Seit Jahren sinkt die Scheidungsrate bei jüngeren Paaren

Eheschließung im antiken Rom auf einer Urne. Bild: Agnete/CC BY-SA-3.0

Sowohl in den USA als auch in Deutschland ist der Trend zu beobachten: Was steckt dahinter?

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Im Juli hatte das Statistische Bundesamt berichtet, dass die Scheidungsrate 2017 stark zurückgegangen ist. Mit 153.000 Ehescheidungen sind es 5,5 Prozent weniger als 2016, die Zahlen nähern sich wieder dem Stand Anfang der 1990er Jahre. Durchschnittlich waren die Paare 15 Jahre verheiratet. Das war vor 25 Jahren noch anders, als die Scheidung nach 11 Jahren Ehe erfolgte. Weil später geheiratet wird, liegt das durchschnittliche Scheidungsalter bei Männern bei 46 und bei Frauen bei 43 Jahren.

Aber die neue Tendenz, an der Ehe festzuhalten, wird nicht verstärkt durch mehr Heiraten. Zwar liegt die Heiratsrate 2017 nach dem Rekordjahr 2016 weiterhin hoch mit 407.000 Paaren, aber das sind 0,7 Prozent weniger als 2016. Auch die Zahl der Geburten ist wieder rückläufig und sank gegenüber 2016 um 0,9 Prozent. 2016 gab es nach einem Rückgang ab Mitte der 1990er Jahre bis 2010 höhere Geburtenraten bislang mit dem Rekordjahr 2016. Dagegen erhöhte sich die Zahl der Sterbefälle um 2,4 Prozent und schrumpft die Bevölkerung weiter, weil zunehmend mehr sterben als geboren werden.

Daten aus den USA spiegeln Teile des deutschen Trends, was die Scheidungsrate betrifft. Seit 2013 sinkt sie. Aber seit den 1960er Jahren sinkt auch der Anteil der Verheirateten und steigt der Anteil derjenigen, die nie geheiratet haben. Zwischen 2008 und 2016 ist die Zahl der Scheidungen in den USA deutlich um 18 Prozent gesunken. Das ist keine normale Schwankung, sondern ein Trend, der einen Grund haben muss.

Nach einer Analyse des Soziologen Philip Cohen von der University of Maryland zeigt sich, dass zwar weniger geheiratet wird, aber die Ehen stabiler werden. Das sei erstaunlich, merkt er an, da doch Scheidungen gesellschaftlich in den letzten Jahrzehnten weitgehend toleriert und vor- und außereheliche Beziehungen eher instabiler werden. Dass die Scheidungsrate fällt, ist vor allem auf jüngere Frauen unter 45 Jahren zurückzuführen, während bei den älteren Frauen die Scheidungsrate weiter ansteigt ("very divorce-prone, multi-marrying, multi-divorcing Baby Boomers"). Cohen geht daher davon aus, dass auch in Zukunft die Scheidungsrate weiter fällt, wenn die Frauen älter werden.

Auch in den USA steigt das Heiratsalter an, auch wenn mit durchschnittlich 24,2 Jahren (2008: 22,9 Jahren) weiter recht jung geheiratet wird. Das durchschnittliche Scheidungsalter liegt hingegen mit 52,3 Jahren (2008: 49,9) höher als in Deutschland. Nach Cohen haben sich auch die Bedingungen bei der Heirat in dem letzten Jahrzehnt geändert, was mit der sinkenden Scheidungsrate zu tun haben dürfte. Das Risikoprofil der jüngeren Frauen soll nämlich höhere Schutzfaktoren vor der Scheidung enthalten, weswegen er auch erwartet, dass der Trend im Gegensatz zu der jetzigen Generation der Über-60-Jährigen anhält, auch wenn die Ehepaare älter werden. Neu verheiratete Frauen sind zunehmend erstmals verheiratet und haben einen Bachelor-Abschluss oder höher. Die Zahl der Unter-25-Jährigen fällt und sie bringen auch weniger eigene Kinder mit in die Ehe. Wenn in höherem Alter geheiratet wird, sind die Ehen auch meist ökonomisch abgesicherter.

Verstärkung der sozialen Ungleichheit

Cohen sieht einen der Gründe für den Rückgang der Scheidungsrate darin, "dass die verheiratete Bevölkerung älter wird und eine höhere Ausbildung besitzt". Die Zahl der Eheschließungen geht seit den 1960er Jahren zurück, wer dies macht, bleibt aber eher zusammen: "Die Ehe wird mehr und mehr zu einem Statuserfolg und ist nicht mehr etwas, was Menschen unabhängig davon machen, wie es ihnen geht."

So würden ärmere Menschen und solche mit niedrigerer Ausbildung dahin tendieren, gar nicht mehr zu heiraten. Sie leben zusammen und haben Kinder, aber bleiben auch in instabileren Beziehungen (Sinkende Einkommensunterschiede setzen Männer unter Druck). Mit dem Trend würde sich die soziale Ungleichheit in den USA weiter verstärken. Die Ehe hält länger, sei aber eine exklusivere Institution, sie werde zu einem "zentralen Element der Struktur der sozialen Ungleichheit".