Smarte Maschinen

Seite 3: Internet-of-Things oder wie Dinge denken lernen

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Die Überlegung, durch Digitalisierung das alltägliche Leben zu vereinfachen, durchzieht das Internet of Things (IoT). Gebrauchsgegenstände werden durch entsprechende Digitaltechnik, wie Sensoren und Verbindung zum Internet zu selbsttätigen Geräten, die zum Beispiel das Nachfüllen und Nachordern den menschlichen Benutzern abnehmen. Oder aber das kürzlich auf der Smart City Expo in Barcelona präsentierte Modell einer Bewässerung der Grünanlage nach voriger Messung der Luftfeuchtigkeit und Wassergehalt im Erdboden.

Sind die Geräte nur unzureichend geschützt, fällt eine "Infiltration" der Steuerung nicht schwer. Einige veraltete Geräte lassen sich gar nicht umfassend an den aktuellen Stand der Digitalisierung anpassen. Gibt es dann zwei Welten, deren Lücken sich die Hacker bedienen?

Langzeitbelichtung eines Saugroboters, die seine Route sichtbar macht. Bild: Chris Bartle / CC-BY-2.0

Ein positives technologisch-fortschrittliches Programm zeichnet eine Zukunft, in der sich der Mensch vom Joch der Arbeit befreit hat. Es sind einfache Tätigkeiten. Oder überschaubare, wie das Fahren auf der Autobahn. Dass ein Computer das Schreiben von intelligenten und schön geschriebenen Texten übernommen hätte, ist bislang nicht vorgekommen. Die smarten Maschinen brauchen nach wie vor Anweisung beziehungsweise werden auf bestimmte Bewegungen und Gesten der Menschen programmiert. Sobald diese Muster erscheinen, laufen Routinen ab. Kreative Schlüsse aus Erfahrungen zu ziehen scheint nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal der Menschen zu sein. Auch entscheiden die Maschinen bislang nur innerhalb der vorgegebenen Befehlskette. Bis jetzt sind Ballspielende und auf die Straße springenden Kinder für autonome Autos ein Problem.

Eine kooperative Umgebung empfiehlt sich, wenn Menschen mit Maschinen zusammenarbeiten und die vernetzten Dinge "mitdenken".

Man könnte direkt fragen, ob dieser Text von einer Maschine geschrieben wurde? Robo-Journalismus ist möglich: Aus der Vielzahl der im Netz erhältlichen Artikel zum Thema kann eine mit dem Internet verbundene maschinelle Schreibkraft signifikante Häufungen in den Texten erkennen, die Sätze übernehmen und in korrekte Syntax überführen. Das Rechtschreibprogramm in Word ist nur ein zarter Anfang. Dies ist jedoch kein selbstständiges Arbeiten, sondern Addition des vorgefundenen Webmaterials. Cut & Paste des Menschenwerks. Im Digitaldiskurs wird diese Methode der Altmaterialverwendung als selbstverständlich verstanden. Nicht nur der Autor ist längst gestorben, sondern auch die Originalität. "Die Kopie von der Kopie von der Kopie von der Kopie", wie es der Berliner Rapkünstler Romano in seinem Song "Copyshop" auf den Punkt bringt.

Das ist nicht weiter schlimm, wenn man das große Bild im Blick behält: die sehr bekannten Asimovschen Gesetze sehen vor, dass Robotwesen stets dem Menschen zugeordnet bleiben und jede Motivation gegen ihre Herren unterdrücken. Mit den Dingen verhält es sich ebenso. Die Horrorvisionen eines Stephen Kings, dass sich Autos verselbstständigen und ihre Besitzer umfahren, also bewusst töten, scheint weit entfernt zu liegen.

Wie sieht es jedoch mit einem anderen (filmischen) Beispiel aus? Die Rede ist von HAL 9000, dem Raumschiffcomputer in Stanley Kubricks Film "2001: Space Odyssey": Er wendet sich gegen den Astronauten, entwickelt eigene Bewertungskriterien. Vor allem, weil es um seine Abschaltung geht.

