Spanien in Straßburg erneut wegen Folter und Misshandlungen verurteilt
Die Kritik wird immer schärfer am Menschenrechtsgerichtshof, denn nun geht es nicht mehr nur darum, dass das Land gegen Folterer nicht ermittelt
In Straßburg wird die Luft für massive spanische Menschenrechtsverletzungen immer dünner, auch wenn in Deutschland weiter darüber kaum jemand berichten will, dass Menschen in einem EU-Land gefoltert und schwer misshandelt werden. Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Spanien zum achten Mal in wenigen Jahren verurteilt. Waren es bisher Verurteilungen dafür, dass Spanien begründete Anzeigen wegen Folter nicht einmal untersucht hat, so wurde das Land jetzt wegen nachgewiesener Misshandlungen verurteilt.
Bisher hat der EMGR das Land stets hart dafür angegriffen, dass nicht einmal die Folter an Journalisten untersucht wurden, deren Zeitung illegal geschlossen wurde. Dabei war in diesem Fall die Folter schon offensichtlich, schließlich hatte sogar das Sondergericht "Audiencia National" (Nationaler Gerichtshof) die Geständnisse verworfen. Denn auch diese Basken hatten unter Folter gestanden, Mitglieder der Untergrundorganisation ETA zu sein und sie wurden freigesprochen.
Im Urteil hieß es eindeutig: "Die Klagen über Misshandlungen und Folter in der Kontaktsperre, die detailliert im Verfahren und zuvor vor dem Ermittlungsrichter beschrieben wurden und Gegenstand von Anzeigen vor Gerichten sind, sind kompatibel mit den Gutachten von forensischen Ärzten, die bei der Aufnahme im Gefängnis erstellt wurden." Trotz dieses Urteils wurden die Peiniger nicht gesucht und verurteilt.
Nun wurde Spanien erneut dazu verurteilt, zwei verurteilten Mitgliedern der ETA eine Entschädigung in Höhe von 20.000 und 30.000 Euro zu zahlen. Für alle Richter war erwiesen, dass Igor Portu und Mattin Sarasola nach ihrer Verhaftung am 6. Januar 2008 von Mitgliedern der paramilitärischen Guardia Civil schwer misshandelt wurden. Schon auf der Fahrt nach der Verhaftung seien sie misshandelt worden und die Pein ging später in der berüchtigten Kontaktsperre weiter, in denen die Opfer vollständig isoliert sind und nicht einmal Kontakt zu ihrem Anwalt haben. Fünf Tage auf der Intensivstation war das Ergebnis für Igor Portu, was den beiden wohl eine tagelange Folter erspart hat und zu Beweisen führte, um das Vorgehen zu belegen. Denn Gerichtsmediziner stellten die schweren Verletzungen fest, die sie bei der Verhaftung nachweislich nicht hatten.
Gespalten waren die Richter aber in der Frage, ob die Vorgänge als schwere Misshandlungen oder als Folter (im Sinne des Gerichtshofs) einzustufen sind. Eine knappe Mehrheit von vier Richtern überstimmte die Minderheit von drei Richtern, den Begriff "Folter" nicht ins Urteil zu schreiben. Dafür müsse nach Ansicht der Mehrheit ein Ziel bestehen, beispielsweise an Informationen zu gelangen. Das habe nicht definitiv nachgewiesen werden können.
Hier spielt das spanische System, in dem nach einer Studie der baskischen Regierung nach dem Ende der Diktatur allein mehr als 4100 Menschen gefoltert wurden, weiter in die Hände der Peiniger. Ein völlig isolierter Mensch kann meist nicht einmal die erlittenen Misshandlungen beweisen, geschweige denn die Tatsache, dass damit Informationen erpresst oder Geständnisse erzwungen werden sollen. Wie soll das möglich sein, wenn man nicht einmal Kontakt zu einem Anwalt hat und in einem unbekannten Folterkeller für bis zu 10 Tage verschwindet.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte rügt spanischen Obersten Gerichtshof
Als exemplarisch in Spanien stellt das Gericht nur das Vorgehen des Provinzgerichts im baskischen Donostia (San Sebastian) heraus, denn hier wurden die Beweise gesammelt und 15 Beamte angeklagt. Vier Paramilitärs wurden schließlich in Donostia verurteilt, die Höchststrafe von viereinhalb Jahren fiel allerdings für einen Offizier immer noch recht gering aus. Die restlichen drei erhielten sogar nur zwei Jahre.
