Sind eigentlich alles Populisten?
- Sind eigentlich alles Populisten?
- FDP und § 219a oder: "Mein Bauch gehört mir, aber mein Leben dem Kapital"
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Der Europaparteitag der FDP zeigte noch einmal deutlich, dass es sich beim Streit zwischen vermeintlichen Populisten und ihren Kritikern um Scheingefechte handelt
Der Europawahlkampf wird noch mehr in der Form nationaler Wahlkämpfe inszeniert, die auf einen Richtungskampf zwischen Populismus versus Demokratie ausgerichtet werden. Damit soll jede grundsätzliche Alternative zum Kapitalismus ausgeblendet und eine Schimäre aufgebaut werden, die durchaus wirkungsmächtig ist. Schon sind viele Linke bereit, das liberale Feigenblatt für angeblich antipopulistische bürgerliche Demokraten zu geben.
Wie wenig der angebliche Antipopulismus trägt, zeigte sich beim FDP-Europa-Parteitag am vergangenen Wochenende. Natürlich hielten dort alle Spitzenpolitiker glühende Reden gegen vermeintliche Populisten von links und rechts und wählten dann mit Nicola Beer eine Spitzenkandidatin, die von verschiedener Seite selbst unter Populismusverdacht gestellt wurde.
Fidesz und FDP - eine liberale Familie
Kurz vor dem Parteitag wurde kolportiert, Beer habe gute Kontakte zu ungarischen Fidesz-Politikern, die ja als Modellfall für rechten Populismus gelten. Beer dementierte halbherzig.
Nur wäre die Liaison ja gar nicht ungewöhnlich. Die Fidesz gründete sich als Bund Junger Demokraten, der sich als ultraliberale verstand. Sie waren glühende Antikommunisten und genau so glühende Verfechter des Kapitalismus. Als solche hatten sie keine Berührungsängste vor rechten Kräften.
Die hat die FDP bis heute in der amerikanischen Hemisphäre nicht. Dort sind in Honduras Putschisten Bündnispartner, die einen demokratisch gewählten Präsidenten abgesetzt hatten, weil er etwas zu weit nach links gegangen war (vgl. Unterstützung des Putschregimes in Honduras durch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung). Das war in der Zeit, als die bolivarische Revolution in Venezuela noch auf die Nachbarländer eine Ausstrahlungskraft hatte.
Die Bündnispartner der FDP waren in Venezuela immer die Todfeinde des bolivarischen Prozesses und in Brasilien waren darunter auch Unterstützer des neuen ultrarechten Präsidenten. Schließlich ist er ebenso fanatischer Antikommunist wie Prokapitalist. Das aber sind die liberalen Basics.
Deshalb koalieren in Andalusien die Ciuadanos, eine mit der FDP verbündete liberale Partei, mit den Ultrarechten von Vox, die noch rechts von der AfD steht. Die Basics erfüllt auch die österreichische Regierungspartei FPÖ, die auch zur liberalen Familie gehört. Genau wie die FDP war auch die FPÖ nach 1945 Auffangbecken von Ex- und Altnazis. Die Beziehungen zwischen FDP und FPÖ verschlechterten sich, doch noch immer gibt es in der FDP Kräfte, die in der FPÖ ihr Vorbild auf dem Weg zum Erfolg sehen.
FDP als AfD-light?
Ein Teil der Nationalliberalen dürfte mittlerweile den Weg zur AfD gefunden haben. Die Lindner-FDP präsentiert sich durchaus als eine "AfD-light", beispielsweise in der Migrations- und Klimapolitik. Auch hier wurde der Spitzenkandidatin Beer Nähe zu populistischen Positionen vorgeworfen. Allerdings scheinen die Vorwürfe dafür dünn.
Man bezieht sich auf Beers Twitteraccount. Sie habe sich - was für ein Vorwurf! - über "das angebliche Auftreten von mehr Extremwettereignissen lustig gemacht" und Phänomene der Klimaveränderung anders als viele Wissenschaftler gesehen.
Nun dürften allerdings auch die Kritiker wissen, dass es in der Wissenschaft keine ewigen Wahrheiten, sondern gelegentliche Paradigmenwechsel gibt, wo das, was wissenschaftlich als unverrückbar galt, plötzlich verworfen wird, weil man den Blick geändert hat. Daher sollte man mit Zurückhaltung an alle Debatten über Wissenschaft und Klima herangehen.
Schließlich stehen hinter den unterschiedlichen Wissenschaftserkenntnissen unterschiedliche kapitalistische Akkumulationsmodelle. Diese Verquickung von Wissenschaft und Politik ist weder böse noch verwerflich. Sie sollte nur immer mitgedacht werden, wenn sich irgendwer zum Verteidiger der reinen Wissenschaft aufspielt und alle anderen Positionen als Fakes bezeichnet. Das gilt auch bei der aktuellen Schadstoffdebatte und sogar bei der Diskussion um den § 219a.