Showdown Iran-USA: Ein Theaterzauber?
Trump war nach dem iranischen Raketenangriff sichtlich gut gestimmt. War er abgestimmt und warum wurde keine der Raketen von den Amerikanern abgefangen?
Viele werden noch immer erstaunt sein, wie schnell sich der Konflikt zwischen Iran und den USA, den manche schon als Beginn eines direkten Krieges handelten, in Luft aufgelöst hat. Zurückbleiben die Leichen des iranischen Generals Soleimani und seiner Begleiter und einige Schäden auf zwei US-Stützpunkten, die von als Rache abgeschossenen Raketen verursacht wurden. Nach den Beerdigungszeremonien, an denen Millionen erregte Iraner teilnahmen, wurde ein Gegenschlag befürchtet, der eine erneute Reaktion provozieren könnte.
Aber nach der Bombardierung des Luftwaffenstützpunkts Al-Asad und eines weiteren bei Erbil schien Donald Trump ganz erleichtert und beschwingt zu sein. In einem für seinen Stil ungewöhnlichen Tweet schrieb er: "Alles ist gut" und kündigte eine Erklärung an. In der Erklärung, die Trump offenbar ohne Abweichungen ablas, drohte er dem Iran zwar weitere Sanktionen an, aber keine weiteren militärischen Aktionen (Trump: Nato soll sich sehr viel stärker im Nahen Osten engagieren).
Man habe zwar die besten Waffen und die stärkste Streitmacht, aber man wolle sie nicht gebrauchen. Versöhnlich sagte er am Ende sogar nicht nur zum iranischen Volk, sondern auch zur iranischen Führung: "Wir wollen, dass Sie eine Zukunft und eine große Zukunft haben, eine, die Sie verdienen, des Wohlstands Zuhause und der Harmonie mit den Nationen der Welt. Die USA sind bereit, Frieden mit allen zu schließen, die ihn suchen."
Was ist da los, könnte man sich fragen, auch wenn sich bestätigt, dass Trump tatsächlich gerne mit den angeblich besten Waffen droht, aber bislang nur militärische Nadelstiche setzt wie in Syrien nach dem angeblichen Giftgasangriff in Khan Scheichun, der Ermordung von al-Baghdadi und jetzt von Soleimani. Mit dessen "gezielter Tötung", vor der angeblich Barack Obama zurückschreckte, wollte Trump wohl vor allem demonstrieren, dass er trotz Wahlkampf und Impeachment nicht vor dem Risiko zurückschreckt, militärische Gewalt einzusetzen - vielleicht auch tatsächlich, um ein weiteres Aufschaukeln der Gewaltspirale zu verhindern.
Dabei hatte er noch am 5. Januar eine rote Linie gesetzt, die jetzt nicht gelten soll. "Sie griffen uns an und wir schlugen zurück", schrieb er. "Wenn sie wieder angreifen, was ich ihnen ernstlich nicht raten will, werden wir härter treffen als jemals zuvor." Er konkretisierte: "Wenn die Iraner einen amerikanischen Stützpunkt oder einen Amerikaner angreifen, werden wir ohne Zögern einige dieser ganz neuen und hübschen Waffen in ihre Richtung schicken."
Rhetorik und Deeskalation
Ebenso erstaunlich waren die Meldungen aus dem Iran. Ajatollah Ali Khamenei, der auch oberster Befehlshaber ist, hatte bereits einen militärischen Schlag als Rache angekündigt und von iranischem Territorium aus erfolgte Bombardierung als demütigende Ohrfeige bezeichnet, aber dann auch nur gefordert, dass die USA die Region verlassen müssen - irgendwann. Außenminister Mohammed Javad Zarif rechtfertigte die Angriffe mit dem Recht auf Selbstverteidigung, erklärte aber, dass damit auch die Rache beendet sei und der Rückzug der USA auf diplomatischen Wege erfolgen könne. Zwar wurde verbreitet, dass die Raketen 80 US-Soldaten getötet hätten, wahrscheinlich um die Gemüter zu beruhigen. Militärs kündigten weiter Entschlossenheit an.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der ganze Vorgang, nur gestört durch Absturz der ukrainischen Passagiermaschine (oder passt das auch hinein?), ein abgekartetes Spiel gewesen sein könnte, um einen Showdown zu inszenieren, der beiden Parteien die Chance gibt, das Gesicht zu wahren, während sich im Hintergrund Verschiebungen anbahnen. Die USA unter Trump wollen sich ja auch wirklich aus der Region zurückziehen und unter Beteiligung von China ein neues Atomabkommen mit Iran schließen, Iran, Saudi-Arabien und die übrigen Golfstaaten wollen den Konflikt eindämmen und sich einander annähern, auch um für Jemen und Syrien eine Lösung zu finden, die Türkei und vor allem Russland versuchen ihre geopolitischen Fäden zu spinnen. Keinem der Regionalstaaten ist daran gelegen, dass ein offener militärischer Konflikt ausbricht.
War möglicherweise der Mordanschlag auf Soleimani schon mit Teilen der iranischen Führung abgesprochen, denen der mächtige Mann an der Spitze der al-Quds-Brigaden, der die außenpolitischen und militärischen Fäden im Ausland in den Händen hatte, zu einflussreich wurde? War die iranische Politik, die er im Irak betrieb, mit der langen Protestwelle, die sich auch gegen den iranischen Einfluss wehrte, an sein Ende gekommen? Stand er der Führung im Weg, die gerade erst Aufstände niederschlagen ließ und wegen der Sanktionsfolgen unter hohem Druck steht? Trump hatte kurz nach dem Mordanschlag angedeutet: "Während der Iran das niemals wirklich zugeben kann, war Soleimani im Land gehasst und gefürchtet. Sie sind bei weitem nicht so traurig, wie die Führer die Außenwelt glauben lassen wollen."
