Show must go on: Heile Agrar-Welt auf der Grünen Woche

Seite 2: Greenpeace-Umfrage: Null-Prozent-Steuer für Obst und Gemüse

Bei der Eröffnung der Agrarmesse bekräftigte Cem Özdemir nochmal sein vor Kurzem angekündigtes Vorhaben, die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf Null zu setzen. Denn, so seine Begründung, dies wäre nicht nur ein wichtiges Signal für ein Essen, mit dem man gesund alt werden kann. Es wäre auch ein klares Bekenntnis zu einem Wandel in Land- und Ernährungswirtschaft, die dem Schutz von Natur und Klima dient.

Bereits während der Koalitionsverhandlungen forderte Greenpeace gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) und dem Sozialverband VdK die Ampelkoalition auf, gesunde und klimafreundliche Lebensmittel für alle bezahlbar zu machen. Nun zog Agrarminister Özdemir zu Beginn des Jahres 2023 nach.

72 Prozent der Bundesbürger sind dafür, dass Özdemir vorrangig niedrigere Mehrwertsteuersätze durchsetzt – so lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Greenpeace. Zwei Drittel der Befragten wollen, dass klimafreundliche pflanzliche Lebensmittel ganz von der Mehrwertsteuer befreit werden. Bei den Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro monatlich war die Zustimmung mit 84 Prozent sogar noch größer.

Mit gezielten Steuerbefreiungen können Menschen dazu motiviert werden, mehr klimaverträgliche Lebensmittel zu kaufen. Denn alle Menschen haben unabhängig vom Einkommen ein Recht auf gesunde Lebensmittel aus nachhaltiger Erzeugung. Eine Mehrwertsteuer von Null Prozent auf Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Milchersatzprodukte könne dazu maßgeblich beitragen.

Gesunde, pflanzliche Lebensmittel von der Mehrwertsteuer zu befreien, würde die Verbraucher finanziell entlasten. Gegenfinanzieren ließe sich die Maßnahme, indem die Subventionierung von Fleisch gestrichen würde. Özdemir will tierische Erzeugnisse wie Fleisch oder Milch weiterhin wie bisher mit sieben Prozent besteuern.

Allerdings treibt die gegenwärtige Inflation die Preise für Lebensmittel hoch. Obst, Gemüse, Nüsse – alles wird teurer. Das macht es für viele Menschen schwerer, auf eine gesunde Ernährung umzustellen. Andererseits könnte mit einer erhöhten Besteuerung von Fleisch dessen Konsum gesenkt werden. Würden weniger tierischer Produkte konsumiert, verringert sich auch die Zahl der Nutztiere. Dies wiederum dient dem Klima- und Artenschutz.

Der Bauernverband hingegen kritisiert die Pläne, unterschiedliche Steuersätze auf Lebensmittel zu vergeben. Bauernpräsident Joachim Rukwied fordert einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz, der gern niedriger sein dürfe als die aktuellen Sätze. Es dürfe jedoch nicht sein, dass sich nur noch Verbraucher mit höheren Einkommen Fleisch leisten könnten.

Gesundheit und Klima zuliebe – für eine Ernährungswende jetzt!

Nun muss es die Bundesregierung nur noch umsetzen, das heißt, Finanzminister Christian Lindner muss davon überzeugt werden. Die rechtlichen Grundlagen sind gelegt: Bereits im Oktober 2021 beschloss das EU-Parlament mit großer Mehrheit, die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel abzuschaffen. In einem Offenen Brief fordert auch Greenpeace den Finanzminister auf, Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Auf diese Weise werde ganz ohne Zwang eine Änderung von Konsumgewohnheiten gefördert, die zugleich das Klima schützt, erklärt Matthias Lambrecht, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. Doch dies wäre nur ein Baustein, um allen Menschen den Zugang zu gesunden und umwelt- und klimaverträglich erzeugten Lebensmitteln zu sichern, räumt er ein.

Der Fleischkonsum ging in den vergangenen Jahren stetig zurück – von durchschnittlich 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr auf 55. Eine erfreuliche Entwicklung. Doch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät, nicht mehr als 30 Kilo im Jahr zu essen. Denn wer zu viel Fleisch konsumiert, erhöht das Risiko, an Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie Krebs und Diabetes zu erkranken.

Zudem erhöht die Fleischproduktion die Nitratwerte im Grundwasser und verschärft die Klimakrise. Laut Greenpeace verursacht die Herstellung von Fleisch- und Milchprodukten in Deutschland Umwelt- und Klimaschäden in Höhe von rund sechs Milliarden Euro im Jahr – etwa durch die Belastung von Böden und Gewässern oder Klimakatastrophen infolge der hohen Emissionen.

Zudem ermöglicht die Massentierhaltung billiges Fleisch auf Kosten des Tierwohls. Die von der Regierung selbstgesteckten Klimaziele in der Landwirtschaft sind nur zu schaffen, wenn die Zahl der Nutztiere deutlich reduziert und die Ernährung gleichzeitig entsprechend angepasst wird.