Sorgen wegen Deindustrialisierung? Warten auf das grüne Wirtschaftswunder!
Seite 2: Steuern – aber wohin eigentlich?
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Die Unionsfraktion im Bundestag, selbst entschiedene bis aggressive Befürworterin der Nato-orientierten Rüstungspolitik, hat in einer großen Anfrage an die Bundesregierung zuletzt eine der Stellschrauben ins Visier genommen, die bereits vor der Ukraine-Krise als Handelshemmnis wahrgenommen wurden: die vergleichsweise hohen Steuern.
Jene große Anfrage 20/5910 hat folglich "die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb" zum Thema. Mit Bezug auf den Länderindex Familienunternehmen (siehe: Der deutsche Motor Europas – ein Auslaufmodell, dem zufolge Deutschland "der große Verlierer im Standortwettbewerb ist", erkundigen sich die Fragesteller danach, wie eine Senkung der Steuerlast dem Wirtschaftsstandort Auftrieb verleihen könnte – auch vor dem Hintergrund der Rekordeinnahmen in den Haushaltsjahren 2021 und 2022.
Von der gesamten Antwort der Bundesregierung, die durchaus lesenswert ist, stellen wir hier zunächst einen Abschnitt aus der Vorbemerkung heraus. So abstrakt er formuliert ist, zeichnet er doch den Kurs vor, den die Regierung einzuschlagen plant:
Im Einklang mit der strategischen Ausrichtung der deutschen Finanzpolitik sind insbesondere wachstums- und innovationsfreundliche steuerliche Rahmenbedingungen wichtig zur Stärkung des gesamtwirtschaftlichen Angebots. Die Steuerpolitik kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und gleichzeitig Modernisierung und Transformation zur digitalen und klimaneutralen Wirtschaft unterstützen.
Dabei gilt es, Deutschland – aber auch die EU – als Investitionsstandort im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Mittelstand zu erhalten. Auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist es wichtig, dass sich Deutschland als attraktiver Standort für Kapital und Fachkräfte international behauptet.
Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
Weiter unten in der Stellungnahme verspricht die Bundesregierung, diesen "angebotsorientierten" Ansatz in Form einer "neue[n] Investitionsprämie für Zwecke der Transformation und Modernisierung der Wirtschaft" zu realisieren. Mutmaßlich schlägt Berlin damit dieselbe Richtung ein wie Washington mit dem berüchtigten und offensichtlich effektiven inflation reduction act.
Gleichzeitig bietet jener Ansatz der Regierung die Chance, auch dort – und dann eben scheinbar notgedrungen – die grüne Transformation zu vollziehen, wo sie unter anderen Umständen mutmaßlich nicht oder erst spät in Angriff genommen worden wäre.
Damit rückt eine Frage ins Zentrum, die Telepolis zuletzt am Beispiel des "Kriegswirtschaft"-Diskurses besprochen hat und der aktuell innerhalb eines Projekts am Forschungszentrum Jülich nachgegangen wird:
Erhöhen Extremereignisse wie der Krieg in der Ukraine die Bereitschaft, die Energiewende dauerhaft aktiv mitzugestalten?
Oder mit anderen Worten: Wie eignen sich Ausnahmezustände, um gesellschaftliche Umbrüche herbeizuführen?
Ein Vortrag, an dem Vertreter sowohl der OECD, der Energiewirtschaftsverbände BDEW und BEE sowie des Bundeswirtschaftsministeriums (Christian Maaß) im Juni vergangenen Jahres in Berlin unter dem Titel "Der Ukraine-Krieg als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Wärmewende?" teilgenommen haben, scheint bereits im Titel eine Antwort gegeben zu haben.