Showdown vor dem Krankenhaus?
Trotz aller politischen Bemühungen haben die Gerichte von Florida im aufgeheizten Fall der Koma-Patientin Terry Schiavo am "Recht auf Sterben" festgehalten - Gouverneur Jeb Bush hatte angeblich sogar einen Konflikt zwischen Polizisten des Landes und der Kommune riskiert
In den USA, manchmal auch schon als "Gottesstaat des Westens" bezeichnet, wird zwar die Todesstrafe ausgeführt und dürfen Angriffskriege geführt werden, bei denen durchaus Unschuldige ihr Leben lassen, während andere misshandelt und gefoltert werden. Gleichzeitig aber soll das Leben heilig sein und ist man deswegen gegen Abtreibung und für Jungfräulichkeit vor der Ehe, aber auch für Natürlichkeit und daher etwa gegen das Klonen, obwohl man wiederum die Evolutionstheorie ablehnt und den Menschen lieber als geplantes Produkt Gottes betrachtet. Und ausgerechnet zu Ostern kulminierte die seit vielen Jahren schwelende Auseinandersetzung um Euthanasie oder, besser formuliert, um das Recht auf Leben oder auf den Tod.
Der Fall der Komapatientin Terri Schiavo scheint die Nation und die Medien zu erregen und in Bann zu schlagen. Während die einen ihr Leben retten wollen, suchen die anderen den schon seit 15 Jahren und über zahlreiche Gerichtsurteile sich hinschleppenden Zustand der Frau, die im Wachkoma liegt und daraus nicht mehr erwachen wird, zu beenden. Schiavo ist wohl vor allem deshalb zu einem derart umstrittenen Fall geworden, weil sie manchmal Laute von sich gibt oder Augen- und Mundbewegungen macht, die so erscheinen, also würde sie auf die Außenwelt reagieren. Ausgiebig werden die entsprechenden Bilder denn auch in den Medien vorgeführt. Nach Auskunft der meisten Ärzte sind diese aber nur Reflexe der Frau, deren Gehirn zum Großteil bereits tot ist.
Überdies muss die heute 41-Jährige nur künstlich ernährt werden, für die anderen Lebensfunktionen hängt sie nicht an Maschinen. Das am 18. März vom Gericht erwirkte Einstellen der künstlichen Ernährung wurde heute erneut von einem Bezirksgericht in Florida bestätigt und damit der angeblich letzte Dringlichkeitsantrag der Eltern zurückgewiesen.
Ohne künstliche Ernährung verdurstet und verhungert Terry Schiavo langsam. Das sieht nach großen Qualen oder gar, je nach Perspektive, nach Mord aus. Umstritten ist denn auch, ob Terry Schiavo Schmerzen empfindet. Komplizierend kommt für Manche hinzu, dass der Ehemann der Frau eine Freundin hat, aber versichert, Terry habe ihm vor der Erkrankung gesagt, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen erhalten will. Die Eltern, die für ihr Weiterleben kämpften, sagen das Gegenteil. Angeblich wollen sie nun keinen Einspruch mehr einlegen. Für den letzten, heute zurückgewiesenen Dringlichkeitsantrag hatten die Anwälte der Eltern behauptet, Terry Schiavo habe vor dem Entfernen des Schlauchs für die künstliche Ernährung noch zu sagen versucht: "I want to live":
She managed to articulate the first two vowel syllables, first articulating `AHHHHH' and then virtually screaming 'WAAAAAAA.' She became very agitated but could not complete the vocalization attempted.
Ärzte sagen, dass ein solches Stöhnen für Koma-Patienten nicht ungewöhnlich ist. Dem schloss sich auch der Richter an und erklärte, dass alle glaubwürdigen medizinischen Beweise, die dem Gericht vorliegen, belegen, dass Terry Schiavos Verhalten nicht darauf hinweist, dass sie noch bei Bewusstsein wäre. Die Äußerungen seien unwillkürlich.
Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung steht in Frage
Jeb Bush, der Bruder des Präsidenten, ist schon seit geraumer Zeit in den Fall verwickelt und trat, um die Stimmen der Konservativen zu gewinnen, für das Weiterleben ein. Auch George Bush hat sich vor kurzem deutlich auf diese Seite geschlagen und in aller Eile ein Gesetz durchgeboxt, das es den Eltern noch einmal erlaubt, gegen die Entscheidung des Gerichts in Florida Berufung einzulegen, nachdem die Bundesgerichte erklärt hatten, dafür nicht zuständig zu sein und damit das Urteil bindend ist.
Damit hat sich George Bush nicht nur über die Unabhängigkeit der Rechtsprechung hinweggesetzt, sondern sich auch in Widerspruch zu einem von ihm als Gouverneur in Texas unterzeichneten Gesetz begeben. Nach dem 1999 in Kraft getretenen Gesetz wurde den Angehörigen stellvertretend die Möglichkeit gegeben, über die Anwendung lebenserhaltender Maßnahmen zu entscheiden. Der nächste Angehörige ist im Fall Schiavo der Ehemann. Nach dem texanischen Gesetz können auch Ärzte in Übereinstimmung mit einem Bioethik-Komitee die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen, wenn der Zustand des Patienten als hoffnungslos gilt. Just letzte Woche wurde in Texas aufgrund dieses Gesetzes ein Kind in Houston von der künstlichen Beatmung getrennt, obwohl die Mutter dagegen war.
Am Freitag hatte, wie jetzt bekannt wurde, der Konflikt einen neuen Höhepunkt erfahren. Gouverneur Bush hat kurz nach einem Gerichtsurteil, das eine Verlegung der Patientin untersagte und die vorhergehenden Urteile bestätigte, Polizisten des ihm unterstehenden Florida Department of Law Enforcement zum Krankenhaus in Pinellas Park geschickt, um Terry Schiavo mitzunehmen und mit künstlicher Ernährung zu versorgen. Man wollte ein wenig bekanntes Gesetz von Florida zur Umgehung des Urteils ausnutzen, nachdem ein Gerichtsurteil "eingefroren" werden, wenn eine Regierungsbehörde einem Einspruch erhoben hat. Der Richter hatte den Einspruch erst drei Stunden später erhalten und sein Urteil wieder bestätigt. Offenbar sollte dieses rechtliche Fenster ausgenutzt werden, um Schiavo aus dem Krankenhaus zu holen und damit eine neue Situation zu schaffen. Aufgehalten wurden die von Buch beauftragten Sicherheitskräfte aber von lokalen Polizisten, die das von Demonstranten belagerte Krankenhaus bewachten und erklärten, dass sie die Rechtsprechung des Gerichts durchsetzen würden.
Angeblich hätte sich die Polizei von Pinellas Park kurzzeitig bereits auf einen "Showdown" eingestellt, aber zu einem Kampf zwischen verschiedenen Polizeibehörden wollte es Bush offenbar doch nicht kommen lassen, der kurz zuvor noch gesagt hatte, er habe nicht so viel Macht, wie Manche glauben würden. Der Miami Herald versichert, dass der Vorfall von mehreren Quellen bestätigt wurde. Der Sprecher von Jeb Bush sucht den Konflikt zumindest herunterzuspielen:
There was no showdown. We were ready to go. We didn't want to break the law. There was a process in place and we were following the process. The judge had an order and we were following the order.