Spanien ist Weltmeister bei der Inhaftierung von Musikern
Bei dem traurigen Rekord steht ein europäischer Staat noch vor dem Iran oder der Türkei, wo gerade eine Musikerin im Hungerstreik gestorben ist
Dass Spanien ein höchst repressiver Staat ist, wobei ziemlich egal ist, ob dort gerade eine rechte oder linke Regierung an der Macht ist, ist wahrlich keine Neuigkeit mehr. Dass sich das Land sogar unter einer Linksregierung weigert, trotz eines höchstrichterlichen Urteils des Europäischen Gerichtshof(EuGH) einen politischen Gefangenen freizulassen, damit er mit seiner Immunität seinen Sitz im Europaparlament einnehmen kann, macht das sehr deutlich.
Aber die Repression trifft nicht nur katalanische oder baskische Politiker, sondern auch Künstler. Schon im vergangenen Jahr hatte Telepolis darüber berichtet, dass Freemuse, eine internationale Nichtregierungsorganisation, die das Recht auf freien künstlerischen Ausdruck verteidigt, ausgerechnet einen Staat mitten in der Europäischen Union herausstreicht. Den traurigen Weltrekord, sich die höchste Zahl inhaftierter Musiker zu leisten, hat Spanien nun ein weiteres Jahr verteidigt.
Im Freemuse-Jahresbericht "The State of Artistic Freedom 2020" führt Spanien das Ranking mit 14 inhaftierten Musikern an. Eigentlich wären es 15, doch der junge Mallorquiner Rapper Valtonyc hatte sich durch Flucht nach Belgien der Verbüßung einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Verherrlichung des Terrorismus und Beleidigung der Monarchie entzogen. Am EuGH wurde kürzlich ebenfalls klar, dass die spanische Justiz auch illegale Tricks - allerdings erfolglos - angewendet hat, um seine Auslieferung zu erreichen, um ihn endlich auch inhaftieren zu können.
Hinter Spanien kommt das iranische Mullah-Regime mit 13 inhaftierten Musikern auf den zweiten Platz. Die autokratische Türkei vervollständigt das Podium mit 9 eingekerkerten Musikern.
Analysiert wurden 700 Fälle und daraus hat Freemuse insgesamt 71 Künstler herausgefiltert, die weltweit wegen ihrer "Kritik an der Regierung" inhaftiert sind. Freemuse warnt davor, dass Nationalismus und Populismus zu einer Zunahme der Einschränkungen des künstlerischen Ausdrucks geführt haben, und streicht eine "erhebliche Verschlechterung" in Ländern heraus, in denen Rechte von Künstlern eigentlich geschützt sein sollten. Musiker seien von Repression und Zensur in 32% der Fälle am stärksten betroffen, die bildende Kunst folgt dicht dahinter mit 26%.
Wie in der Türkei seien es auch in Spanien vor allem "mehrdeutige Definitionen von Terrorismus" mit denen Künstler angeklagt würden, denn sie sollen Terrorismus verherrlicht haben. Neben "Terrorismus" führe auch die Türkei gerne "separatistische Propaganda" an, um die Repression gegen Kurden zu rechtfertigen. Im Bericht wird ausdrücklich auch die "Grup Yorum" angesprochen. Mitglieder der Gruppe befinden sich seit dem 16. Mai 2019 im Hungerstreik. Vor wenigen Tagen verstarb Helin Bölek nach 288 Tagen.
Spanien wird auch als Beispiel für religiös motivierte Zensur genannt. Hier können Anklagen gegen Frauen angeführt werden, die eine "Prozession der aufmüpfigen Möse" durchgeführt haben. In der Folge wurde auch noch der bekannte Schauspieler Willy Toledo, der sich mit den Frauen solidarisiert hatte, angeklagt. Die Anzeigen kamen von einer katholisch-fundamentalistischen Anwaltsvereinigung. Letztlich wurde Toledo der aber im Verfahren nach einem Aufschrei in der Bevölkerung freigesprochen.
Die religiöse Zensur könnte nach Ansicht von Freemuse mit der Verstärkung der rechtsradikalen VOX-Partei noch zunehmen, die inzwischen drittstärkste Kraft im Parlament ist. Sie baue auf eine "sehr katholische" Basis und auf "sehr nationalistische Unterstützer", die die Rezentralisierung Spaniens im Sinn haben.