Silvester-Nachspiel: Kritik an der Polizei

Seite 2: Die "Nafri"-Debatte

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Von "einfach" kann gegenwärtig und wohl noch für längere Zeit nicht die Rede sein, wenn es um das Verhältnis zwischen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft und Migranten aus nordafrikanischen Ländern geht. Auch das zeigt sich in der Nach-Silvesterdebatte. Für Aufregung sorgt die Verwendung des Begriffs "Nafri" in einem Polizei-Tweet: "Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft."

Der Tweet erhärtete den Vorwurf des racial profiling an die Polizei. Grünen-Chefin Simone Peter kritisierte die Verwendung des Begriffs - "völlig inakzeptabel ist der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie 'Nafris" für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei" - und dass "1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft wurden".

Der ehemalige Pirat und Neu-Einsteiger bei der SPD, Christopher Lauer, bezeichnete den Begriff als "in hohem Maße entmenschlichend".

Amnesty rückt das racial profiling durch die Polizei in den Mittelpunkt seiner Kritik und warnt vor der Verfestigung rassistischer Vorurteile:

Des Weiteren trägt die in der Öffentlichkeit durchgeführte Maßnahme der Kölner Polizei dazu bei gesellschaftliche Vorurteile und Stereotype gegenüber den kontrollierten Personen zu verstärken. Außerdem verfestigen sich rassistische Einstellungen gegenüber der kontrollierten Personengruppe. Es wird nämlich suggeriert, dass Männer vermeintlicher oder tatsächlicher "nordafrikanischer" Herkunft, nur aufgrund dieses Merkmals eine potentielle Gefahr darstellen.

Amnesty International

Der Kölner Polizeichef Jürgen Mathies bedauerte "außerordentlich", dass der Begriff "Nafris" in der öffentlichen Kommunikation verwendet wurde. Schaut man sich an, was der Kölner Express aus einem "internen Polizeidokument" über diesen Begriff zutage fördert, ist das außerordentliche Bedauern angebracht.

Phänomen Nordafrikaner (NAFRI)

• Tatverdächtige sind Angehörige eines NAFRI-Staates (Ägypten, Algerien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tunesien)

• Tatverdächtige sind meistens zwischen 15 und 25 Jahre alt (nach eigenen Angaben häufig minderjährig) • begangen werden insbesondere Raub-, Körperverletzungs-, BtM-, und Taschendiebstahlsdelikte (sogenanntes "Antanzen")

• Tatort meist belebte Innenstadtbereiche

Unter dem Stichwort "Besonderheiten/Eigensicherung" werden Polizisten gewarnt:

"Die Klientel verhält sich äußerst aggressiv auch gegenüber einschreitenden Polizeibeamten und Mitarbeitern der Stadt (Jugendamt, Ausländeramt). Bewaffnungen (Klappmesser) werden regelmäßig festgestellt; häufig Widerstandshandlungen."

Kölner Express aus einem internen LKA-Dokument

Zur Arbeit der Polizei gehört der Verdacht. Öffentlichkeitsarbeit hat jedoch ein paar Dimensionen mehr und hat es mit Empfindlichkeiten zu tun, die für den sozialen Frieden wichtig sind. Zu diesen Empfindlichkeiten gehört, dass den Polarisierungen nicht auch noch von Seiten der Behörden Vorschub geleistet werden soll.

An Polarisierungen im Zusammenhang mit Migranten herrscht im Augenblick kein Mangel in der Öffentlichkeit hierzulande. Die Aufladungen müssen von der Polizei nicht auch noch damit geschürt werden, indem sie einen ziemlich befrachteten Begriff naiv in die Öffentlichkeit schickt - der Kürze wegen, wie es offiziell heißt, oder doch um ein bisschen mit dem Jargon zu jonglieren?

Profilierungen

Anderseits wird bei der Diskussion über den Fehler der Kölner Polizei auch der Verdacht geweckt, dass sie sich gut für die Profilierung der Grünen oder für die Profilierung als neues SPD-Parteimitglied eignet. Dem Amnesty-Bericht kann man entgegenhalten, dass es nach den Vorgängen im vergangenen Jahr und den Erfahrungen, welche die Polizei von ihren Einsätzen in der Silvesternacht 2016/2017 berichtete, überzeugende Gründe dafür gab, Personen, die augenscheinlich aus nordafrikanischen Ländern kommen, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Dass sich die Polizei dieser Kritik dennoch stellen muss, kann man unaufgeregt jedoch auch als erfreuliches Zeichen dafür nehmen, dass auch die Arbeit der Behörden unter die Lupe genommen wird - angesichts früherer und zahlreicher Erfahrungen mit der Polizei mit gutem Grund.

"Es ging eindeutig darum, konsequent zu verhindern, dass es noch einmal zu vergleichbaren Ereignissen kommt wie im vergangenen Jahr", rechtfertigt der Kölner Polizeipräsident das Vorgehen. Es sei bei einem überwiegenden Teil der überprüften Personengruppe "mit drohenden Straftaten" zu rechnen gewesen.

Letztlich ging es um Sicherheit in einer Atmospäre, die durch Unsicherheit gekennzeichnet ist. Das zählte vor allem. In diesem Sinne hat die Polizei gut gearbeitet. Für mehr ist die Politik und Zivilgesellschaft zuständig - und nicht zuletzt sind es die Migranten aus Nordafrika. Sie zu bloßen Opfern einer Kampagne zu stilisieren, hilft nicht weiter.