Sind Unternehmer psychisch gestört?

US-Psychologen sagen, Unternehmer würden vermehrt ADHD, Depressionen oder Bipolare Störungen aufweisen, aber das mache ihre Kreativität aus

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Haben Menschen, die Unternehmen gründen oder solche leiten, häufiger psychische Probleme als der Rest der Gesellschaft? Ist diese Abweichung vom psychischen Normalzustand womöglich ein Grund dafür, Unternehmen zu gründen? Der Psychologe Michael Freeman von der Medical School der UCLA in San Francisco hatte festgestellt, u.a. in seiner Arbeit als Coach, dass ein Drittel psychische Probleme zu haben schienen und hat sich dann mit Psychologieprofessorin Sheri Johnson zusammengetan, um dem Thema weiter nachzugehen.

Zu dem Zweck baten sie 243 Unternehmer bzw. Selbständige, die Unternehmen gegründet oder mitbegründet haben, und als Kontrollgruppe 93 demografisch ähnliche Nicht-Unternehmer (Studenten und Mitarbeiter des Wirtschaftsinstituts), einen Fragebogen zu beantworten. Für 72 Prozent der Unternehmer, so das Ergebnis der Studie waren selbstberichtete psychische Probleme ein Thema, deutlich mehr als in der Kontrollgruppe. 49 Prozent der Unternehmer berichteten von mindestens einem lebenslangen psychischen Problem, ein Drittel auch von zwei und mehr und 18 Prozent von drei und mehr. Dazu zählen Aufmerksamkeitsstörung, Angst, Depression, Bipolare Störung oder Drogenmissbrauch. Die Wahrscheinlichkeit, von einer Depression oder ADHD zu berichten, lag mit 30 bzw. 29 Prozent höher als bei der Vergleichsgruppe(30%), auch bei Drogenmissbrauch (12 Prozent) oder einer Bipolaren Störung (11 Prozent) war die Wahrscheinlichkeit höher. Auch in der Verwandtschaft des ersten Grads wurden bei den Unternehmern mehr psychische Probleme angegeben als bei der Kontrollgruppe. Bei der Angst wurden keine Unterschiede festgestellt. Dazu berichtete die Hälfte derjenigen Unternehmer, die selbst von keinem psychischen Problem sprachen, dass sie aus Familien stammten, in denen es psychische Störungen gab.

Vorausschicken muss man, dass die beiden Psychologen alles andere als kritisch Unternehmern gegenüberstehen, sie werden geradezu als Verkörperung des amerikanischen Geistes gefeiert. Sie schaffen Jobs, führen Gesellschaften aus der Rezession, führen neue Produkte ein und erzeugen Wohlstand, alles in allem kreativ, innovativ und Motoren der Gesellschaft. Da bleibt wenig Raum für Kritik an den negativen Seiten mancher Unternehmer. Die Psychologen scheinen die Unternehmer, egal, was und wie sie es machen, gerne so darstellen zu wollen, wie man früher die Künstler auszeichnete: als irgendwie außerhalb der Normalität stehend, mit Nähen zu "Geisteskrankheiten" und versehen mit einer "speziellen Macht", um die den Künstlern und jetzt den Unternehmern eigentümliche Kreativität zu erklären. "Die Menschen, die wir als Unternehmer bewundern", so Freeman, "kommen aus demselben Genpool wie die Menschen, die wegen ihrer psychischen Probleme sozial stigmatisiert sind. Sie müssen einen adaptiven Vorteil mit sich bringen, sonst wären sie nicht so hoch in der Bevölkerung repräsentiert."

In ihrem Artikel schreiben die Psychologen, dass am Ende des 20. Jahrhunderts die Kreativität, die Unternehmer verkörpern, "zur treibenden Kraft hinter Amerikas explosiven Wirtschaftswachstum" geworden sei. Und diese Kreativität oder Innovationsfreudigkeit hätten auch Menschen mit ADHD, Depressionen, Bipolaren Störungen oder Drogenmissbrauch. Dazu verweisen die Autoren auch auf andere Studien. Auch andere Eigenschaften wie Risikofreudigkeit oder das anhaltende Verfolgen von Zielen kämen bei Menschen mit den genannten psychischen Störungen häufiger vor.

Zweifellos wollen die Psychologen die Unternehmer als soziale Klasse herausheben, dazu dient die Abweichung von der psychischen Normalität, die in der Studie dann auch bestätigt wird. Die Schwächen ihrer Studie wie eine willkürliche, nicht repräsentative Auswahl räumen die Psychologen natürlich ein. Überdies könne man eine Diagnose nicht nur als Hinweis auf eine Krankheit, sondern auch als "begünstigende Eigenschaften und persönlichen Stärken" sehen, "die mit Verletzlichkeiten und Risikofaktoren einhergehen".