Shutdown Day
Am Samstag sollen alle Computer ruhen
Die Initiatoren des Shutdown Day bezeichnen ihre Aktion ohne überflüssige Bescheidenheit als "one of the biggest global experiments ever to take place on the internet" und wollen damit angeblich herausfinden, wie viele Leute es schaffen, einen Tag lang ohne Computer auszukommen.
"Can you survive for 24 hours without your computer?", fragen sie auf ihrer Website. Über 50.000 klickten bis Mittwoch "I can"; etwa 8.000 gaben an, nicht überleben zu können. Hängen die Teilnehmer an komplexen Herz-Lungen-Maschinen? Droht der Selbstmord aus Langeweile? Oder wird die Entlassung und das anschließende Erfrieren auf der Straße in der Antwort bereits antizipiert? Letzteres scheint die Erklärung mit dem höchsten Realitätsbezug. Tatsächlich können immer weniger Menschen über das An- und Abschalten ihrer Computer selbständig entscheiden, weil das der Arbeits- oder Auftraggeber für sie übernimmt - direkt oder indirekt, etwa durch Termindruck.
Doch die meisten der Teilnehmer an der Umfrage meinen das Überleben wohl weniger eigentlich als uneigentlich und fragen sich: welche Restaktivitäten sind ohne Computer noch denkbar und möglich? Die längst überfällige Steuererklärung? Seit es Taxbird und libgeier gibt, akzeptiert das Finanzamt das auch bei GNU/Linux-Nutzern nicht mehr. Eine Staffel 24 ansehen und sich daran erfreuen wie Jack Bauer Terroristen foltert? Vielleicht - aber ist das Ansehen auf dem Standalone-Player tatsächlich so verschieden vom Ansehen auf dem PC?
Auf der Shutdown Day Website posten Benutzer aus aller Welt ihre Pläne für den Tag ohne Computer. "Majdalenka" etwa will ihre Eltern besuchen - eine Alternative, die viele potentielle Boykotteure wieder abschrecken dürfte. "Gulliver" dagegen kündigt an: "I have played airsoft and speaked my verry good friend's" - vielleicht sollte er doch lieber etwas englische Grammatik üben, anstatt draußen zu spielen, so wie Eric, der meint: "I'm going to study TOEFL and the other things that i should do on that day." "Bert" dagegen kündigt wagemutig an: "Perhaps i'll TALK to my girlfriend?" - solche Experimente können böse ins Auge gehen.
Weniger riskant klingt da die Ankündigung von Tom aus Erfurt: "Ich werde lesen, Musik hören, basteln, und mehr Zeit mit der Familie verbringen" - da gab's auch schon andere Reaktionen, als junge Männer in der Thüringer Landeshauptstadt ihren Computer ausschalteten. Nicht ganz so beruhigend ist in dieser Hinsicht die Ankündigung von "Irmi Meister" aus Linz, die von "mind 4 Stunden Kampfsporttraining außer Landes" spricht.
Interessant ist, dass die Kommentare nach Ländern und Sprachen gegliedert werden können. Das wollte man doch immer schon mal wissen, was jemand in Afghanistan den ganzen Tag ohne Computer macht. Und wer hätte gedacht dass in Afghanistan so viel deutsch gesprochen wird? Wenig überraschend dagegen der Kommentar von "Young ju" aus Nordkorea: "i'can do it." "Mustafa" aus dem Irak vermutet indessen "till that date the americans will have have shot all da things, so we haven't got electricity. or even worse: I'm dead", während "Nigerian" aus Lagos seine Mails offenbar schon ein paar Tage vorher verschickt und am Samstag auf den Rücklauf wartet: "It will be great to see how the results turn up." Jede Woche einen Shutdown Day haben übrigens sehr orthodoxe Juden: Für sie fällt das Anschalten des Computers unter das Verbot des "Feuermachens" am Sabbath.
Damit Dauernutzer in kein "Loch" fallen, wenn sie den Computer ausmachen, geben Websites wie der Creativity Club Tipps, wie man den Shutdown Day überlebt: etwa durch Gewichtheben mit der Maus und durch nikotinpflasterartige Bildschirm-Ausdrucke, die man sich auf den Unterarm klebt. Auch auf einer Menge Videos auf YouTube finden sich wertvolle Hinweise was man mit seinem Laptop am Shutdown Day alles anfangen - wenn genug Schnee liegt:
Die nächstliegende Lösung dürfte für die meisten Menschen jedoch das Nachholen von Schlaf sein. "Schlaf ist der neue Sex" brachte es 2006 die Kuratorin einer Ausstellung in Salzburg über "Schlafkunst" auf den Punkt - ein tabuisiertes Vergnügen, von dem man im 21. Jahrhundert potentiell immer zu wenig hat