Skripal-Fall: Angeblich werden nun "super recogniser" zur Suche nach den Tätern eingesetzt
Aber das ist wieder mal nur eine Medienmeldung, die gleichzeitig deutlich zu machen scheint, dass in dem Nowitschok-Fall nichts vorangeht
Schon länger hat man über den Skripal-Fall nichts mehr von britischen Sicherheitsbehörden oder der britischen Regierung gehört. Zuletzt hatten britische Medien berichtet, die Polizei sei auf der Spur von zwei russischen Verdächtigen. Die Staatsanwaltschaft werde demnächst einen Auslieferungsantrag an Russland stellen, hieß es Anfang August, dann war wieder Schluss mit Neuigkeiten, stattdessen verhängte die US-Regierung kurz darauf weitere Sanktionen wegen des Nowitschok-Anschlags gegen Russland, ohne neue Belege anzuführen.
Die russische Botschaft in London hatte sich bereits über das neueste Mediengerücht lustig gemacht und von "nicht-verifizierte Medien-Fakes" gesprochen, denen man keinen Glauben schenke. Im Übrigen werde Russland aufgrund der Verfassung keine russischen Bürger an Drittstaaten ausliefern, auch Großbritannien lehne es schließlich ab, Russen "nach bilateralen und multilateralen Mechanismen der Rechtsunterstützung" auszuliefern.
Jetzt, einige Wochen später, gibt es einen erneuten Medienleak. Die Rede ist zwar nicht mehr von einem baldigen Auslieferungsversuch, auch nicht von einer Anklage, sondern davon, dass die Polizei zwei "super recogniser" einsetze, also Polizisten, die außergewöhnlich gut Gesichter wiedererkennen können, wie Sky News erfahren haben will. Sie seien Mitglieder einer Einheit, die bereits in Deutschland nach der Silvesternacht geholfen hätten, Täter zu identifizieren.
Das Hervorheben der beiden "recogniser" dürfte bedeuten, dass bei der Durchsicht der Aufnahmen von Überwachungskameras auch ein halbes Jahr nach dem Anschlag nichts Wesentliches herausgekommen ist, und wahrscheinlich auch, dass Gesichtserkennungsprogramme gescheitert sind. Angeblich wurden bereits 5000 Stunden an Videos von Überwachungskameras von dem Team gesichtet.
Man könnte allerdings davon ausgehen, dass Aufnahmen der Verdächtigen vorhanden sind, aber die Polizei sie ansonsten auf den Bildern nicht entdecken konnte, um daraus ein Bewegungsprofil zu erstellen. Angeblich werden die Bilder von Überwachungskameras an den Flughäfen überprüft, wann und ob die Verdächtigen, sofern man solche hat, eingereist und abgereist sind. Das unter der Hypothese, dass die Täter aus Russland kamen und sich dorthin wieder begeben haben. Allerdings gibt es in der Straße in Salisbury, in der sich das Haus von Skripal befindet, keine Überwachungskameras, weswegen auch unbekannt ist, wer das Nowitschok an der Türklinke angebracht hat. Allerdings ist auch das nur eine Vermutung, dass es dort angebracht wurde und sich die Skripals an der Klinke kontaminiert hatten.
Sky News geht davon aus, dass die beiden Polizisten eine Rolle bei der Identifizierung der beiden Russen gespielt haben könnten. Sie seien allerdings bereits zu Beginn der Untersuchung eingesetzt worden, was dann aber wiederum hieße, dass sie ebenfalls als Teil des Teams, das die Tausenden von Stunden an Videomaterial gesichtet hat, nicht fündig wurden. Abgesehen davon, dass einfach mal wieder mit dem Leak suggeriert werden könnte, dass die Polizei weniger neue Spuren verfolge, sondern neue Mittel einsetze, um den Fall voranzubringen, könnte die Vermutung des früheren Hauptkommissars Mick Neville, der 2011 das Recogniser-Team aufgebaut hat, plausibler klingen. Er meinte, die britischen Geheimdienste würden wohl Bilder von bekannten russischen Agenten den Recognisern vorgelegt haben oder vorlegen, um zu prüfen, ob welche von diesen auf dem Videomaterial von den Flughäfen oder von Salisbury zu sehen sind.
Sollte dies zutreffen, stünde die Untersuchung allerdings ganz am Anfang. Sollte es sich tatsächlich um Mitarbeiter russischer Geheimdienste gehandelt haben, würde man freilich vermuten, dass diese um die Existenz der Überwachungskameras wussten und entsprechende Maßnahmen ergriffen haben, um nicht ohne Weiteres erkannt zu werden.
Die Metropolitan Police, die auch zuständig ist für den Skripal-Fall, führt derzeit Tests mit dem NeoFace-Gesichtserkennungsprogramm an bestimmten Orten durch. Mit der Live Facial Recognition (LFR) werden die Gesichter von Menschen, die sich an einem überwachten Ort bewegen, mit einer Datenbank mit Aufnahmen von Gesuchten verglichen. Wird eine Übereinstimmung gefunden, wird ein vor Ort befindlicher Polizist benachrichtigt, um die Person aufzuhalten und zu befragen. Man erkläre den Personen auch, warum man sie aufgehalten hat, und gebe ihnen einen Handzettel mit Informationen mit, wie sie die Polizei später kontaktieren und Fragen stellen kann. Ende 2018 sollen die Test evaluiert werden.