Soziales Klimageld: Große Lücken und Dissenz

Hubertus Heil. Bild: Olaf Kosinsky/CC BY-SA 3.0-de

Kardinale Fragen sind offen: Wer bekommt das Entlastungsgeld, wieviel und wie?

Der deutschen Politik wird im Ausland nachgesagt, dass sie sich durch ihre Kompromissfähigkeit auszeichnet, dazu kommt das Gerücht, dass die Deutschen größeres Talent zum Tüfteln haben. Schaut man sich den Zwischenstand zur Diskussion über das "soziale Klimageld" an, die nach der Ankündigung von Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil an Fahrt gewonnen hat, so ist beides in höherem Maße nötig.

Denn hinter dem Entlastungsangebot zeigen sich große Lücken und Dissenz. Zwar kann man in der Regierungskoalition ein grundlegendes Einverständnis dafür ausmachen, dass der Bevölkerung in Zeiten der Vielfachkrise angesichts einer Inflation von um die 8 Prozent, einem verteuerten Lebensunterhalt, der an rote Linien geht, mit Entlastungspaketen geholfen werden soll – aber es sind die elementaren Fragen zur Umsetzung, die noch offen sind: Wer soll wieviel bekommen und wie soll das Entlastungsgeld an die Bevölkerung verteilt werden?

Staffelung und Umfang seien noch offen, berichtete die Tagesschau gestern. Dort wird auf die Grundlage des Heilschen Versprechens, den Koalitionsvertrag der Ampel, verwiesen. Darin hätten SPD, Grüne und FDP "angesichts höherer CO2-Preiskomponenten" ein Klimageld als "sozialen Kompensationsmechanismus" angekündigt: "Solche Auszahlungen sollen finanzielle Belastungen durch höhere Preise für das Klimagas CO2 im Zuge der Energiewende ausgleichen."

Das "soziale Klimageld", das der Bundesarbeits- und Sozialminister am Wochenende über Medien als Versprechen in die Welt geschickt hat, verlässt, wie sein Ministerkollege von der FDP, Lindner, zuständig für Finanzen, verstehen ließ, den Konsens.

In der FDP plädiert man lieber für Entlastungen in Form einer Steuerreform, statt für einen neuen Gabentopf, von dem man nicht wisse, wie er gefüllt werde – auf die Finanzierungsideen sei er gespannt, so Lindner – und an wen er genau verteilt wird.

Heil sprach plakativ davon, dass Vielverdiener nichts und Bedürftige am meisten bekommen:

Es soll Menschen zugutekommen, die als Alleinstehende weniger als 4000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8000 Euro brutto im Monat verdienen.

Der Spiegel erwiderte heute darauf, dass die Wohltat Heils vergiftet sei. Der Bericht kommt, untermalt von Grafiken, zu einem Ergebnis, das wohl nur wenige überraschen wird:

In jedem Fall würden die von Heil genannten Verdienstgrenzen auch Menschen mit einem gehobenen Einkommen einschließen. Lediglich sehr gut Verdienende wären vom Klimageld ausgeschlossen.

Spiegel

Dass ein Bruttoverdienst von 4.000 Brutto vom Monat für eine Person ein relativ gehobenes Salär ist, mit dem auch in Zeiten einer höheren Inflation sich gut wirtschaften lässt, taucht in diversen Diskussionen über das soziale Klimageld öfter auf.

Auch die 8.000 Brutto für Verheiratete können als Einkommen einer nicht schlecht situierten Mittelklasse bewertet werden, mit der Ergänzung, dass sehr viel darauf ankomme, wie viele Kinder es im Haushalt gibt. Zugespitzt fragt der Spiegel-Bericht:

Welche Rolle spielt die Zahl der Kinder? Würde ein kinderloses Paar mit 7999 Euro brutto im Monat das Klimageld erhalten, Eltern mit 8001 Euro aber nicht – selbst dann, wenn sie drei oder mehr Kinder haben?

Spiegel

Doch sind damit nicht genug der Fragen, die Heils Versprechen auf den Zahn fühlen. Wie hoch soll das Klimageld eigentlich sein, fragt sich nicht nur das Hamburger Nachrichtenmagazin. Und wie soll es verteilt werden?

Wie kommt das Geld an die Empfänger?

Anscheinend ist noch nicht ausgemacht, wie Rentnerinnen und Rentner, Selbstständige, Studierende, "Krankengeld- oder Grundsicherungsbeziehende" an das Klimageld kommen sollen. Geht es nach den Informationen des Spiegel, so ist noch nicht geklärt, wie das Geld beim Empfängerkreis landen soll. Offenbar ist es nicht so einfach, das Klimageld auf Konten zu überweisen.

Man bräuchte dazu ein zentrales Verzeichnis der Wohnbevölkerung, dass es auf Bundesebene nicht gebe. Die Melderegister der Kommunen seien "notorisch" unzuverlässig. Weswegen die Regierung schon bei bereits beschlossenen Entlastungspaketen gezwungen sei, "das Geld über viele verschiedene Wege auszuzahlen: über Gehaltszuschüsse bei Beschäftigten, Steuerverrechnungen bei Selbstständigen, Familienzuschüsse beim Kindergeld, Einmalzahlungen für Wohngeld- und Grundsicherungsempfänger – mitsamt den Ungereimtheiten und Gerechtigkeitslücken, Doppelempfängern und Menschen, die ganz leer ausgingen, wie die meisten Rentner".

Nun weiß man, dass der Spiegel Themen gerne scharf verpackt, um die öffentliche Diskussion anzuheizen. Es wird sich zeigen, ob die Überweisung des Klimageldes tatsächlich das große Problem darstellt.

Der soziale Friede

Anschaulich wird damit aber, was Medien gerne mit der schalen Phrase "Hausarbeiten gemacht oder nicht gemacht" umschreiben: Dass es gut möglich ist, dass der SPD-Minister noch gar kein ausgearbeitetes Konzept für das "soziale Klimageld" hat und die Handwerksarbeit dem Finanzministerium unterstellt, dem Haus von Lindner, weswegen dem Versprechen vom Magazin das Beiwort "giftig" beigegeben wird.

Die Frage, die die Bevölkerung interessieren wird, die nach der Höhe der Entlastung, ist die große Herausforderung für die Kompromissbereitschaft der Ampel-Koalition. Von Sozialverbänden und Gewerkschaften gab es Zuspruch für die Initiative Heils.

Das Stichwort "sozialer Frieden" dürfte bei allen Regierungsparteien mittlerweile mehr als eine Phrase sein, auch wenn die Vorstellungen der drei Parteien zur Besänftigung der Lage deutlich auseinander gehen.

"Wer die Zeichen jetzt nicht erkennt, die darauf hindeuten, dass ein ansehnlicher Teil der Bevölkerung in Deutschland dabei ist, die Existenzgrundlage zu verlieren, der stellt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesem Land auf eine harte Probe", wird aus dem Süden kommentiert.