Selbstbedienung der Besserverdienenden

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist durch, die Probleme bleiben

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Die Bundesregierung ist am 18. Dezember um eine Schlappe im Bundesrat herumgekommen. In der Länderkammer verhalfen die schwarz-gelb regierten Länder dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zur Mehrheit.

Dieses Ergebnis war keine Überraschung mehr. Denn schon einen Tag vor der Abstimmung hatten Schleswig-Holstein und Sachsen, die lange als Wackelkandidaten galten, ihre Zustimmung angekündigt. Wäre das Paket abgelehnt worden, hätte der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden müssen und das Gesetz hätte nicht, wie vorgesehen, am 1. Januar 2010 in Kraft treten können. Entscheidender aber wäre der Gesichtsverlust der Bundesregierung gewesen, wenn sie es nicht vermocht hätte, die schwarz-gelb regierten Bundesländer zur Zustimmung zu bewegen.

Sind die Zusagen eine Mogelpackung?

Nach der Abstimmung wird nun die Diskussion darüber, wer der Gewinner und Verlierer im Steuerstreit sind, weitergehen. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, kritisierte die vormals renitenten schwarz-gelben Bundesländer als Umfaller. Als sozialdemokratischer Oppositionspolitiker hätte er sich eine Einschaltung des Vermittlungsausschusses gewünscht. Doch auch unabhängige Kommentatoren sehen vor allem Peter Harry Carstensen als Verlierer.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hat zunächst den Mund sehr voll genommen und sich dann mit Absichtserklärungen abspeisen lassen. So blieb es auch beim Bildungsgipfel am 16.Dezember bei vagen Zusagen. So kündigte Merkel an, der Bund wolle sich stärker an der Finanzierung der Bildung beteiligen. Doch nicht nur die Grünen aus Sachsen sprechen hier von einer "Mogelpackung":

Auf dem Dresdner Bildungsgipfel war vor einem Jahr noch von 60 Milliarden Euro die Rede. Jetzt wurde das gesamte Volumen auf 13 Milliarden bis 2015 kurz und klein gerechnet.

Diese Kritik kommt auch von Studierenden und Bildungsexperten. Sie monieren, das bereits zugesagte, danach wieder zurückgenommene, Finanzspritzen im Bildungsbereich jetzt als Hilfe für die Länder ausgegeben werden. Auch bei der von den renitenten Landespolitikern geforderten Umverteilung der Mehrwertsteuer auf die Länder gab es von Seiten des Bundes nur Absichtserklärungen. Im nächsten Jahr soll weiterverhandelt werden.

Probleme bleiben

Doch selbst wenn die Bundesregierung jetzt eine Abstimmung gewonnen hat, werden die Probleme bleiben. Sie muss eine Wirtschaftspolitik verteidigen, die mittlerweile längst nicht nur von der Opposition und den Gewerkschaften sondern auch vom Bundesrechnungshof, wirtschaftsnahen Instituten und Medien heftig kritisiert wird.

So kritisierte die wirtschaftsnahe FAZ das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung mit deutlichen Worten:

Da Wirtschaftspolitik zu einem guten Stück Psychologie ist, sollte man diese punktuellen Änderungen nicht unterschätzen. Sie sind geboten. Aber genau aus diesem Grund ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz als Ganzes fatal: Viele Menschen im Land sind wegen der stark wachsenden Staatsverschuldung verunsichert. Das ist keine gute Basis für den Aufschwung, auf den alle warten.

Tollkühne Wirtschaftspolitik

Der FAZ-Kommentator nennt die Pläne der Bundesregierung tollkühn. Diese scheine das Wirtschaftswachstum erzwingen zu wollen und darauf zu hoffen, dass dann die Einnahmen wieder steigen werden. Doch selbst die Marktradikalen in der FAZ zweifeln schon diese Grundannahme an und sind damit auch ihren Kreisen in guter Gesellschaft.

Nur ausgerechnet die Landespolitiker, die wochenlang scheinbar hinhaltenden Widerstand gegen die Steuerpläne geleistet haben, gehörten nicht dazu.

„Steuersenkungen sind ein Konjunkturprogramm. Die Menschen haben mehr Geld in der Tasche und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was sie damit anfangen. Die Steuern und Abgaben sind grundsätzlich zu hoch in Deutschland. Wir wollen einen Teil von dem, was der Staat den Bürgern nimmt, wieder zurückgeben“, erklärte der Schleswig-Holsteinische FDP-Landesvorsitzende Jürgen Koppelin. Er machte damit deutlich, dass der scheinbare Widerstand vor allem dazu diente, für sein finanzschwaches Land möglichst gute Konditionen herauszuholen.

Inhaltlich hat er keinerlei Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Das galt auch für die Landespolitiker aus Sachsen, Niedersachsen und dem Saarland. Die Bundesländer traten hier wie Tarifpartner auf, die sich möglichst wortradikal geben. Das gehört zur Verhandlungsmacht. Die Medien haben dieses Spiel über Wochen bedient, in dem sie die Entschlossenheit der Länder, das Gesetz scheitern zu lassen, betonten. Selbst der Rücktritt der Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein wurde in die Diskussion gebracht.

Selbst der schon zitierte FAZ-Kommentator beginnt seinen Verriss der Regierungssteuerpläne mit dem Satz: „Nun fällt zusammen, was nicht zusammenpasst“. Als der Kommentar gedruckt wurde, war der Streit schon beigelegt. Der Bundesregierung können solche Pressemeldungen nur recht sein. Je mehr ihr im Bundesrat eine Niederlage prophezeit wurde, desto mehr kann sie sich dafür feiern lassen, dass sie sich nun doch durchgesetzt hat.

Umverteilung von Unten nach oben

Bei der ständigen Beschäftigung mit dem oft vorgeschobenen Bund-Länder-Streit wird ausgeblendet, wer die Verlierer bei der geplanten Steuerreform sind. Wo die Besserverdienenden entlastet werden, muss bei den Sozialausgaben gespart werden. Der Politologe Georg Fülberth spricht von einer Fortsetzung der Umverteilung von Unten nach Oben.

Als 2008 die Öffentliche Hand Zockergewinne sicherte, indem sie Verluste auffing, schuf sie die Voraussetzungen dafür, dass die Schwächeren in Zukunft dafür würden zahlen müssen. Jetzt – 2009/2010 – wird damit weitergemacht.

Die politischen Voraussetzungen dafür, dass diese Politik sogar noch verstärkt fortgesetzt werden kann, sind mit der Schuldenbremse, die ab 2011 greifen soll, geschaffen worden. Die psychologische Begleitmusik für weitere Einsparprogramme könnte die wachsende Angst vor der Staatsverschuldung sein. Auch hierfür hat die Bundesregierung die Grundlagen geschaffen, unter Anderem durch das nun beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz.