Sind diese Rocker wirklich so gefährlich? Oder steckt da etwas ganz anderes dahinter?
Die Hells Angels Hannover haben sich aufgelöst
Die Hells Angels Hannover unter ihrem Präsidenten Frank Hanebuth haben sich am 27. Juni aufgelöst: Eine große Überraschung, denn sie galten als die mächtigste Hells-Angels-Gruppe in Deutschland, vielleicht sogar in Europa. Mit der Selbstauflösung sind sie einem möglichen Verbot ihres „Vereins“ zuvorgekommen, und damit auch einer eventuellen Beschlagnahmung ihres Vereinsvermögens, falls es das gab.
Die Hells Angels sind seit Ende Mai in den Schlagzeilen: GSG 9, Razzien mit mehr als 1000 Polizisten, Suche nach einer Leiche ... Es ist so viel passiert, dass sich ein Rückblick lohnt. … Und sich die Fragen stellen: Sind diese Rocker wirklich so gefährlich? Oder steckt da etwas ganz anderes dahinter? Die Polizei hatte wohl zugelassen, dass die Rocker Polizeiaufgaben im Milieu übernahmen, diese nutzten das für ihre eigenen Zwecke - und sie sprachen darüber. Man muss sagen: Sie trugen dick auf. Die Geschichte von den Hells Angels und dem Staat ist die einer Rivalität. Einer beidseitigen.
Die Hells Angels Hannover
In den 1990ern kämpften kurdische und albanische Clans im Hannoverschen Rotlichtgebiet „Steintorviertel“ um Macht und Geld; mehrere Menschen wurden ermordet. Das änderte sich Mitte des Jahrzehnts: Im Jahr 1995 wurde Dieter Klosa Polizeipräsident, bald patrouillierten Polizisten mit Maschinenpistolen im Viertel. Ebenfalls im Jahr 1995 wurde Frank Hanebuth, der damals schon im Hannoverschen Rotlichtmilieu arbeitete, Mitglied der Rockergruppe Bones. Hanebuth und seine Rocker übernahmen die Macht im Steintorviertel von Kurden und Albanern und machten es zu einem Szeneviertel mit Bordellen, Clubs und Cafés.
Im Jahr 1999 treten die Bones mit 14 Chaptern zu den Hells Angels über. Hanebuth wurde der Präsident des Charters Hannover. Er war Mitinhaber einer Sicherheitsfirma, und seine Mitarbeiter bewachten die Clubs. Fast täglich ging Hanebuth mit ein paar starken Männern durchs Viertel, sah und wurde gesehen.
Dann soll Hanebuth versucht haben, auch in Hamburg ein Rotlichtviertel zu übernehmen. Das endete – so der Anschein – damit, dass er nach etwa einem Jahr, im August 2001 mit sechs weiteren Männer vor dem Landgericht Hamburg stand. Die Vorwürfe lauteten auf Körperverletzung, Erpressung, Menschenhandel und Zuhälterei. Sechs Männer gestanden und kamen ins Gefängnis, Hanebuth gestand nicht und das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. „Die Staatsanwaltschaft hatte in ihm einen ´Unternehmensberater´ gesehen; zu Unrecht, sagt Hanebuth“, schreibt die FAZ. In Hannover wurde er allerdings in einer anderen Sache - Körperverletzung gegen einen Mit-Rocker - zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Nach seiner Haft schien er sich auf Hannover zu konzentrieren. Mit Erfolg: Mehr als zehn Jahren lang war das Viertel nach außen hin ruhig.
Aber in Deutschland, vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet, eskalierten Rivalitäten zwischen Hells Angels und Bandidos, es kamen auch Menschen ums Leben. Im April 2010 wurde der Charter Flensburg verboten – das erste Verbot in Deutschland seit neun Jahren - und die Hells Angels bekamen eine zunehmend schlechte Presse.
Hanebuth begann eine Gegenstrategie: Das Hannoversche Rotlichtviertel war ruhig geblieben und Hanebuth stellte sich und seine Hells Angels in der Öffentlichkeit als Schutz für die Bevölkerung dar, als eine Art Polizei im Milieu. Dauerhaft erfolgreich: Selbst als alles schon vorbei war, sollte er erzählen, dass Presse und Behörden sich gegenseitig „hochgeschaukelt (hätten), wie toll das doch alles wäre“1, und er ließ sich als „Sicherheitskoordinator“ bezeichnen.
