Söder: Strafzinsen steuerlich absetzbar machen
Banken sprechen nach der EZB-Entscheidung von einer Neubewertung der Situation und von "Verwahrgeld" für größere Einlagen
Der CSU-Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, hat einiges von seinem Vorgänger übernommen, so etwa die Nase für Stimmungen. Horst Seehofer überschrieb das einmal mit einer "Koalition mit der Bevölkerung". So nimmt sich Söder nun häufiger Themen an, die den Grünen zugeschrieben werden und in der Bevölkerung gut ankommen.
Sein Interview mit der Springer-Sonntagszeitung Bams ist überschrieben mit "Wir haben den Umweltschutz erfunden". In dem Interview spricht er auch das Thema "Negativzinsen" an, das für viel Wirbel und Unruhe unter den Sparern sorgt. Das Stichwort hierzu lautet "Enteignung".
Söder wiederholt seine Forderung nach einem gesetzlichen Verbot von Negativzinsen. Man dürfe dies nicht achselzuckend hinnehmen, schließlich gehe es um "kleine Sparvermögen hart arbeitender Leute". Da er andeutet, dass es keine politische Mehrheit für ein solches Verbot gibt, macht er einen anderen Vorschlag: "Wir müssen zumindest die Strafzinsen steuerlich absetzbar machen." Damit Deutschland das Land der Sparer bleibe.
Vom SPD-Finanzminister Scholz war zuletzt zu hören, dass er ein entsprechendes Gesetz zum Verbot von Negativzinsen prüfen lasse. "Diese Prüfung ist aber kompliziert und wird etwas dauern." Das war Mitte August, seither kam kein weiteres Signal von Scholz, wie umzusetzen wäre, was er für das Beste hält; "dass die Banken das einfach lassen".
Seine weiteren Einlassungen dazu waren von Beschwichtigung geprägt. Die Möglichkeiten der Banken, Negativzinsen zu verlangen, seien beschränkt und sie würden angesichts schon aufpassen.
Am Ende sehe ich das gegenwärtig so, dass wir bei den heutigen Vertragsstrukturen kaum Möglichkeiten für Banken haben, solche Negativzinsen für viele ihrer Kunden überhaupt zu verlangen. Und deswegen muss man das beobachten und prüfen - und handeln, falls mal etwas zu tun ist. Aber ich glaube, es besteht auch genügend Klugheit in den Vorständen und Geschäftsführungen der Banken, zu wissen, was das auslösen würde.
Olaf Scholz
Aktuelle Meldungen ziehen diese Einschätzung in Zweifel. Sie sprechen davon, dass sich Banken auf sogenannte "Verwahrentgelte" vorbereiten. Der Euphemismus für Negativzinsen und dem Wertverlust der Einlagen von Sparern zieht seit dem Entschluss der EZB, die Einlagenzinsen für Banken zu erhöhen, seine Kreise in der Bankenwelt.
"Neu bewerten, ob Minuszinsen an die Breite der Kunden weitergegeben werden"
Die FAZ zitiert die Präsidentin des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken, Marija Kolak, damit dass die Entscheidung der EZB, eine schlechte Nachricht für alle Sparerinnen und Sparer sei. Ihrer Einschätzung nach werden die Banken nun neu bewerten, ob sie die Minuszinsen anders als bisher "an die Breite der Kunden weitergeben".
Die Volksbanken würden ihre Kunden jedenfalls schon auf höhere Belastungen vorbereiten, heißt es im Bericht. Mehrere Bankchefs sprachen von der Möglichkeit eines "Verwahrgeldes", das bei Einlagen über 100.000 Euro fällig werde, "wenn die EZB die Zinsen weiter ins Negative senke".
Die EZB versucht sich, mit den Strafzinsen, wie an dieser Stelle kommentiert wurde, an konjunkturpolitischen Belebungsmaßnahmen (Die EZB verschärft den Krisenmodus wieder). Das wirft einmal ein Licht darauf, dass dies auch von der Politik erwünscht wird, und manche Äußerungen über Negativzinsen für Sparern nicht ganz frei sind von Doppelzüngigkeit.
EZB und Realität
Darüber hinaus zeigt dies an, dass die EZB sich einer Krise gegenüber sieht, für deren Bekämpfung ihr offenbar nur mehr hauptsächlich dieses Instrument einfällt oder zur Verfügung steht. Sie will die Banken damit dazu zwingen, dass sie investieren, statt dass das lockere Geld für Schuldenabbau verwendet wird. Dazu bräuchte es aber auch Anregungen zur Investitionstätigkeit.
Darum steht es nicht gut, wie Heiner Flassbeck gegen Forderungen einwendet, die darauf hinauslaufen, dass die EZB einfach nur die Zinsen erhöhen könne, "um den 'Ansprüchen' der deutschen Sparer Genüge zu tun. Dies ist verantwortungslos, "weil es die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in der EWU, an denen die dogmatische deutsche Politik die Hauptschuld trägt, einfach ausblendet".
Die EZB mache ihre Zinspolitik ja nicht ohne Bezug zur Realität, so der Wirtschaftswissenschaftler. Die Realität in Europa sei, dass es schon eine "jahrelange Konjunkturflaute mit sehr geringer Investitionstätigkeit" gebe und nun, "ohne einen wirklichen Aufschwung" in den Jahren zuvor, eine Rezession drohe, "die ganz Europa eine nur katastrophal zu nennende wirtschaftliche Entwicklung bescheren könnte, von den Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit ganz zu schweigen".
Dagegen anzugehen, ist unmittelbar Aufgabe der EZB, auch wenn ihre Mittel inzwischen sehr beschränkt sind. Und diese Aussage ist unabhängig davon, wie das Mandat der EZB ganz konkret aussieht. Und es ist die EZB, die den Einsatz der Fiskalpolitik fordert, weil sie sieht, wie wirkungslos die Geldpolitik inzwischen ist. Genau diese Lösung wird aber von Deutschland blockiert.
Heiner Flassbeck