Smartphones: "Fünf-Sterne-Hotels mit gut gewärmten Spas" für Mikroben

Wir sollen unsere Hände waschen und Mundschutz tragen, aber wie oft desinfizieren wir unsere Smartphones, die wir überall dabei haben?

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Wir tragen mittlerweile Masken, wenn auch oft falsch und wahrscheinlich auch oft mehrmals. Wir waschen vermutlich auch öfter als sonst die Hände, vielleicht auch länger als gewohnt, ziehen mitunter Handschuhe an, und wir haben den Einsatz von Desinfektionsmitteln erhöht. Wir pflegen die räumliche Distanzierung, halten Abstand, weichen aus, vermeiden Menschenmengen und setzen mitunter auf Kontaktlosigkeit, etwa beim Bezahlen. Wir sind diszipliniert, Kontakt ist gefährlich, Fremde sowieso, die Familie ist das Refugium.

Die Hygiene hat uns fest im Griff, der durch Covid-19 erfolgte Ausbau des Hygienestaats ist letztlich ein Ergebnis der Seuchen-, vor allem der Pestbekämpfung, die im industriellen Zeitalter nach der Miasma-Theorie mit der neuen Chemie und vor allem den Erkenntnissen der Mikrobiologie, also der Entdeckung der Bakterien, kulminierte und auch mit der "medizinischen Polizei" und dem Konzept der "Volksgesundheit" zu einem Umbau der Städte und der Wohn- und Lebensbedingungen führte.

Zur Bekämpfung von Covid-19 werden Verfolgungs-Apps eingesetzt - oder sie sind wie in Deutschland geplant, um Infektionswege zurückverfolgen und verdächtige Menschen, die möglicherweise infiziert wurden, zu identifizieren. Wirksam werden solche datenschutzrechtlich bedenklichen Tracing-Apps angeblich erst, wenn mehr als 60 Prozent der Menschen in einer Region oder einem Land sie verwenden. Voraussetzung ist, dass die Menschen Smartphones besitzen.

Das sind Geräte, die die meisten Menschen immer mit sich führen und wahnsinnig oft berühren - allerdings nicht ebenso oft desinfizieren oder mit Gummihandschuhen berühren. Das Smartphone wird gewissermaßen zum eigenen Körper gerechnet, stärker als Kleidung, die regelmäßig gewaschen wird, vielleicht ähnlich wie die Augenprothese Brille, deren Gläser zwar geputzt, die aber auch nicht regelmäßig desinfiziert wird.

Die Generation der Boomer achtet weniger auf Hygiene als die Jüngeren

Letztes Jahr erschien in den USA der Bericht "The Dirty Truth" (Die schmutzige Wahrheit) über die Risiken und Mängel der Reinlichkeit der Amerikaner. In Auftrag gegeben wurde er von der Firma Vital Vio, damals noch mit der Warnung vor der Ausbreitung von Antibiotika-resistenten Bakterien (superbug).

Die Firma stellt Lampen mit desinfizierendem UV-Licht her, die in der Luft von Innenräumen Bakterien, Sporen, Pilze oder Viren vernichten oder im Fall von Viren inaktiv machen können. Damit lassen sich auch (Trink)Wasser und eben Oberflächen desinfizieren, also auch von Gegenständen wie Smartphones. Am besten auch gegen Viren, inklusive Sars-CoV-2, scheint UV-C (Wellenlängen 280-100 nm) zu wirken, aber das kann auch gefährlich für Menschen werden, wenn nicht richtig angewendet.

Der Bericht fördert natürlich die Geschäftsinteressen, stellt aber mit einer Umfrage unter US-Bürgern einige zwar bekannte, aber doch immer wieder überraschende Einsichten in die alltäglichen Gepflogenheiten. Er beginnt schon mal mit einer drastischen Warnung: "Die Durchschnittsperson kommt täglich in Kontakt mit 60.000 unterschiedlichen Bakterientypen. 2019 kann das auch gegen Antibiotika resistente Bakterien einschließen, die jährlich weltweit 700.000 Menschen töten und bis 2050 zum Tod von jährlich 10 Millionen Menschen beitragen sollen."

Smartphones sollen "das größte Risiko für die Verbreitung von Krankheiten" sein

Gefragt wurden die Amerikaner, ob und wie oft sie bestimmte Dinge säubern. Dabei stellte sich u.a. heraus, dass die Älteren, die Angehörigen der Generation der Boomer (geb. 1945-1964) deutlich weniger auf Sauberkeit achten als die der Millennials (geb. 1981-1996). Da scheint es also weiter Hygiene-"Fortschritte" gegeben zu haben.