Auch im Hamburger Rotlichtmilieu herrschte Ruhe. Und Hanebuth behauptete in der Bild-Zeitung, der Norden sei die „Hochburg“ der Rocker: Am 28. April 2010, einen Tag nach dem Verbot der Hells Angels Flensburg, fragte das Blatt, warum es in Schleswig-Holstein einen „Rockerkrieg“ gebe, es in Hamburg dagegen ruhig sei. Hanebuth ließ sich zitieren: „Das Hamburger Milieu vertraut uns. Da, wo wir sind, herrschen klare, gradlinige Verhältnisse. Wir haben in Hamburg seit Jahrzehnten die Vorherrschaft, sehr großen Einfluss“.
Dabei waren die Hells Angels in Hamburg schon im Jahr 1983 verboten worden. Sie sollten allerdings, so Bild, ihre Geschäfte inoffiziell weiter führen und sich „Rot-Weiß“ bzw. „Harbour City“ nennen. Und in der Tat ist in den Charterverzeichnissen des HA MC World sowie der Hells Angels Germany ein Charter namens „Harbor City“ (ohne „u“ - die Bild nutzte die britische Schreibweise) aufgeführt, gegründet am 5. Februar 2005. Interessanterweise ohne Website, aus der man eine Adresse herleiten könnte. „Wo genau der ist, weiß ich nicht“, behauptet Pressesprecher Django und fügt hinzu: „Von denen, die damals bei den Hells Angels Hamburg dabei waren, ist bei Harbor City kein Einziger Mitglied.“
Hanebuth nutzte viele Gelegenheiten, um sich und seine Rocker als eine Art Schutzmacht im Milieu darzustellen. Die – natürlich - Vertrauen genösse.
Er tat noch mehr gegen die schlechte Presse, die vom „Rockerkrieg“ zwischen Hells Angels und Bandidos schrieb. Im Mai 2010 schlossen er und der Bandido Peter Maczollek den „Rockerfrieden von Hannover“. Sie machten mit einer Pressekonferenz in der Kanzlei von Hanebuths Anwalt eine Vereinbarung bekannt, dass Bandidos und Hells Angels einander ein Jahr lang nicht bekämpfen würden. Das Medienecho war enorm.
Die Behörden begannen, zu den Hells Angels auch in Hannover auf Distanz zu gehen. Uwe Binias, damals Präsident der Zentralen Polizeidirektion Hannover, warnte seine Mitarbeiter schriftlich vor Besuchen in der Gegend. Wenige Monate später, im August 2011, feierte jedoch Binias´ Nachfolger Christian Grahl den Abschluss seines Geburtstags in der Sansibar. Die befindet sich im Steintorviertel und war mal ein Treffpunkt der Hells Angels. Ein paar Monate später berichtete der NDR über Grahls Feier. Der hatte dem Innenminister Schünemann seinen Besuch zwar schon am Tag danach mitgeteilt, nicht aber, dass er seinen Dienstwagen für die Fahrt benutzt hatte. Und die Medien hatten scheinbar auch nichts gemerkt. Aber dann, wenige Tage nach den ersten Berichten, wurde Grahl, nach einem Abstecher ins Statistikamt, im Agrarressort Leiter des Referats 306 „Landentwicklung und ländliche Bodenordnung“.
Die hannoverschen Rocker blieben in den Medien: Im September 2011 brachen Hanebuths Hunde von seinem Privatgelände aus und verletzten mehrere Menschen schwer. Das wurde breit berichtet. Später sollte der TÜV feststellen, dass sein Tor einen verborgenen Defekt hatte. Dies wiederum wurde oft verschwiegen.
Im Oktober 2011 forderte der (damals designierte) Polizeivizepräsident Thomas Rochell die Hannoveraner durch ein Gespräch mit der HAZ auf, ihr Geld „nicht dort auszugeben, wo die Hells Angels davon profitieren“. Und: „Jeder, der das tut, muss wissen, dass er damit die Position der Rocker und ihres Chefs stärkt.“ Die HAZ legte später nach und zitierte zahlreiche Kritiker der Hells Angels.