Im Smart Home ist Milch als bekömmliches und gesundes Getränk für den Menschen gespeichert und so bestellt der PC eine neue Packung, sobald der Vorrat weniger wird. Der Mensch möchte auf Milch verzichten, da er sich zunehmend schlechter fühlt. Er führt das auf Milch zurück, da er jeden Morgen Müsli isst. Er weiß es noch nicht, aber er entwickelt eine Lactoseintoleranz. Hierzu existieren noch keine Untersuchungswerte (vom Hausarzt z.B.) in der Cloud, weil sich der Verdacht noch nicht erhärtet hat. Der Smart Home-PC jedoch orientiert sich an den zur Verfügung stehenden Daten, zum Beispiel aus dem Gesundheitsordner.

Der PC bestellt also weiterhin die Milch und überwacht die Einnahme, weil vor einem Jahr der Techniker die Milch als gesundheitsfördernd einprogrammiert hatte. Die Frage stellt sich, welchen Spielraum das Smart Home dem eigenverantwortlich handelnden Bewohner dieses Hauses einräumt. Wer trägt die letztgültige Entscheidung?

Wie smart sind sie jetzt wirklich?

Die Kommunikation zwischen der Dingwelt, den Maschinen und Menschen ist bislang noch fehleranfällig. Andererseits gab es kürzlich in der amerikanischen Zeitschrift Wired einen Artikel zu lesen, der für 2017 ein sehr positives Jahr für die Entwicklung rekapituliert.

Die Computertechnik ist schnell genug, die Chips sind klein genug geworden und die Fähigkeit ist gewachsen, große Datenmengen zunehmend intelligenter analysieren zu können. Die Masse an möglichen Daten erschwert eine rein algorithmische Einschätzung eines möglichen Problems. Aus Big Data muss Smart Data werden. Die Vielzahl an Informationen muss für die jeweilige Situation fokussiert werden.

Gerade die Vielfalt des menschlichen Hirns und die Masse an Nervenzellen, die mit den Neurochips nachgebildet werden müsste, um an das Niveau eines menschlichen Hirns zu kommen, stellt die Forschung noch vor große Aufgaben. Bis die Intelligenzleistung einer Maus oder eines Schimpansen erreicht sei, würde laut Experte Nick Bostrom noch viel Zeit vergehen. Wenn jedoch erstmal das Niveau eines "Dorftrottels" erreicht sei, wäre Einstein nicht mehr weit.

Erlangt diese KI Bewusstsein, würde ihre Intelligenz den Ingenieuren, die sie entwickelten, davon galoppieren. Diese negativen Vorahnungen werden von vielen Forschern in diesem Gebiet nicht geteilt, weil man jetzt noch nicht vorher sehen könne, was aus solcher Selbstorganisation entstünde. Vielleicht kann eine ziemlich gegenwärtige Science Fiction, die sich vom bereits jetzt Möglichen etwas in die Zukunft vorwagt, am besten mögliche Szenarien entwerfen? Die Angst geht um, man stoße eine Entwicklung an, die nicht mehr aufzuhalten sei.

Man könnte entgegensetzen, dass auch das Internet keinen Ausschaltknopf habe. Bis eine selbsttätige und lernende Systematik entwickelt ist, wird das menschliche Leben durch smarte Maschinen erleichtert. Bereits jetzt helfen Prothesen verletzten und schwerbehinderten Menschen im Alltag. Körper verwachsen mit metallischen implantierten Mikrochips, Logistikzentren wie vom Handelsriesen Amazon setzen Roboter ein, in der industriellen Produktion schon lange, Smartphones sind längst kleine mobile Schaltzentralen und Infozentren. Sich dagegen wehren hieße, diese Gerätschaften nicht zu kaufen und zu nutzen. Das kommt zumindest im privaten Feld häufiger vor.

Jede Maschine ist nach wie vor von Menschen konstruiert. Mehr als Unterstützung ist bislang nicht in Sicht. Maschine ist dann letztlich, was wir daraus machen. Science Fiction-Filme behandeln nach wie vor das Thema Mensch-Maschine oder Replikanten-Verwechselungen. Medienberichte häufen sich, was Roboter, Haushaltsgeräte und Menschen miteinander tun können. Mehr noch, wenn sie alle miteinander vernetzt sind. Das Zeitalter der Digitalisierung wird beschworen, Beginn und Ende bedacht.

