Siebenbürger Sachse wird rumänischer Staatspräsident

Wähler-Warteschlange vor dem Münchner Rumänienhaus. Alle Fotos: Peter Riedlberger.

Umstrittener Sozialdemokrat Victor Ponta verliert Stichwahl

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Im gestrigen zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl wählten die Rumänen dem vorläufigen Ergebnis nach mit 55,79 Prozent der abgegebenen Stimmen den Volksdeutschen Klaus Johannis von der liberalen PNL zu ihrem neuen Präsidenten. Sein Stichwahlgegner, der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta kam auf einen Stimmenanteil von 44,2 Prozent.

Im ersten Wahlgang war der Sozialdemokrat Ponta auf 40,33 Prozent der Stimmen gekommen. Johannis hatte nur 30,44 Prozent erreicht. Dritter wurde mit 5,36 Prozent Călin Popescu-Tăriceanu, ein weiterer PNL-Politiker, der als unabhängiger Kandidat antrat. Auf den vierten Platz landete mit 5,2 Prozent Elena Udrea von der PNL-Abspaltung PDL, auf den fünften die als Unabhängige angetretene PDL-Politikerin Monica Macovei (für die 4,44 Prozent stimmten), auf den sechsten der Fernsehmoderator Dan Diaconescu (4,03 Prozent), auf dem siebten der Nationalist Corneliu Vadim Tudor von der Großrumänienpartei (3,68 Prozent), auf dem achten Kelemen Hunor von der liberalkonservativen Ungarnpartei RMDSz (3,47 Prozent), auf den neunten Teodor Meleșcanu, der vor zwei Jahren aus der PNL austrat, (1,09 Prozent) und auf dem zehnten Zsolt Szilágyi von der ungarischen Autonomiepartei EMNP (0,56 Prozent).

Rechnet man die Stimmen für den PNL-Kandidaten Johannis, die für die unabhängigen Kandidaten aus PNL und PDL und die für die beiden Ungarnparteien zusammen, dann kommt der Sieg des Herrmannstädter Bürgermeisters weniger überraschend, als er für viele Medien jetzt ist. Dass die Wahlbeteiligung mit 62 Prozent um etwa 10 Prozent über der im ersten Durchgang lag, deutet darauf hin, dass nur wenige Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zuhause blieben, während viele Rumänen die Stichwahl als entscheidendes Ereignis abwarteten.

Zu Johannis Sieg trugen auch die zahlreichen im Ausland arbeitenden Rumänen teil, die mit überwältigender Mehrheit für ihn stimmten und dafür stundenlange Wartezeiten in Kauf nahmen. Für diese Wartezeiten machten sie Ponta verantwortlich, dessen diplomatischer Apparat weniger Wahllokale als früher genehmigt hatte. In Bayern konnten die Rumänen deshalb nicht wie üblich in Nürnberg und München, sondern nur mehr in der Landeshauptstadt abstimmen.

So kam es - wie bereits im ersten Durchgang - in vielen europäischen Städten zu kilometerleterlangen Warteschlangen die teilweise den Charakter von Demonstrationen mit Anti-Ponta-Sprechchören annahmen. Im rumänischen Fernsehen hieß es dazu in einem Ticker-Laufband, die Wahllokale im Ausland seinen "leer".

Ponta stieß aber auch deshalb auf Ablehnung, weil die wissenschaftliche Fachzeitschrift Nature vor zwei Jahren aufdeckte, dass er in seiner juristischen Dissertation auf 85 von insgesamt 307 Seiten größere Textteile abgeschrieben hatte, ohne dies richtig zu kennzeichnen. Als der Nationale Rat für die Überprüfung von akademischen Titeln, Diplomen und Zertifikaten darauf hin offiziell eine Täuschung feststellte, berief Pontas Unterrichtsminister mit einem Eildekret zahlreiche neue Mitglieder in das Gremium, die die alten Entscheider überstimmten.

Im selben Jahr versuchte der Sozialdemokrat den liberalen Staatspräsidenten Traian Băsescu mit dem Vorwurf einer Kompetenzüberschreitung des Amtes zu entheben und verbot dem rumänischen Verfassungsgericht per Eilerlass, diese Amtsenthebung für ungültig zu erklären. Eine Volksabstimmung, die die Entmachtung Băsescus bestätigen sollte, scheiterte jedoch am Quorum.

Ortsssieger im Ersten Wahlgang. Karte: Salvan Lorand. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Trotzdem gab es bei der Präsidentschaftswahl viele Bürger, die für den Mann stimmten, der mit dem Slogan "Stolz darauf, ein Rumäne zu sein" für sich warb. Sieht man sich die geografische Verteilung der Stimmen im Ersten Wahlgang an, dann gibt die Karte mit den Ergebnissen bemerkenswert genau zwei alte Grenzen wieder: Im Rumänien in den Grenzen von 1918 siegte Ponta. Im Westen des Landes, der früher zum Habsburgerreich gehörte, gewann dagegen Johannis in den meisten Ortschaften - und im von 1940 bis 1946 zu Ungarn gehörigen (und nicht sehr dicht besiedelten) Nordsiebenbürgen stimmten die Bürger überwiegend für den ethnischen Ungarn Hunor.

Siebenbürger Sachse wird rumänischer Staatspräsident (3 Bilder)

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