Im November beklagte Frank Hanebuth öffentlich eine „beispiellose, ungerechtfertigte Hetzkampagne“ gegen sich, zog seine Sicherheitsfirma Bodyguard Security aus dem Steintorviertel ab und verkaufte seine gastronomischen Beteiligungen. Seine Bordelle behielt er mit der Bemerkung: „da passe ich selbst drauf auf.“2 Die Polizei errichtete eine neue Wache im Viertel und setzte 25 zusätzliche Beamte ein. Seitdem war in Hannover wieder Ruhe. Bis vor ein paar Wochen.
Hannover, Kiel, Berlin und der Rest der Republik seit Ende Mai
Im Mai 2012 stand Steffen R., der frühere Präsident der „Legion 81“, eines inzwischen verbotenen Unterstützerclubs der Hells Angels, vor dem Landgericht Kiel. Er sagte, dass Frank Hanebuth inoffizieller Deutschland-Chef der Hells Angels sei und einen Mordauftrag in Kiel vergeben habe. Die Leiche des Opfers sei in einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel einbetoniert worden. Seitdem wird die Lagerhalle auseinandergenommen. Mehrere Wohnungen und Bordelle in Schleswig-Holstein wurden durchsucht und das GSG 9 fiel mit einem Hubschrauber auf dem Privatgelände von Frank Hanebuth ein, erschoss vor den Augen seines elfjährigen Sohnes einen jungen Hund und beschädigte Bäume und Gebäude.
In der Lagerhalle wurde bislang keine Leiche gefunden. Frank Hanebuth konnte keine Vorherrschaft in Deutschland nachgewiesen werden. Er weist auch alle Vorwürfe zurück. Obwohl die Aussagen gegen ihn nicht abschließend überprüft wurden, fiel das Urteil gegen R. mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten zwar höher aus als vom Staatsanwalt gefordert – aber ohne seine Aussage als Belastungszeuge hätten es bis zu zehn Jahre werden können.
In diesen Wochen sprachen Polizei und Innenminister von bundesweiter Vernetzung und daraus folgender Vereinfachung eines bundesweiten Hells Angels-Verbotes. Manch einem wäre es am liebsten, wenn man nicht einzelne Charter nach Vereinsrecht, sondern die gesamte Organisation verbieten könne. Es waren inzwischen mehrere Charter verboten worden: Schon am 21.10.1983 Hamburg und am 24.01.2001 Düsseldorf. In jüngerer Zeit erst Flensburg (27.04.2010), dann Borderland (Pforzheim) und der Unterstützerclub Commando 81 Borderland (10.06.2011), danach Frankfurt und Westend (30.09.2011) und schließlich Kiel (31.01.2012).
Im Frühsommer 2012 folgten Durchsuchungen und Vereinsverbote auch in Berlin. Mit mäßigem Erfolg. Wie schon öfter: Im Oktober 2010 etwa hatten das Frankfurter Charter, vor ein paar Tagen eben ein Berliner Charter gewusst, dass eine Razzia bei ihnen stattfinden sollte, die Rocker sorgten vor. Aber nicht stillschweigend, sondern mit medienwirksamer Demütigung der Polizei: In Frankfurt hefteten sie einen Zettel „Willkommen Polizei“ an die Tür. In Berlin gaben sie wohl selber Spiegel Online einen Tipp. Dort wurde die Razzia einen Tag vorher groß angekündigt. Der Charter „Berlin City“, bestehend aus ehemaligen Mitgliedern des Konkurrenzclubs Bandidos, löste sich unmittelbar vor einem Verbot auf (ob die Auflösung rechtzeitig und rechtlich wirksam war, darum wird noch gestritten), ein anderer (Nomads) verlagerte sich nach Brandenburg. Außerdem gründeten sechs ehemalige Nomads am 27. Mai ein neues Charter „East District“. „Sie sind nicht vorbestraft“, sagt jemand, „was will die Polizei da machen?“ Danach wurde noch der Charter East Area gegründet.
Seit dem Verrat der Razzia sucht die Polizei nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen - und die Pleite hat auch politische Folgen: Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) hätte sich am 11. Juni vor dem Innenausschuss dazu äußern sollen, tat es nicht und wurde dafür von der Opposition kritisiert. Die Berliner Staatsanwaltschaft bildete eine „Taskforce“ für alle Fälle mit Bezug zur Rockerszene und das LKA setzte eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) ein. Dabei hatte es schon vorher eine Gruppe im LKA gegeben, die für „Rocker und Rotlicht“ zuständig war.
