Sig Sauer wird amerikanischer

Das bald ehemalige Sig-Sauer-Werk in Eckernförde. Foto: Mef.ellingen. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der Waffenhersteller schließt seinen Standort in Deutschland und beklagt in diesem Zusammenhang neben deutschen Vorschriften auch eine Benachteiligung wegen seiner "internationalen Ausrichtung"

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1751, vor 269 Jahren, gründete Lorenz Sauer im ethnisch fränkischen und politisch damals gerade kursächsischen Büchsenmacherstädtchen Suhl eine Waffenmanufaktur, deren Namensnachfolgeunternehmen heute mit der P320 die Demnächst-Standardpistole der US-Armee fertigt - allerdings nicht mehr in Deutschland. Dort soll bis Jahresende die letzte verbliebene Sig-Sauer-Produktionsstätte im schleswig-holsteinischen Eckernförde schließen, wo man neben den Serien P210, P220 und P226 X auch P226, P229, SSG 3000 und STR-Gewehre herstellte.

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsstaatssekretär Thilo Rohlfs von der FDP verlautbarte dazu heute, er sei von dieser "ganz bitteren Nachricht für die Region, aber auch für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein insgesamt […] kalt erwischt worden". Die Koalition aus CDU, Grünen und FDP habe ja noch im Februar die amtliche Beschussstelle für Waffen und Böller in Eckernförde steuerkostenintensiv modernisieren lassen, "um ein klares Signal in Richtung Sig Sauer zu setzen". Nun werde diese Einrichtung eventuell ebenfalls geschlossen.

"Standortnachteile"

Sig Sauer begründet die Schließung des deutschen Standorts außer mit dem derzeit anscheinend obligatorischen Verweis auf die Coronakrise mit "Standortnachteilen", welche in Deutschland "für die Zukunft keine wirtschaftliche Produktion von Sport- und Behördenwaffen" erlauben würden. Dabei verweist das Unternehmen auch auf das deutsche Waffenrecht, das "die Nutzung von Sportwaffen immer mehr einschränke".

Darüber hinaus würden "bei der Vergabe von Behördenaufträgen […] sowohl von der deutschen Polizei als auch von der Bundeswehr einige wenige lokale Produzenten bevorzugt" - ein Verweis auf einen Sturmgewehrgroßauftrag der Bundeswehr, bei dem Sig Sauer öffentlich einen seiner Ansicht nach unfair besseren Zugang des Konkurrenten Heckler & Koch zu Testmunition kritisiert hatte. Hintergrund der beklagten Benachteiligung von Sig Sauer ist der Meinung des Unternehmensgeschäftsführer Tim Castagne nach dessen "internationale Ausrichtung".

Drei Länder mit unterschiedlichem Waffen- und Wirtschaftsrecht

Die Sig Sauer GmbH & Co. KG ist Bestandteil einer Holding namens L&O, der auch die amerikanische Sig Sauer Inc. in Newington im US-Bundesstaat New Hampshire und die Swiss Arms im schweizerischen Neuhausen gehören, die in den 1970er Jahren den Namensbestandteil Sig für "Schweizerische Industrie-Gesellschaft" beitrug. Deutschland, die USA und die Schweiz sind drei Länder mit durchaus unterschiedlichen Rechtsordnungen. Vor allem dann, wenn es um Waffen geht.

Diese Unterschiede hatten drei ehemalige deutsche Sig-Sauer-Manager einem inzwischen rechtskräftigen deutschen Strafgerichtsurteil aus dem letzten Jahr nach in außenwirtschafts- und kriegswaffenkontrollgesetzwidriger Weise vernachlässigt, als sie zwischen 2009 und 2011 gut 38.000 Pistolen des Typs SP 2022 absetzten. Den dreien soll nämlich bewusst gewesen sein, dass von insgesamt 50.000 für den US-Markt deklarierten Pistolen dieses Typs tatsächlich nur knapp 12.000 dort verbleiben würden. Abnehmer der Pistolen in Kolumbien waren nicht etwa Drogenbarone, sondern staatliche Stellen - und als Weiterverkäufer fungierte die damalige US-Administration von Barack Obama, dessen Außenministerium vorher mit einer "Endverbleibserklärung" versichert hatte, die SP 2022 würden nicht weiterexportiert.

Nachdem im April ähnliche Vorwürfe hinsichtlich der Lieferung von 50.000 P320 an mexikanische Behörden laut wurden verwies der deutsche Unternehmensteil umgehend darauf, dass man diese Waffe weder hier entwickelt noch eine Serienfertigung dafür aufgebaut habe:

Dagegen hat Sig Sauer USA ihr eigenes Produkt in größeren Stückzahlen gebaut und exportiert es auch streng nach den amerikanischen Exportregeln und Genehmigungen der amerikanischen Regierung. Weder die Sig Sauer Deutschland noch die deutsche Regierung haben hierauf Einfluss, noch das Recht die amerikanischen Aktivitäten zu beeinflussen. (Stellungnahme der Sig Sauer Deutschland)

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