Ein Ausblick

Kurzum: Das Zusammenleben mit smarten Maschinen wird davon abhängen, wie die betroffenen Bürger mit der Automatisierung des täglichen Lebens umgehen. Algorithmen bestimmen den Rhythmus. Andererseits eröffnen gerade sie ungeahnte kreative Möglichkeiten.

Die mangelnde Fähigkeit der Roboter zur Kontextualisierung, was Menschen durch Beobachtung und Konversation lösen, stellt noch ein großes Problem dar. Wie kann eine Maschine Humor erkennen? Wie nimmt ein Android Gruppengespräche wahr? Welche Uhrzeit stellt der Wecker mit Kontakt zum Internet für einen persönlich ein?

Das "unheimliche Tal" zwischen Mensch und smarter Maschine wird durchschritten, doch der Weg ist noch lang, bis sie als smarte Partner interagieren können. Doch vielleicht soll ein anderer Pfad beschritten werden? Im Buch "The Second Machine Age" schließen die Autoren mit den Worten: "Technologie ist kein Schicksal. Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand." (S. 309) Vielleicht sind diese Worte etwas zu hoch gegriffen? Ray Kurzweil, Director of Engineering bei Google, schreibt ein Buch mit dem Titel "The Singularity is Near" (2005), womit er ein maschinelles digitales Selbstbewusstsein meint. Doch davon sind wir noch weit entfernt. Kurzweil gibt sogar eine Jahreszahl (2045) an. Er hat sich eine besondere Diät verordnet, um nicht vor diesem Ereignis zu sterben.

Die Maschinen sind bislang so smart, wie ihre menschlichen Entwickler sie gestalten. Der (mögliche) Frankenstein bleibt vorerst ein Golem. Doch wer weiß, ob das mystisch-magische Geschöpf nicht bald Realität wird? Arthur C. Clarke hat den bekannten Spruch geprägt, dass High-Tech nicht viel anders als Magie sei. Und schreibt daher nicht von ungefähr der polnische Autor Stanislaw Lem sein Buch "Also sprach GOLEM" (1981) über einen Supercomputer namens GOLEM? GOLEM steht hier für "General Operator, Longrange, Ethically Stabilized, Multimodelling" - ein kybernetisches System, das mehrere Qualitäten in sich vereinigt und als Stratege zumindest in der Fiktion mehrere Staatsämter und Militärgrade bekleidet. Die Künstliche Intelligenz mit dem Namen eines künstlichen Knechts, der durch Magie zum Leben erweckt wird. Mehrere Werke beschäftigen sich mit der Sagengestalt Golem. Zentral ist das Verhältnis von Herr und Knecht.

Minoru Asada, japanischer Professor für adaptive Maschinen und Leiter der Neurorobotik an der Osaka-Universität, möchte soziale Roboter und er ist überzeugt, dass im 21. Jahrhundert ein Zusammenleben von Menschen und Robotern geschehen wird. Ein Abschied vom Verständnis des Roboters als Knecht des Menschen. Sein Landsmann Ishiguro geht noch weiter und ist davon überzeugt, dass sein weibliches Modell Geminoid F "Sonzai-kan" besitze. Das ist der japanische Ausdruck für die Präsenz einer Seele in einer Person oder einem Objekt.

Es wird deutlich, dass die Frage: Wie clever und smart Maschinen sein sollen, darüber entscheiden wird, wie viel Bewusstsein die Apparate erhalten werden. Das Verhältnis zwischen Selbst- und Fremdbestimmung wird die technologische Entwicklung unverändert begleiten.

LITERATUR

Brynjolfsson, Erik und Andrew McAfee: The Second Machine Age. Wie die nächste Revolution unser aller Leben verändern wird, Kulmbach ³2015.

Drux, Rüdiger (Hg.): Der Frankenstein-Komplex: Kulturgeschichtliche Aspekte des Traums vom künstlichen Menschen, Frankfurt am Main 1999.

Eberl, Ulrich: Smarte Maschinen. Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert, München 2016.

Lem, Stanisław: Also sprach GOLEM, Frankfurt am Main 1986.

Shelley, Mary: Frankenstein Oder der moderne Prometheus, 1818 - 2018 (kontinuierlich aktualisiert; zuerst anonym veröffentlicht).

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