Ende Mai traten Bandidos der Berliner Chapter Southside und South Central zu den Hells Angels Potsdam über. Eigentlich sind die Hells Angels und Bandidos heftigste Konkurrenten, die sogar manchmal mit Macheten aufeinander losgehen. Aber schon einmal waren in Berlin Bandidos zu Hells Angels übergetreten. Laut Medienberichten sollen sie dafür 250.000 Euro erhalten haben. In der Szene wird dagegen gemunkelt, dass jeder einzelne 10.000 Euro hätte zahlen müssen.
Die damaligen Übertritte hatten bei manchen Hells Angels gelinde gesagt Unmut ausgelöst. Nun, zu den Neuen, befragte die Süddeutsche Zeitung Pressesprecher Django und schrieb:
Was die Bandidos angeht, will er nur so viel sagen: Sie seien nun prospects, also Anwärter, sie müssen sich ihren Hells-Angels-Aufnäher also erst verdienen. Die Berliner Morgenpost spekulierte am Mittwoch., dass sie dies schon gemacht haben könnten: Am Dienstag wurde im Ruhrgebiet ein 49-jähriger Bandido erschossen. Die Täter sind noch nicht ermittelt worden.
Inzwischen wurde bekannt gegeben, dass der Rocker in Bottrop sich selbst das Leben genommen hatte.
Im Juni wurde in Berlin ein Anschlag auf André S. verübt, den ehemaligen Präsidenten der Nomads: Hinter seiner Kneipe „Germanenhof“ gab jemand auf den ehemaligen Hooligan fünf oder sechs Schüsse ab. Sommer wurde gerettet, die Polizei gab eher pessimistische Verlautbarungen heraus („Wir rechnen damit, dass er stirbt“), die Hells Angels stellten sich zu dieser Taktik quer und demonstrierten Stärke, wachten vor dem Krankenhaus und gaben bald in einer Pressekonferenz bekannt, dass er mit Krücke laufen könne und Fußball schaue. Inzwischen wurde S. auch entlassen. Die Familie des Rockers entband die Ärzte nicht von ihrer Schweigepflicht, die Polizei holte sich die richterliche Erlaubnis, um für die Aufklärung des Mordanschlags die Krankenakte des angeschossenen Rockers einzusehen.
Die Hells Angels als Vereine
Die Hells Angels haben sich in Deutschland als Vereine organisiert. Normalerweise vertreten Vereine und besonders Verbände die Interessen ihrer Mitglieder. Als solche sind sie Ansprechpartner für den Staat. Im Idealfall treten sie gegenüber den Behörden für ihre Mitgliederinteressen ein und gegenüber ihren Mitgliedern für Anliegen des Staates.
Die Hells Angels lassen sich da allerdings schlecht einordnen. Sie vertreten den Anspruch, „Outlaws“ zu sein, also außerhalb der Gesellschaft zu stehen. Dies ist ein Widerspruch. Auch die Branchen, in denen manche von ihnen tätig sind (speziell das Rotlichtmilieu) sind Behörden schwer zugänglich. Schließlich weisen sie auch staatliche Einflussnahme zurück, etwa indem sie offizielle Aussagen bei Polizei und Gericht verweigern.
Trotzdem scheinen die Behörden den Hells Angels zumindest in Hannover lange Zeit das Feld überlassen – und davon nicht schlecht profitiert - zu haben: Wenn erstens blutige Machtkämpfe zwischen Albanern und Kurden aufhörten und zweitens nach dem offensichtlichen Rückzug der Hells Angels aus dem Steintorviertel eine Wache mit gut zwei Dutzend Polizisten eingerichtet wurde, kann man vermuten, dass die Rocker in der Zwischenzeit tatsächlich für Ruhe im Viertel gesorgt hatten.
Da bleiben aber die Fragen offen, wie es innen aussah. Zum Beispiel:
- Hatte die Sicherheitsfirma Hanebuth´s ein Monopol – und wenn ja: Wie wurde es durchgesetzt?
- Rocker werden immer wieder mit Zwangsprostitution in Verbindung gebracht. Aber: Wie viel Prozent der Rocker sind überhaupt Zuhälter? Wie viel Prozent dieser Rocker-Zuhälter zwingen Frauen auf den Strich oder schüchtern sie ein? Wie viel Prozent der Zuhälter sind Rocker – sind es überproportional viele? Wird durch die Mitgliedschaft in einem Rockerclub die Betreibung von Zuhälterei automatisch „erfolgreicher“ – und vor allem: schlechter für die Frauen?