Doch als das Verfahren dann in der nächsten Instanz vor dem spanischen Obersten Gerichtshof verhandelt wurde, der derzeit mit seinen absurden Anklagen wegen Rebellion und der Inhaftierung von friedfertigen katalanischen Politikern unangenehm auffällt und juristisch den verdeckten Ausnahmezustand der Regierung bemäntelt, wurde das Urteil kassiert. Das hohe Gericht hielt, ohne Ermittlungen anzustellen, die Vorwürfe für nicht gerechtfertigt und sprach die Paramilitärs frei.
Das Straßburger Gericht rügte, dass der Gerichtshof weder die ärztlichen Atteste noch das erstinstanzliche Urteil berücksichtigt und keinerlei plausible Erklärung für die schweren Verletzungen der beiden ETA-Mitglieder geliefert habe. Spanien habe damit nicht nur gegen das Verbot von "unmenschlicher und entwürdigender Behandlung" verstoßen, sondern auch gegen das Grundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Deshalb fordern baskische Parteien nun auch, nicht nur diese Urteile zu verwerfen und zu überprüfen, sondern alle Urteile, in denen Folter angezeigt wurde. Die baskische Regierung verlangt, dass Madrid das Urteil annimmt, umsetzt und Maßnahmen trifft, damit sich derlei in Zukunft nicht wiederholt.
Der spanische Justizminister Rafael Catalá, klammert sich daran, dass im Urteil nicht "Folter" steht und will in der erneuten Verurteilung absurderweise sogar ein Zeichen sehen, dass das spanische System zum Schutz der Menschenrecht "funktioniert". Man darf gespannt sein, ob Spanien Widerspruch einlegt und riskiert, dass die Große Kammer vielleicht doch noch zum Ergebnis kommt, dass man klar und deutlich von Folter sprechen muss.
Das Urteil konnte kaum besser fallen, denn am 13. Februar, an dem es gefällt wurde, ist im Baskenland der Tag gegen Folter. Im ganzen Land fanden Veranstaltungen statt, um die Folter, die noch immer Realität ist, zu beseitigen. Auf einer Veranstaltung in Irun sprach der Historiker und Schriftsteller Iñaki Egaña davon, dass die bisher ermittelten Folterfälle "nur die Spitze des Eisbergs" seien, und er führt an, dass insgesamt 18 Basken zu Tode gefoltert wurden und die Mörder, auch wenn sie ermittelt wurden wie der Guardia Civil General Galindo, fast straffrei blieben, auch wenn sie zu bis zu 75 Jahren Knast verurteilt wurden. Sie bekamen kurze Vorzugshaft, schnell Freigang und Begnadigung.
Schweizer Justiz hält es mit dem Folterverbot nicht so genau
Aus dem Schweizer Exil war das Folteropfer Nekane Txapartegi per Videokonferenz zugeschaltet. Ihr Fall sorgte für Aufruhr, da die Schweiz sie an Spanien ausliefern und erneut der Folter aussetzen wollte, dabei war ihre Strafe in Spanien längst verjährt, womit sich die Schweiz lächerlich gemacht hatte.
Txapartegi erklärte, dass sie weiter in Spanien verfolgt wird, da man dort erneut gegen sie ermittelt. Trotz allem hat die Schweiz ihren Asylantrag abgelehnt. In der bekannt widersprüchlichen Art erklärt die Schweizer Justiz nun, ihr würden in Spanien keine ernsthaften Nachteile oder Verfolgung drohen, weshalb kein Asylgrund vorliege. Absurd ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb, weil es zwar die Ablehnung des Staatssekretariats für Migration (SEM) bestätigt, aber anders als das SEM nun auch zum Schluss kommt, dass ihre Foltervorwürfe plausibel sind.
International anerkannte Experten bis hin zum UNO-Sonderberichterstatter für Folter hatten von der Schweiz gefordert, das "Folterverbot kompromisslos zu schützen", wozu die Schweiz offensichtlich bis heute nicht bereit ist. Die Lage der Baskin ist in der Schweiz weiter nicht gesichert, wo ihre Tochter lebt und im Exil geboren wurde.