außenminister fordert "ein Bündnis der Hilfsbereiten für einen verbindlichen Verteilmechanismus" und garantiert einen substantiellen Beitrag
Das "unwürdige Geschachere um Menschenleben" könne nicht die Lösung sein, begründet Außenminister Heiko Maas seinen Vorstoß. Er will, dass die Verteilung der aus Seenot Geretteten so geregelt wird, dass es nicht mehr zu den üblichen langen Dramen kommt. Um künftig tagelange Irrfahrten privater Seenotretter verhindern, suche er Bündnispartner in der EU, wird heute gemeldet.
Für Diskussionen in der Öffentlichkeit, wo das Thema Seenotrettung stark polarisiert, wird wahrscheinlich sorgen, dass Maas Deutschland eine Vorreiterrolle zugedacht hat. Der Außenminister spricht von einem Angebot, wonach Deutschland bereit sei, "einen substantiellen Beitrag zu leisten", der in der Garantie besteht, "immer ein festes Kontingent an Geretteten zu übernehmen".
Für ein "Bündnis der Hilfsbereiten"
Eine Größenordnung für das Kontingent gab Maas dazu nicht an. Es ist auch nicht einzuschätzen, wie viele in den nächsten Wochen und Monaten in Seenot geraten. Maas geht es erstmal um eine Initialzündung, von der er sich möglicherweise auch Werbung für die SPD verspricht (Erg. d. A.: Beim letzten ARD-Deutschlandtrend fanden es 72 Prozent aller Befragten gut, "dass private Initiativen Flüchtlinge aus Seenot im Mittelmeer retten"). In seinem Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, das eine große Reichweite hat, setzt er darauf, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass die Politik nichts tue.
Die angesichts der Notfälle unangemessene Reaktionsfähigkeit und unbestimmte Haltung der EU-Länder wurde zuletzt durch die Auseinandersetzung zwischen der NGO-Kapitänin Carola Rackete mit italienischen Behörden, die breite öffentliche Wirkung hatte, zum Thema gemacht.
In einer Pressekonferenz vor zehn Tagen sprachen Vertreter der NGO Sea-Watch, davon dass sie von der Bundesregierung sehr enttäuscht seien und kritisierten, dass die EU wie auch die Bundesregierung genug Zeit gehabt hätten, eine Lösung für diese Situation zu finden ("Wenn die Geretteten die Hoffnung verlieren, haben wir auf dem Schiff ein Pulverfass").
Der SPD-Minister stellt dem nun eine neue Entschlossenheit entgegen: "Wir müssen jetzt mit den Mitgliedsstaaten vorangehen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen - alle anderen bleiben eingeladen, sich zu beteiligen". Dieses "Bündnis der Hilfsbereiten" soll nach seinem Plan, einen "verbindlichen Verteilmechanismus" schaffen, damit der Streit um die Verteilung der aus Seenot Geretteten nicht weiter für Dramen sorgt.
Beim Treffen der EU-Justiz- und Innenminister kommender Woche in Helsinki sollte man einen entscheidenden Schritt vorankommen, fordert Heiko Maas. Ist der substantielle Anteil, den Deutschland bei der Verteilung der geretteten Migranten zu übernehmen bereit ist, groß genug, dürfte diese Frage zunächst nicht das große Hindernis darstellen.
Bislang hatte sich immer Länder gefunden, die mitmachten, zum Beispiel Portugal, die Beneluxländer dürften ebenfalls dabei sein. Aber auch Italien und auch Frankreich beteiligten sich wiederholt an der Übernahme der geretteten Migranten.
Wer wird einen sicheren Hafen stellen?
Beide Länder stehen aber auch für das große Hindernis: die Bereitschaft, einen sicheren Hafen zur Verfügung zu stellen. Italien wird bei seinem kategorischen "Nein" bleiben, alles andere wäre ein Wunder, zu dem auch die katholische Kirche dort nicht imstande ist. Auszugehen ist auch davon, dass Frankreich bei seiner Haltung bleibt, keinen sicheren Hafen, etwa auf Korsika, zu Verfügung zu stellen. Macron wir kuam nicht gewillt sein, eine neue innenpolitische Front gegen sich aufzubauen.
Wer wird einspringen: Malta? Spanien? Portugal? Eine Lösung über afrikanische Länder, Tunesien, Ägypten, Marokko oder Algerien ist nicht in Sicht. Auch weil dies mit größeren Bedenken - die Menschenrechtslage oder innenpolitische Schwierigkeiten - verknüpft ist und mit Plänen, die umfassender sind, nämlich das Vorhaben, dort Hotspots einzurichten. Dazu gab es Widerstand aus Ägypten und anderen Ländern. Der dürfte sich auch beim Vorschlag regen, sichere Anlaufhäfen für Migranten zu stellen, die nach Europa wollen.
Das andere große Problem, mit dem die Initiative zu rechnen hat, sind prinzipielle Einwände und Befürchtungen. Sie ranken sich um die Frage, ob die Seenotrettung, die von Staaten unterstützt wird, nicht die Risikobereitschaft von Migranten und den Geschäftemachern erhöht, die das Ablegen von der libyschen Küste mit untauglichen Booten organisieren.
Derzeit ist kein NGO-Schiff vor der Küste Libyens unterwegs, da das zuletzt einzige Schiff, die Alan Kurdi, ihre Rettungsmission "vorerst beendet" hat, um in Palma de Mallorca gewartet zu werden. Das "Alarmphone" meldet derzeit Notfälle in der Ägais.
So lange die Lage vor der libyschen Küste relativ ruhig bleibt und sich die Zahlen der aus Seenot Geretteten auf den Rettungsbooten in Dimensionen hält, wie sie seit einem guten Jahr üblich sind (vgl. dazu: Mittelmeer-Route: Weniger Geflüchtete, viele Tote), gibt es Aussichten darauf, dass es zu dem "Bündnis der Hilfsbereiten" kommen kann, das Maas vorschlägt. Vorausgesetzt, man findet eine Lösung für den sicheren Hafen.
Wie gut wird das Bündnis aber halten, wenn die Zahlen der Migranten, die sich auf den Weg übers Mittelmeer machen und in Seenot geraten, deutlich ansteigen? Interessant wären auch die Reaktionen in der öffentlichen Diskussion, wenn sich bestätigen sollte, was Experten behaupten: Dass die Anwesenheit von NGO-Schiffen vor der Küste Libyens keinen "Pull-Faktor" darstellen.
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