- Wie geht es den Frauen im Milieu? Wie viele Prostituierte sind tatsächlich Zwangsprostituierte? Und wie viele von diesen wurden von Rockern gezwungen? Und wie viele Frauen, die ohne Zwang diese Arbeit beginnen, werden in der Folge von Rockern eingeschüchtert? Nur der Vollständigkeit halber noch folgende Frage: Wie viele Frauen bevorzugen einen (angenommenen) Druck durch Rocker gegenüber der Gefährdung durch nicht zahlende oder gewalttätige Freier oder durch anders vernetzte Männer, etwa im Hannover der 1990er Jahre Kurden oder Albaner? - Diese Auswahl zwischen zwei Übeln ist allerdings zynisch. Außerdem ist es natürlich Aufgabe des Staates, die Frauen zu schützen, sodass die angegebene Alternative bei der Beurteilung von Rockern nicht zählen darf.
Dies alles scheint nicht geklärt. Es ist schwer zu sagen, ob das verstärkte Vorgehen von Behörden einem Erkenntnisgewinn geschuldet ist. Haben sie Neues über Rocker herausgefunden? Inwieweit verließen sie sich auf die Aussagen eines ehemaligen Zuhälters, der nicht so lange ins Gefängnis wollte?
Heute scheint die Hoheitlichkeit der Polizei wieder unangetastet: Rockergruppen haben sich zurückgezogen, umstrukturiert oder gleich aufgelöst. Behörden suchen ihre Macht zu steigern. Aber was bedeutet das auf lange Sicht? Wollten die Hells Angels durch ihre Aktionen Vereinsvermögen schützen? Sich im Schatten der Hierarchie selbst regulieren, um ganz prinzipiell Maßnahmen des Staates zuvorkommen? Oder sind diese Aktionen geschickte Schachzüge, um sich und ihre Macht letztlich doch zu erhalten?
Vorerst haben sich jedenfalls auch noch die Hells Angels Charter Potsdam und West Side (Bremen) aufgelöst - und diese Woche der Charter Hannover. Der frühere West Side-Vizepräsident „Django“, Pressesprecher der Hells Angels Deutschland, orakelte, mal wieder in der Bild, dass damit ein Machtvakuum entstünde: „Jetzt haben die Kleinbürger die Ruhe, die sie haben wollten. Hoffentlich wachen sie nicht unsanft daraus auf.“ Er allerdings brauche kein Charter, um Rocker zu sein: „Ich kann auch auf einer einsamen Insel ein Hells Angel sein.“
Es gibt mehrere große, international vernetzte Rockerclubs, außer den Hells Angels etwa Bandidos, Gremium, Outlaws. Dazu kommen sehr viele kleinere. Die meisten stehen kriminellen Aktivitäten fern. Die US-Justiz nennt „Outlaw Motorcycle Gangs“ (OMGs) jene Clubs, denen sie unterstellt, dass sie ihr Rockertum für kriminelle Aktivitäten nutzten, und zählt die Hells Angels dazu. Hells Angels sind wie die meisten Rockerclubs in Ortsgruppen organisiert, so genannte „Charter“ (Bei anderen Clubs heißen sie „Chapter“). Die Hells Angels haben in Deutschland derzeit immer noch mindestens 48 Charter - am 26. Juni fand sich der Charter Hannover noch auf der Liste, am 28. ist er nicht mehr aufgeführt) und insgesamt wohl 600 bis 1.000 „member“ (Mitglieder), die genaue Zahl will Pressesprecher „Django“ nicht mitteilen. Wer ein Mitglied der Hells Angels werden will, fängt im Normalfall mehrere Jahre als „Hangaround“ (eine Art Praktikant) und „Prospect“ (Rocker in der Probezeit) an und wird erst nach einer Abstimmung aufgenommen – was es der Polizei schwer macht, Undercover-Agenten einzuschleusen. Gelegentlich treten auch ganze Rockerclubs zu den Hells Angels über. Derzeit gibt es in Deutschland mindestens zwei solche Anwärter-Charter. Der größte Hells Angels-Charter Deutschlands mit angeblich etwa 40 Mitgliedern war in Hannover ansässig. Präsident Frank Hanebuth war wohl der bekannteste Rocker Deutschlands. Er war vorher beim deutschen Rockerclub „Bones“ gewesen und im November 1999 mit diesem zu den Hells Angels übergetreten.
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