50 Prozent säubern Oberflächen dann, wenn sie schmutzig aussehen, besonders Männer machen das. Auch häufig berührte Dinge wie Lichtschalter werden selten oder gar nicht gereinigt, wozu auch Türgriffe oder Schlüssel, zählen. 23 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen haben sie noch nie gesäubert. 20 Prozent haben ihre TV-Fernbedienung noch nie gesäubert, obwohl man "im Zeitalter der Superbugs", jetzt ersetzt durch Sars-CoV-2, "die Sauberkeit des Haushalts zu einer Priorität" machen sollen. Schließlich haust überall unsichtbar die Gefahr. Am ehesten werden regelmäßig Bad und Küche geputzt, das Homeoffice, derzeit öfter benutzt, findet schon deutlich weniger Beachtung. Zwar wird der Küchentisch von fast allen geputzt, wenn dort Fleisch geschnitten wurde, aber sehr viel weniger, wenn dort Post oder Einkaufstaschen abgelegt wurden.

Ja, und dann sind da die Smartphones. 88 Prozent nutzen sie im Bad/Klo, 89 Prozent beim Kochen und 80 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie seien das "größte Risiko für die Verbreitung von Krankheiten": "We Use Our Phones During the Dirtiest Deeds." 23 Prozent der Befragten hätten sie noch nie gereinigt, obgleich sie Heim für mehr Bakterien sein können als das Bad/Klo, das immerhin meistens jede Woche gesäubert werde. 41 Prozent sagen auch, sie würden das Smartphone in den Mund nehmen, wenn ihre Hände voll sind (ist das eine amerikanische Sitte?).

Smartphones als Trojanische Pferde für Covid-19

Eine Metastudie von Wissenschaftlern der Bond University warnt nun davor, dass Smartphones zu Trojanischen Pferden für Covid-19 werden könnte. Empfohlen wird, das Smartphone mindestens einmal täglich zu dekontaminieren, beispielsweise es mit UV-Licht zu desinfizieren. Ob Covid-19 tatsächlich über Smartphones verbreitet wird, konnte nicht Inhalt der analysierten Untersuchungen sein, aber die Wissenschaftler nehmen einmal an, es könne auch ein Infektionsherd sein, schließlich seien sie, wie Lotti Tajouri, einer der Autoren, sagt, "Fünf-Sterne-Hotels mit gut gewärmten Spas, ein kostenloses Buffet für sich vermehrende Mikroben".

Nach den CDC würden 80 Prozent der Infektionen über die Hände geschehen, was allerdings bei Covid-19 weniger der Fall zu sein scheint. Manche Menschen würden 5000 Mal ihr Smartphone berühren, durchschnittlich werde es drei Stunden am Tag benutzt. Man könne sich so oft man will die Hände waschen, das nütze aber nicht, wenn man dann wieder ein kontaminiertes Smartphone berührt.

Tajouri geht so weit, dass er kritisiert, dass Smartphones bei der Einreise nicht kontrolliert werden, obgleich sie ein "Biosicherheitsproblem" darstellen. Möglicherweise seien es diese Geräte, die Covid-19 so schnell weltweit verbreitet haben. Damit will man sich wohl vermutlich interessant machen. Am häufigsten anzutreffen seien auf Smartphones Staphylococcus aureus und E. Coli, aber auch Acinetobacter oder Bacillus subtilis gedeihen. Aber auch wenn Smartphones ein Brutkasten für Bakterien - und Viren? - sein sollten, ist keineswegs klar, ob darüber auch Infektionskrankheiten übertragen werden. Viren würden auch weniger auf Smartphones gefunden als Bakterien, das könne aber auch die Folge davon sein, dass vor Civid-19 die Wissenschaftler eher nach Bakterien Ausschau gehalten haben.

Tajouri fährt fort, dass Smartphones die Temperatur regulieren, dass wir sie in unseren Taschen herumtragen und süchtig nach ihnen sind. Und dann sprechen wir auch noch in sie und überziehen sie mit Tröpfchen und den darin hausenden Viren und Bakterien. Und dann essen wir auch noch mit Smartphones bei der Hand, wodurch sie Nährstoffe erhalten: "Und niemand - absolut niemand - putzt oder dekontaminiert sein Smartphone."

Aber das Desinfizieren ist auch nicht so einfach. Wenn man nicht UV-Strahlen benutzt, muss man aufpassen. Alkohol ist zwar ein gutes Mittel gegen Sars-CoV-2-Viren, aber beschädigt auch die ölabweisenden Schicht der Handy-Displays. Mikrofasertücher und/oder Seifenwasser beseitigen aber nicht alle Viren. Die CDC raten, eine abwischbare Folie auf dem Screen anzubringen. Ansonsten solle man Desinfektionstücher oder Sprays mit einem Alkohol-Anteil von 70 verwenden.