Sinkende Börsenstrompreise sorgen für Preissteigerung bei Tarifkunden

grafik: TP

Was auf den ersten Blick kaum verständlich erscheint, folgt in der Praxis einer ganz einfachen Logik - und der Privatverbraucher bezahlt

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Um Investoren zu finden, welche in Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien investieren wollen, hat man diesen für jeweils zwanzig Jahre eine feste Einspeisevergütung zugesagt. Da man davon ausging, dass die Erzeugungsanlagen kontinuierlich preiswerter würden, sinkt die zugesagte Einspeisevergütung je später die Anlage startet.

Das Angebot des über die Strombörse verkauften Stroms aus erneuerbaren Quellen ist im Laufe der Jahre so stark gestiegen, dass die Börsenstrompreise deutlich gesunken sind. Bei den privaten Tarifkunden kommt dieser Preisverfall jedoch auf wundersame Weise nicht an. Der Börsenstrompreis ist an den Stromkosten der Tarifkunden nur noch mit etwa zehn Prozent beteiligt.

Dazu zählt die EEG-Umlage, manchmal auch als Ökostrom-Umlage bezeichnet, die jedoch nicht, wie vielfach vermutet wird, an die Villenbesitzer am Starnberger See fließt, sondern zu 59 Prozent gar nicht für die direkte Förderung der erneuerbaren Stromerzeugung eingesetzt wird.

Dass das Thema EEG-Umlage aktuell wieder durch die Medien geistert, hängt damit zusammen, dass die Höhe der EEG-Umlage jedes Jahr im Oktober von den vier Übertragungsnetzbetreibern für das Folgejahr ermittelt wird. Grundlage dieser Ermittlung ist die sogenannte Ausgleichsmechanismus-Verordnung (AusglMechV).

EEG-Umlage-Befreiungen belasten die Tarifkunden

Je nach Bundesland macht der Strombedarf der privaten Tarifkunden zwischen 20 und 25 Prozent aus. Der größte Teil des Strombedarfs entfällt somit auf die Industrie. Und wenn jetzt nach Aussagen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im Jahr 2018 2.156 Unternehmen bzw. selbständige Unternehmensteile, davon 2.017 aus dem produzierenden Gewerbe und 139 Schienenbahnen mit insgesamt 2.840 Abnahmestellen von der EEG-Umlage befreit wurden, so muss man berücksichtigen, dass diese knapp 3 Tausend Strombezieher für etwa 50 Prozent des Industriestrombedarfsverantwortlich sind.

Die von der EEG-Umlage befreiten Stromkunden profitieren im Gegenzug von den niedrigen Börsenstrompreisen, die dank der Einspeisungen aus erneuerbaren Quellen erreicht werden konnten, die ihren Strom seit 2010 an der Leipziger Börse verkaufen müssen. Insofern ist das Kundensegment der Industriestrombezieher der Hauptnutznießer der EEG-Umlage.

Dass die Idee der Befreiung von der EEG-Umlage offensichtlich stark Lobby-geprägt ist, lässt sich beispielhaft anhand der Tatsache erkennen, dass sich beispielsweise auch Winzergenossenschaften, deren Strombedarf im Zeitraum der Traubenernte deutlich ansteigt, sich von der Umlage befreien lassen können, auch wenn sich der Aufwand für die Antragstellung im Vergleich zu den Einsparungen kaum lohnt.

Künftig soll auch die EEG-Umlage für Landstromanlagen reduziert werden, die Schiffe im Hafen mit Strom versorgen sollen, damit sie während der Liegezeit ihre eigene Stromerzeugung abschalten. Da die Landstromanlagen kaum genutzt werden, dürfte sich der Einfluss dieser Förderung in der Praxis kaum auswirken.

Ob jedoch die Industrie die Befreiung von der EEG-Umlage im derzeitigen Umfang weiterhin nutzen kann, ist durchaus umstritten. In diesem Zusammenhang haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und TransnetBW eine Prüfung in Auftrag gegeben, welche untersuchen soll, ob das von vielen Unternehmen genutzte Eigenstrommodell überhaupt zulässig ist.

Es geht hierbei um das sogenannte Scheibenpachtmodell, bei welchem die Kapazität von Kraftwerke in mehrere Scheiben aufgeteilt und jeweils weiter verpachtet wird. Die jeweiligen Pächter werden dann als gleichberechtigter Kraftwerksbetreiber angesehen. Sie müssen, daher anders als im Falle einer Stromlieferung, als formaler Eigenerzeuger keine oder lediglich eine reduzierte EEG-Umlage zahlen.

WKA-Betriebsgenehmigungen befristet

Wie es mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in Deutschland weitergeht, ist derzeit zwar absehbar, wird aber nicht wirklich berücksichtigt. Bei Windkraftanlagen ist die Betriebsgenehmigung zumeist auf die Zeit der Einspeisevergütung nach EEG befristet. Das schien zum Start der Windkraftförderung kein Problem zu sein, weil die meisten Investoren wohl davon ausgingen, dass die Entwicklung der Anlagen nicht nur zu sinkenden Investitionen für kommende Neuanlagen führen würde, sondern auch zu deutlich größeren und damit ertragreicheren Anlagen.

Doch die Rechnung, mit einem Repowering, also dem Ersatz einer WKA durch eine größere am gleichen Standort zu errichten ging nicht auf, weil sich die Rahmenbedingungen für den Bau von Windkraftanlagen signifikant veränderten, so dass an den Standorten von Altanlagen künftig keine Neuanlagen mehr gebaut werden dürfen und es auch bei der garantierten Einspeisevergütung gravierende Änderungen gab.

So gilt hier inzwischen ein Versteigerungsmodell, das letztlich in der Praxis Windkraftanlage dort bevorzugt, wo wenig Stromkunden angesiedelt sind, was letztlich den Bedarf an ungeliebten "Stromautobahnen" weiter steigen lässt. Auch für die Offshore-Anlagen werden derartige Stromtrassen benötigt. Mit den Windparks auf See werden Großinvestoren faktisch bevorzugt, während im Falle der verbrauchernahen Onshore-Anlagen in der Vergangenheit auch kleinere Investoren oder lokale Investorengruppen zum Zuge kommen konnten.

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