Propaganda und Gesichtswahrung
Wie auch immer welche Kommunikationspläne zwischen den USA und Iran bestanden haben oder bestehen, so scheint nachträglich klar zu sein, dass das amerikanische Militär - und auch die Bundeswehrsoldaten - rechtzeitig vor den Angriffen direkt oder über den Umweg der irakischen Regierung gewarnt wurden, um die Soldaten und wichtiges Gerät auf den Stützpunkten in Sicherheit zu bringen. Das war ein abgekartetes Spiel. Möglicherweise war die Warnung schon frühzeit erfolgt. Darauf könnte der ominöse Brief über Truppenverlegungen und einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak von Brigadegeneral William Seely hindeuten. Wurde der Stützpunkt al-Asad im Vorfeld des Raketenbeschusses weitgehend geräumt?
Die Frage ist, ob das amerikanische Militär nach Verteidigungsminister Mark Esper die von drei Orten im Iran abgeschossenen 16 Raketen nicht mit der Raketenabwehr abfangen konnten oder dies nicht wollten. Trump sprach von einem "ominösen Frühwarnsystem". Im Iran brüstete man sich, dass keine Raketen abgeschossen wurden - wie im September, als die iranischen Raketen und Drohnen Aramco-Ölanlagen mit hoher Präzision treffen konnten, ohne von den Patriot-Systemen erkannt und abgefangen zu werden.
Nach Esper soll auf dem Stützpunkt in Erbil nur eine Rakete eingeschlagen, in al-Asad sollen es 11 gewesen sein, womit vier ihr Ziel verfehlt haben müssten. Die in al-Asad eingesetzten Fateh-Raketen mit einer Reichweite von 300 km waren damit alle erfolgreich, während 4 der 5 Qiam-Raketen, die eine Reichweite von 800 km haben, im Flug nicht steuerbar sind und eine geringe Genauigkeit besitzen, scheiterten.
Über die Zielgenauigkeit, die zumindest bei al-Ansad durch Satellitenbilder belegt ist, wollte sich Esper nicht näher äußern. Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff General Mark Milley behauptete, dass die Raketen Schaden verursachen und Soldaten töten sollten, sie also nicht bewusst so gezielt waren, dass genau dies vermieden wird, wie weitgehend angenommen wird. Esper streitet auch eine Vorwarnung ab. Die Warnsysteme seien aktiviert gewesen und hätten rechtzeitig gewarnt. Näheres wollte er nicht sagen. Im Pentagon bestreitet man also jede Verabredung oder Warnung, was es dann aber seltsam macht, dass die Raketenabwehr nicht zumindest versucht hat, die Raketen abzuschießen.
Nach einer Version der New York Times wäre die Warnung durch US-Geheimdienste Stunden vor dem Angriff erfolgt. Woher diese die Informationen hatten, berichtet die NYT nicht. Es heißt aber, dass der größte US-Luftwaffenstützpunkt im Irak nicht von Patriot-Raketenabwehrsystemen geschützt sei, die seien an andere Orte in der Region verlegt worden. Der Stützpunkt sei, obgleich Tage vorher der Mordanschlag geschehen war, relativ ungeschützt gewesen, weswegen man eine Evakuierung vorbereitet und die Schutzvorkehrungen verstärkt habe.
Wieder das US-Luft- und Raketenabwehrsystem ausgehebelt?
Von der Luftwaffe der Revolutionären Garden kommen natürlich andere Informationen. Auch gestern behauptete Brigadegeneral Amir Ali Hajizadeh , der Kommandeur der Luftwaffe, dass Dutzende von amerikanischen Soldaten getötet worden seien. Das scheint wichtig zu sein, um die Ehre zu retten. Er sprach davon, dass 13 Raketen abgefeuert worden, man könne aber auch bei einem Konflikt in den ersten Stunden hunderte und in Tagen tausende Raketen abfeuern. Das Blut der iranischen Märtyrer sei wertvoll und könne nicht durch den Beschuss von Stützpunkten, dem Abschießen von Flugzeugen oder sogar der Tötung von Donald Trump kompensiert werden. Die Amerikaner müssten ganz aus der Region verschwinden.
Interessanter ist, dass behauptet wird, dass die Radarsysteme und Raketenabwehrsysteme von al-Asad nicht funktioniert hätten oder dass die Radarsysteme durch elektronische Kriegsführung lahmgelegt worden seien. Herausgestrichen wird, dass keine der Raketen abgefangen worden sei.
Man sollte nach den vorliegenden Informationen annehmen, dass die Amerikaner - wahrscheinlich durch die Iraner selbst oder indirekt über die irakische Regierung - vorgewarnt waren. Unklar bleibt, warum die Raketen nicht abgewehrt wurden. Vermuten ließe sich aber auch, dass wie bei den Angriffen auf die Aramco-Ölanlagen, die Radar- und Raketenabwehrsysteme wieder ausgetrickst worden sein könnten. Selbst wenn kein Patriot-System vorhanden war, dürfte der al-Asad-Stützpunkt nicht völlig ungeschützt gewesen sein. Und man muss trotz der Pentagon-Aussagen davon ausgehen, was auch unabhängige Experten sagen, dass der Iran seine Fateh-Raketen auf al-Asad so ausgerichtet hatte, möglichst wenig Schaden anzurichten, um keinen massiven Gegenschlag herauszufordern. Offenbar wurde sogar angestrebt, keine Flugzeuge zu beschädigen. Aber vieles wird hier im Dunklen bleiben.