"Soziales Klimageld": SPD-Initiative in der Sackgasse? (Update)

Sozialdemokraten verweisen auf Koalitionsvertrag. Sozialverbände unterstützen Initiative. Aber weder die FDP noch die Grünen machen mit

Wird die Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung eines „sozialen Klimageldes“ gegen die Wand gefahren? Während Haushalte in ganz Deutschland unter steigenden Preisen ächzen und der Bundesrat heute im parlamentarischen Eilverfahren – inklusive Grundgesetzänderung – das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet hat, geht es mit dem Entlastungspaket nicht voran.

Grund dafür ist offenbar ein heftiger Streit zwischen den Ampel-Koalitionären. Anfang der Woche beharrte SPD-Chef Lars Klingbeil noch auf die Einführung des Klimageldes. "Wir diskutieren noch über den besten Weg. Aber eins ist klar: Das Klimageld wird helfen, um Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen bei den Kosten für den klimaneutralen Umbau unserer Gesellschaft zu unterstützen", zitierten die Zeitungen der Funke Mediengruppe Klingbeil.

Der SPD-Chef bezieht sich auf einen vagen Passus im Koalitionsvertrag, in dem – allerdings ohne weitere Ausführungen – von einem "Klimageld" die Rede ist. Christian Lindner (FDP) sei nun aufgefordert, bis Ende des Jahres ein Modell für die Auszahlung ausarbeiten, so Klingbeil.

Unterstützung bekamen die Genossen von dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Im Interview mit Telepolis sagte Ulrich Schneider, letztlich komme es auf die Höhe an, damit für die Menschen dabei etwas rauskommt.

"Aber wenn man sich da jetzt nicht dran macht, an die Ausgestaltung der Parameter, dann wird man auch nie zu diesem Ziel gelangen. Und deswegen hat Hubertus Heil völlig recht, wenn er sagt, zum 1.1.2023 muss das eigentlich stehen. Und das unterstützen wir sehr. Wir dürfen das nicht die lange Bank schieben."

Vor allem die SPD und ihr Bundeskanzler Olaf Scholz stehen unter Druck. Denn primär schwebt nicht der „klimaneutrale Umbau“ der Gesellschaft wie ein Damoklesschwert über den deutschen Haushalten, sondern die Preissteigerung in Folge von Russlands Krieg gegen die Ukraine und der Sanktionspolitik der Europäischen Union.

Dennoch lehnt Grünen-Chef Omid Nouripour das Konzept von Arbeitsminister Heil ab. Er forderte ebenfalls im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das Klimageld müsse "auch einen Steuerungseffekt beim Klimaschutz" haben: "Diesen erkenne ich in dem bisherigen Vorschlag nicht."

Das Klimageld müsse seinem Namen gerecht werden und auf Klimaschutz abzielen. "Wir müssen Anreize schaffen, von fossilen auf erneuerbare Energien und auf Energieeffizienz umzusteuern – und den Menschen dann beim Umstieg die notwendige Unterstützung zukommen lassen", so der Parteichef der mitregierenden Grünen.

Nach Einkommen gestaffeltes Klimageld

Angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise hatte sich Heil für ein nach Einkommen gestaffeltes soziales Klimageld ausgesprochen. Davon sollen Menschen profitieren, die als Alleinstehende weniger als 4.000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8.000 Euro brutto im Monat verdienen.

Die Einführung eines sogenannten sozialen Klimageldes hatte von Beginn an für Debatten zwischen den Parteien der Ampel-Koalition geführt. Dabei hat Bundessozialminister Heil durchaus Rückendeckung aus der eigenen Partei und von Sozialorganisationen erhalten.

Früh hatte sich auch Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband eingeschaltet, den Vorstoß unterstützt und es als richtigen Weg bezeichnet, ärmerer Haushalte angesichts der Belastung durch die Energiekosten- und Inflationskrise von staatlicher Seite aus finanziell zu unterstützen.

Nach Ansicht des Soziallobbyisten Schneider stehen die Chancen dafür in der SPD-geführten Bundesregierung besser als zu Zeiten der Großen Koalition.

Damals hätten auf dem Höhepunkt der Coronakrise Bezieher von Sozialhilfe und Grundsicherung ein Jahr lang waren müssen, "bevor sie auch nur zehn Atemschutzmasken kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen haben", so Schneider am Mittwoch gegenüber Telepolis. Inzwischen habe das Bewusstsein für soziale Probleme in der Gesellschaft zugenommen, so Schneider im Interview, das am Donnerstag bei Telepolis erscheint.

Heil hatte sich zuvor schon optimistisch zur Einführung des Klimageldes geäußert. Mit der Maßnahme will der SPD-Minister eine jährliche Einmalzahlung an Personen mit bis zu 4.000 Euro Bruttoeinkommen im Monat ermöglichen. Diese staatliche Hilfe sei als Ausgleich für wohl steigende Energiepreise gedacht.

Allerdings sind viele Fragen zur Ausgestaltung des Klimageldes noch offen. Angekündigt wurde, dass die Sätze für Bezieher für Grundsicherung ohne Erwerbstätigkeit steigen sollen, konkrete Zahlen aber stehen aus.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte die Initiative sofort zurückgewiesen. Die SPD habe "die Umverteilungspolitik wohl noch nicht verlernt", zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Der FDP-Chef forderte von Heil auch Finanzierungsvorschläge. Zugleich sprach sich Lindner für eine Reform der Lohn- und Einkommensteuer aus, um Haushalte finanziell zu entlasten.

Soziales Klimageld: Was steht im Koalitionsvertrag?

Ende Mai hatte der FDP-Finanzminister im Heute-Journal des ZDF Heils Vorschlag als bürokratisch und "neuen Umverteilungstopf" bezeichnet. Dies entspreche nicht dem Koalitionsvertrag.

Heil merkte angesichts des Widerstandes von der FDP daraufhin an, dass sowohl ein "Klimageld" als auch ein "Bürgergeld" mit einer Reform der Grundsicherung im Koalitionsvertrag vereinbart worden seien.

Die Notwendigkeit für ein solches Instrument sei angesichts steigender Preise für Energie in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine größer geworden, so Heil weiter. Er sprach sich deswegen dafür aus, dass die Koalition bei der Umsetzung des Klimageldes schneller auf Resultate hinwirke.

Tatsächlich heißt es auf Seite 49 des Koalitionsvertrages:

Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld).

Koalitionsvertrag, Seite49

Die SPD scheint das "soziale Klimageld" angesichts der steigenden Preise und des damit zunehmenden sozialen Konfliktpotenzials zu einem zentralen Thema ihrer Regierungspolitik machen zu wollen. So hat schon zu Beginn der Woche die SPD-Vorsitzende Saskia Esken den Vorschlag ihres Genossen Heil gegen die FDP-Kritik verteidigt.

Auch Esken verwies auf den ein Klimageld, das im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Angesichts der Preissteigerungen hauptsächlich bei Energie müsse diese Vorhaben aber noch im laufenden Jahr realisiert werden.

Durch Einkommensgrenzen und Staffelungen könne man garantieren, dass die Entlastungen "bei den Menschen ankommt, die sie am dringlichsten benötigen", sagte Esken.